[Up] [Preface] [Chap. 1 – 5] [Chap. 6 – 9] [Chap. 10 – 14] [Chap. 15 – 19] [Chap. 20 – 23] [Remarks] [Hebrew Terms] [Bible Verses] [Sources]
* Not translated yet * Only german version available *
(1, von Seite 1)Prerau an der Beczwa ist eine uralte Stadt, welche schon im Jahre 996 urkundlich nachgewiesen ist (Johann Kramar: „Prerau in Mähren“). Viele Juden, welche 1454 n.Chr. aus Breslau und aus Olmütz vertrieben wurden, siedelten sich bereits im selben Jahre in Prerau an (siehe ibidem). Durch viele Jahrhunderte war Prerau eine reiche Industriestadt. Nach der Schlacht am Weißen Berge bei Prag am 8. November 1620 begann ihr Niedergang, da sie während der vielen Kriege wiederholt belagert und von den Feinden geplündert und später durch häufige große Brände (in den Jahren 1762 bis 1830 waren es elf und im Jahre 1843 innerhalb von vier Monaten sieben, teils große, teils kleinere Brände) vernichtet wurde (Prof.Wolny: „Die Markgrafschaft Mähren“), so daß von den früheren zahlreichen Industrien sich nur das Tuchmachergewerbe durch längere Zeit behauptete.
Später konnte auch dieses gegen die fabriksmäßige Erzeugung auf den Jacquard-Maschinen nicht mehr konkurrieren und so war vom Jahre 1830 bis 40 der Ackerbau die Hauptbeschäftigung der Bürger (Frantisek Bayer: „Prerovsko“). Die wohlhabenden Juden betrieben hauptsächlich den Getreidehandel und lieferten ihre Ware nach Olmütz und nach Schlesien. Es ist mir erinnerlich, daß im Jahre der Mißernte 1846/47 Frächter aus Bielitz Kohle und Salz nach Prerau brachten und als Rückladung das vom gottseligen Vater gekaufte Getreide in loser Schüttung mitnahmen.
Der Aufschwung Preraus begann erst mit dem 1.September 1841, an welchen Tage die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn von Wien bis Prerau zum ersten Male verkehrte.
Seit dem 30jährigen Krieg war Prerau vorwiegend deutsch und dieses die Sprache der Gebildeten (Kramar, S 37).
Im Jahre 1833 war Prerau eine kleine, weltabgelegene Landstadt mit 3757 Einwohnern, während sie bei der letzten Volkszählung im Jahre 1910 bereits 20.669 Personen (fast ausschließlich tschechischer Nationalität) hatte. Prerau bildet einen Knotenpunkt von vier Eisenbahnlinien und von fünf Hauptstraßen (siehe ibidem S. 27).
(2, von Seite 2) Wahrscheinlich wurde der Name Briess aus den Anfangs- und Mittelbuchstaben der Worte: „Ben Rabbi Jekauw Szegal“ gebildet, d.i.: Sohn des Jekauw. Das Wort Szegal bedeutet: Abkömmling vom Stamme Levi (Jerabek: „Der alte Prager Friedhof“). Tatsächlich zählt meine Familie zu den Leviten.
Die Juden der Jetztzeit staunen oft über die Familiennamen der galizischen Juden. Für Geld soll man sich im Jahre 1788 angeblich einen schönen Namen von manchem Amtmann haben erkaufen können, z.B. Veilchenfeld, Blumenstock, Rothschild, während die Armen sich mit einem häßlichen Namen begnügen mußten, z.B. Kuh, Rindskopf, Parchkopf, Leibweh, Vorschirm, Knoblauch. Der Name Diamant war der teuerste und kostete fl. 100.- („Mähr.Tagblatt“, Olmütz, 12. Mai 1915).
In Böhmen, besonders in Prag, dem Sitze der im Jahre 1348 gegründeten Karl Ferdinands-Universität, dürften vielleicht die jüdischen Gelehrten mit Vorliebe Namen mit griechischem Ausklang gewählt haben, z.B. Menzeles (von Menelaus), Fleckeles (von Perikles), Eskeles (von Aesculap), Abeles (von Apelles) usw.
Die aus Deutschland Eingewanderten nannten sich nach ihrer ehemaligen Vaterstadt, z.B. Hamburger, Frankfurter, Breslauer usw; viele nannte man nach ihrem Handwerk, nach ihrer Beschäftigung z.B. Schneider, Schuster, Klemperer (Klempner, d.i. Spengler), Sofer (Thoraschreiber), Klatscher (Schmuser, d.i. Schwätzer), Naschauer (Vorkoster, d.i. genäschig).
Während der Kriegsjahre 1914/18 fanden fast täglich Nobilitierungen von höheren Militärpersonen statt, welchen zu ihrem Familiennamen Prädikate, z.B. Drachenfels, Fuchszahn, Sauspertel etc. beigelegt wurden, als sollte dadurch eine Metamorphose ihres bisherigen ersten Blutes in ein blaues bewirkt werden. Die Veröffentlichung dieser Titulaturen geschah in der Regel mit den Worten: Der Allerhöchste (worunter ja nicht der Schöpfer des Weltalls gemeint war) geruhte, den N.N. zum Baron, Grafen etc. zu erheben, was einer Geringschätzung ihrer bisherigen Abstammung ähnlich sah.
Die Bezeichnung Allerhöchst datierte bereits seit dem Jahre 1804 (Annahme des Kaisertitels durch Franz I.). Dem entsprechend war seinerzeit in den offiziellen Berichten zu lesen: „Nach der Schlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 dankten die Allerhöchsten (Kaiser Franz, Kaiser Alexander von Rußland, König Friedrich Wilhelm von Preußen) dem Höchsten für den großen Sieg.“
(3, von Seite 3) Kleine Ursachen mit großen Wirkungen kamen schon zur Zeit des ersten Tempels vor. Der Talmud Gittin 55 B und 57 A erzählt ja, daß wegen einer Henne und eines Hahnes die Stadt Tur Malka (Königsburg bei Jerusalem) zugrunde ging.
In neuerer Zeit bewirkte „ein Glas Wasser“ einen Ministersturz (siehe Scribes gleichnamiges Lustspiel) und in allerjüngster Zeit die Empfindlichkeit eines Ministers (Iswolsky) eine politische Verstimmung zweier Großmächte, Österreichs und Rußlands.
(4, von Seite 5) Moses wurde in Ägypten circa 1600 vor Chr. geboren (II.Mos, K.2, V.2) und starb 120 Jahre alt nach Erfüllung der göttlichen Mission als Befreier, Gesetzgeber, Prophet und Dichter (Siegeslied, II.Mos., K. 15, V.1 und Abschiedssegen V.Mos., K.33, V.1) auf dem Berge Neho im Lande Mauow und wurde im Tale gegenüber Bes Peaur beerdigt (V.Mos., K.34, V.5). Seine Grabstätte kennt man nicht, weil nach einer uralten jüdischen Sage „Moses nicht als tot und gestorben, sondern als fortwirkend und fortlebend angesehen wird.“
In den jüdischen Museen findet sich weder ein Bild noch eine Statue von ihm, weil überhaupt jede Anfertigung in Stein und Bild zufolge der rigorosen Auslegung des Satzes in III.Mos., K.26, V.1 seitens der übereifrigen jüdischen Gelehrten streng verboten war. Dagegen befindet sich eine Statue des Moses von Michelangelo Buonarotti in der Sanct Peterskirche zu Rom und ein Bild des Moses von Rembrandt im Kaiser Friedrich-Museum in Berlin.
(5, von Seite 9) a) „Der Hoffnung zur Unsterblichkeit beraubt, ist der Mensch, dieses Wundergeschöpf, das elendste Tier auf Erden.“ (Mos. Mendelssohn: „Phaedon“)
b) „Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf.“ (Schiller)
c) „Der Mensch, der Gott und Unsterblichkeit verwirft, entadelt sich selbst.“ (Otto von Leixner)
N.B. a, b und c aus den Seelengedächtnispredigten des Rabbiners Dr.B.Oppenheim in Olmütz, im Jahre 1912.
Seelengedächtnisfeiern fanden statt am 8.Pessach, am 2. Schowuaus, am Versöhnungstage und am achten Tage Sukkot. Männer, Frauen und Knaben, deren Eltern noch lebten, verließen aus Zartgefühl für die Verwaisten während dieser Feier das Gotteshaus. Unverheiratete weiblichen Geschlechtes gingen in damaliger Zeit überhaupt nicht in die Schul; nur am ersten und zweiten Rauschhoschonohtag und am Jaumkipur-Ausgang standen sie in der Vorhalle, um das Schofarblasen zu hören, weil man erst nachher essen durfte.
d) „Die Unsterblichkeit der Seele ist als ein Postulat des logischen Denkens von jeher seitens der objektiven Philosophie anerkannt worden.“ (Dr. Theodor Deime: „Die Willensfreiheit“)
e) „Der Glaube an eine bessere Welt ist es allein, der die Menschen befähigt, in allen Lagen dieses jämmerlichen Erdenlebens immer die Last des Lebens weiter zu tragen und die Arbeit aufs neue aufzunehmen.“ (Joh. Scherr)
f) Die Auferstehung der Toten ist auch ein theologisches Dogma des Christentums (Evang. Johannes, K.5, V.21 und 29 und K.6, V. 39-40 und 1.Korinther-Brief, Kap.15, „Wir Alle werden auferstehen“).
g) „Der Tod ist kein Ende, eher ein Anfang. Was wäre das Leben, wenn man nicht an den Fortbestand denken könnte?“ (Grillparzer)
(6, von Seite 13) Abraham Placzek s.A. wurde in Prerau 1803 geboren; nach Absolvierung der Jeschiba in Kojetein bezog er die Talmudische Hochschule des Rabbiners Engelsmann in Wagneustadtl, dessen Ziehtochter er heiratete. Er war Rabbiner in Prerau von 1830 bis Mitte 1834, sodann bis Ende 1840 in Weißkirchen und nachher in Boskowitz, woselbst er im Jahre 1856 an Stelle des in Nikolsburg verstorbenen Rabbiners Salomon Quetsch zum provisorischen Landesrabbiner gewählt wurde. Als solchem war es ihm ermöglicht, sehr viel Ersprießliches, insbesondere zum Wohle der mährischen Judenschaft zu leisten.
(7, von Seite 14) Der berühmte Prediger Mannheimer aus Wien nannte als Abgeordneter im Reichstag zu Kremsier im Jahre 1848 die nur nach mosaischem Gesetz geschlossenen Emigranten-Ehen trotzdem „als vor Gott geheiligt“ (Dr.Frankel Grün, S.173). Aus ähnlichen und ethischen Gründen segnete in den Jahren 1912/1914 ein Defizienten-Priester (Kirchstgr.) die sogenannten „Salzburger Ehen“ ein. Sie wurden jedoch weder seitens der Kirche noch seitens des Staates als giltig anerkannt („Neue Freie Presse“ v.J.1914 und 1915). (Anm.: Ein Defizient ist ein dienstunfähiger, weil durch Alter oder Krankheit geschwächter katholischer Geistlicher.)
(8, von Seite 17) Im September 1920 wurde in dem ehemals so freisinnigen Ungarn der numerus clausus für die jüdischen Universitätshörer eingeführt, trotz der §§ 56, 57, 58 des von der ungarischen Regierung unterzeichneten Friedensvertrages von Trianon.
(9, von Seite 18) Die Beczwa trat sehr oft aus, überschwemmte die Koslowitzer- und die Trawnikergasse, in welchen die aus ägyptischen Ziegeln erbauten Häuser zusammenstürzten. Talsperren kannte man damals noch nicht; eine solche wurde viel später errichtet und die Regulierung des Beczwa erfolgte erst in Jahre 1910. Wegen der vielen verheerenden Brände und der häufigen Wasserschäden hatten die Prerauer eine andere Ansicht über den Vers: „Heil dem Wasser, heil dem Feuer“ (Faust II.Teil).
(10, von Seite 20) Der Unterschied zwischen dem Seniorchef des Ehrst.Hauses und seinem Nachfolger wird durch folgendes „Wortspiel“ am besten charakterisiert: Der Vater Ehrst. hatte für die Armen stets eine offene Hand und lieh den Hausierern Geld ohne Zinsen. Von seinem Nachfolger wollte ein Hausierer in gewohnter Weise Geld ausleihen, was ihm jedoch abgeschlagen wurde. In diesem Momente wurde in dem der Ehrst. Fabrik gegenübergelegenen Kloster der Barmherzigen Brüder die Mittagsglocke geläutet und da sagte der betrübte Darlehenswerber: „Drüben ‚läut’ (läutet) man, aber bei Ihnen ‚leiht’ man nicht!“
(11, von Seite 20) Das Porto dieses Briefes betrug 6 Kreuzer Konv.Münze und wurde vom Adressaten bezahlt. In damaliger Zeit existierten in Österreich Briefmarken noch nicht, sie wurden daselbst erst im Jahre 1849 oder 1850 eingeführt. Dagegen war Österreich der erste aller Staaten, in welchem man seit 1. Oktober 1869 Korrespondenzkarten benützen konnte; diese waren eine Erfindung des Prof.Herrmann.
(12, von Seite 23) Folgenden Witz, den mir Herr Dr. Diamant, Rabbiner in Marienbad, erzählte, will ich der Öffentlichkeit nicht vorenthalten: Ein ehemals wohlhabender und später verarmter Mann erborgte von einem Geldverleiher einen größeren Betrag und gab ihm als Pfand sieben silberne Becher, antike Erbstücke, welche einen bedeutend höheren Wert hatten als das Darlehen. Als er nach einiger Zeit das Pfand auslösen wollte, stellte der Geldgeber in Abrede, ihm Geld geborgt und ein Pfand genommen zu haben. Da der Schuldner mit einer Klage vor dem Dajan drohte, so spielte der Geldverleiher das Präveniere und gab dem Dajan 30 Gulden, um ihn sich gewogen zu machen. Nach Anhörung der Prozeßgegner entschied der Dajan in folgender Weise: Dem Schuldner sagte er: Du sollst dir eine Kria schneiden (Trauerzeichen als Verlierer des Prozesses), dem Gläubiger: Du sollst Schiwoh (7 Tage) sitzen (als Verleugner der sieben Becher) und ich als Dajan werde Schlauschim (30 Trauertage) halten (stille Anspielung auf die erhaltenen dreißig Gulden), weil die Entscheidung vielleicht nicht vollkommen gerecht sein dürfte.
(13, von Seite 24) Ich las vor kurzem in Dr.Blochs Wochenschrift, daß ihr Vater, der Randar Markus Sommer, im Jahre 1805 zu den Sammlungen für die gegen Napoleon kämpfenden österreichischen Soldaten einen größeren Geldbetrag gespendet hatte; auch ihr Gatte, Herr Moises Bruck, welcher zu dieser Zeit bei den Schwiegereltern zu Besuch gewesen sein dürfte, hat Ringe und silberne Löffel für die gegen die Piemontesen kämpfenden österreichischen Soldaten gespendet.
Im Blute der Familie Sommer lag vielleicht ein atavistischer Auswanderungstrieb. Ein Neffe des Urgroßvaters Sommer wanderte im Jahre 1848 nach Amerika aus und ebenso sein Enkel Max Bruck (geb.1819). Beide brachten es daselbst, ohne etwas von einander zu wissen, vom simplen Handwerker zum Großindustriellen; Onkel Max Bruck, der Bruder meiner gottseligen Mutter, ein sehr gebildeter, sprachenkundiger Mann, wurde sogar Mayor in Niagarafalls (Nordamerika).
(14, von Seite 24) Markgraf Carl führte die Juden im Jahre 1353 in Iglau ein; sie bewohnten daselbst die hintere und die vordere Judengasse und hatten eine Synagoge und einen Friedhof. Im Jahre 1426 wurden sie jedoch unter Markgraf Albrecht (1411-1439) vertrieben, angeblich wegen Einverständnis mit den Hussiten (d’Elvert: „Geschichte der Stadt Iglau“) und besaßen später nicht einmal eine letzte Ruhestätte an ihrem früheren Wohnsitze.
(15, von Seite 25) Einer von ihnen (ein geborener Prerauer) ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Als einziger Sohn armer, sehr frommer Eltern, ursprünglich zum Rabbiner bestimmt, wurde er — da eine Rabbinatsstelle in der erhofften kurzen Zeit nicht zu erlangen war — Gymnasiallehrer in Ungarn und bald nach seiner Verheiratung, mit einer nahen Verwandten eines Bischofs, Professor für Geographie und Geschichte an der Wiener Universität und erteilte anfangs der 70er Jahre weiland dem Kronprinzen Rudolf Unterricht aus beiden Fächern. Wegen dieser erfolgreichen Tätigkeit wurde er in den Ritterstand erhoben und durch hohe Orden ausgezeichnet. Les extrêmes se touchent.
(16, von Seite 31) Nicht nur die kleine Judengemeinde Prerau, sondern auch größere Gemeinden standen bezüglich der Rekruten mit der Militärbehörde im Verrechnungswege. So liest man im Jahrbuch I der Stadt Olmütz S. 543, daß diese auf das Rekrutenkontingent pro 1883 mit einem Mann im Rückstand blieb, während sie 1884 bereits ein Plus von drei Mann hatte.
(17, von Seite 31) Anläßlich dieses Aufstandes reiste ein hoher militärischer Würdenträger mit Wagen durch Prerau; beim ersten Haus der Judengasse bildeten die erwachsenen Juden Spalier und der hohe Herr wurde vom Vorstande mit einer Ansprache bewillkommt; der Rabbiner hielt, in Ornat und Tallis, die Thora in der Hand und sprach über ihn den Segen.
Auch der Landesrabbiner Nehemias Trebitsch (gest.6.Juni 1842) wurde anfangs der 1840er Jahre bei seiner Ankunft in Prerau vor dem Hause Graus-Platschek in beiläufig ähnlicher Weise empfangen. Er übernachtete in dem jüdischen Gasthause des Herrn Schime Langer, da bei den beschränkten Wohnräumen der Gemeindespitzen niemand ein Gastzimmer gehabt haben dürfte.
(18, von Seite 33) Die betreffende Tochter starb vor kurzem im Alter von 93 Jahren als Witwe des hervorragenden ungarischen Oberrabbiners Dr. Josef Weisse in Wagneustadtl; der Sohn des Retters, Schulrat Moriz Tschiassny, ein in Wien sehr angesehener Pädagoge, starb im vorigen Jahre (1921).
(19, von Seite 40) Diese Ansicht konnte ich selbst in vorgerückten Jahren nicht loswerden. Sie war wohl nicht immer am Platze z.B. im „Kaufmann von Venedig“ von Shakespeare; dieser hat die unsaubere Rolle dem Juden Shylok aufgehalst, obgleich der christliche Gläubiger Paula Maria Secchi es war, welcher darauf bestand, daß ihm sein jüdischer Schuldner Simon Ceneda für das ihm geliehene Pfund Gold ein Pfund seines Herzblutes hergebe (Dr.Schmiedel: „Sansinnim zu achre Moth“ und „Österr. Wochenschrift“ vom 13.Dezember 1913).
Aber gerade dieser und manche andere hervorragende Dichter liefern den Beweis, daß es keine Regel ohne Ausnahme gibt.
Übrigens dürften sich bei manchen antisemitischen Schriftstellern minorum gentium nebst den angedeuteten Motiven vielleicht auch atavistische Instinkte geltend machen.
(20, von Seite 47) Der Minister Charles Hochhaus sagte am 27. Juli 1913 anläßlich eines Bankettes in London: „Die Bibel ist das größte literarische Geschenk, welcher das jüdische Volk der Welt gegeben hat.“
Über den hohen Wert der Bibel äußert sich Wilhelm Bölsche in seinem epochalen Werke „Die Schöpfungstage“ wie folgt: „Die Bibel besteht aus einer Reihe von Dichtungen, die an die tiefsten Probleme menschlichen Denkens rühren. In jeder Dichtung wohnt ewige Jugend und die Wahrheiten der Bibel sind die Wahrheiten einer Dichtung.“
„Die Thora, das ist die Lehre Moses, bildet eine der größten Geistestaten der Geschichte.“ (Botaniker Reinke)
„Die Bibel: Welch’ ein Buch? Groß und weit wie die Welt, wurzelnd in den Abgründen der Schöpfung und hinaufragend in die blauen Geheimnisse des Himmels, Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, Verheißung und Erfüllung, Geburt und Tod, das ganze Drama der Menschheit, alles ist in diesem Buche. Es ist das Buch Gottes.“ (Heinrich Heine)
„Die Juden haben das unvergleichliche Privilegium, daß ihr Buch — die Bibel — das Buch der ganzen Welt geworden ist. Deshalb gehört auch die Bibel als ein gemeinsames Gut der gesamten menschlichen Familie an.“ (Ernst Renan)
„Die Bibel ist das klassische Werk der Weltliteratur; sie ist eine Quelle der religiösen Erbauung, ein Born der Verjüngung und Veredlung des religiösen und sittlichen Empfindens für die Menschheit. Sie birgt unermeßliche Kulturschätze für die ganze Welt.“ (Religionslehrer Dr.S.Gandz)
„Die Bibel ist unter allen Büchern der Erde das bekannteste.“ (Georg Büchmann)
„Die Bibel ist das einzige Buch, das in jede Sprache und in jeden Dialekt übersetzt worden ist.“ (Schriftsteller Emil Sandt)
„Die Bibel ist ein Volksbuch, welches niemals übertroffen werden kann.“ (Landesrabbiner Doktor in Cassel)
(21, von Seite 51) Talmud heißt Studium und Belehrung und ist ein nachbiblisches umfangreiches Sammelwerk der Juden in zwei Hauptteilen: a) Mischna (Text), b) Gemarah (Erläuterung) und enthält die Gedankenarbeit von circa 500 Jahren vor und circa 500 Jahren nach der gegenwärtigen Zeitrechnung über die während dieses Jahrtausends bekannten religiösen und profanen Wissensfächer des Judentums, z.B. Erklärungen, Anordnungen und Abhandlungen über soziale Rechte, Kultus, Verwaltung, Sittenlehre, Philosophie, Astronomie, Medizin, Naturwissenschaften, Geographie, Geschichte, mit wenigen Worten, es ist ein Riesenwerk, das größte Literaturdenkmal, das ein Volk aufzuweisen hat (s.Dr.Hamburger: Real-Encyklop. II).
(22, von Seite 59) Das Vorurteil gegen die Zahl 13 war seinerzeit im babylonischen Exil verbreitet, weil das Exiljahr ein Mondjahr von je 29 bezw. 30 Monatstagen gewesen ist. Um den Ausgleich mit dem Sonnenjahr zu erreichen, wurde zeitweilig ein dreizehnter Monat eingeschaltet und dieser hatte als Schaltmonat das Tierkreiszeichen des Raben, weshalb dieser Monat, da der Rabe als Unglücksvogel galt, auch als Unglücksmonat betrachtet wurde.
Die Juden der Jetztzeit sollten kein Vorurteil gegen die Zahl 13 haben, weil diese die dreizehn Glaubensartikel nach Maimonides (Schlauschessre midaus) enthält.
Dagegen haben die Christen eine Scheu vor der Zahl 13, weil bei dem letzten Mahl des Heilands unter den Dreizehn ein Verräter und ein Todgezeichneter waren (s. „Jüdische Volksstimme“ vom 20.August 1913).
(23, von Seite 60) In einem Nekrolog der „Neuen Freien Presse“ über Schmerling las ich, daß derselbe sehr oft seine Stiefel selbst putzte, wenn ihm sein Kammerdiener ein unbequemes Paar vorbereitet hatte oder nicht jenes Paar, welches er gerade tragen wollte.
(24, von Seite 63) Mit dem Worte „Tautofaus“ hat es eine eigentümliche Bewandtnis u.zw.: Der Chaldäer Onkelos übersetzt das Wort Tautofaus mit Tefillin.
Raschi (geb.1040 in Troyes, gest. 17.Juli 1105 der gegenwärtigen Zeitrechnung in Worms) sagt: Tefillin nennt man Tautofaus, weil sie (die Tefillin) in zwei Gehäusen (später Botim genannt), wovon eines an den Tefillin schel rausch (d.i.des Kopfes) und das andere an den Tefillin schel jad (d.i.des linken Armes) angebracht ist, je vier Abschnitte aus dem zweiten Buch Moses enthielten.
Weiters sagt Raschi, Tautofaus sei ein Doppelwort fremdsprachlichen Ursprungs, wovon das Tauto in koptischer Sprache „zwei“ bedeute und das faus in ägyptischer ebenfalls „zwei“, also zusammen vier.
In Biur (d.i. ein Kollektivausdruck für die diversen Kommentatoren der Bibel) meint Moses Mendelssohn, das Tautofaus bedeute eine Art Binde (Tachschit) über die Stirne von einer Schläfe zur andern reichend, welche sogar die Frauen als Kopfschmuck trugen. Bei reichen Leuten war das Tautofaus ein Prunkstück aus Gold oder Silber und bei den Minderbemittelten aus unedlem Metall geschmiedet.
Die Übersetzung des Verses 16 im II.Buch Moses, K.13 (von Raschi und Biur), verdanke ich dem Herrn Rabbiner Dr. Oppenheim in Olmütz.
(25, von Seite 64) Die Inder und Mohammedaner trugen ja öfters einen kostbaren Edelstein bezw. einen kleinen Halbmond als Agraffe im Turban.
Ein lateinisches Sprichwort lautet: Sic duo faciunt idem, non est idem… Die äußeren Schmuckabzeichen (Tautofaus), welche Moses seinerzeit aus religiösen Gründen angeordnet hatte, haben Mohammed (den Stifter des Islam) vom Standpunkt der Religionsverschiedenheit veranlaßt, den Christen und Juden Beschränkungen aufzuerlegen; unter anderem, daß sie bloß auf Eseln und nicht auf Pferden reiten dürfen. Der VI. Chalif Omar (634-644 der gegenwärtigen Zeitrechnung) verordnete sogar, daß die Juden eine gelbe und die Christen eine schwarze Naht an ihren Oberkleidern anbringen, und andere Gürtel und Kopfbinden anstatt des Turbans tragen müssen. (Dr. J.E.Scherer: „Die Rechtsverhältnisse der Juden in den deutsch-österr. Ländern“, pag. 29 und Nachtrag XVIII.)
In Nachahmung dieser Unterschiede haben nach Jahrhunderten intolerante Geistliche, z.B.Papst Innozenz III. (1198-1216) und weltliche Behörden die Juden verpflichtet, um sie verächtlich zu machen, einen gelben Fleck am linken Rockärmel und einen gelben Hut oder, wie in Italien, einen schwarzen Hut mit einem gelbgestreiften hornartig gebogenen Zipfel (ähnlich der phrygischen Mütze) zu tragen. (ibidem, pag.35.)
Erst im 19.Jahrhundert wurde diese harlekinartige Kleiderordnung — unter deren Zwang die Menschenwürde der Juden sehr leiden mußte — aufgehoben. In vielen Ländern entstanden im Mittelalter wohl auch Kleiderordnungen für die Zünfte und Innungen, für den Bürger- und Bauernstand, aber nur um diese von den Adeligen kenntlich zu machen und um dem Kleiderluxus zu steuern. Man verwendete damals zu einem Kleidungsstück oft 60 bis 100 Ellen („Neue Freie Presse“, 11.Mai 1918).
Mit der fortschreitenden Zivilisation und der Gleichheit vor dem Gesetze zerfiel diese Kleiderordnung von selbst in ihr Nichts.
Jedermann sollte sich durch geistige Vorzüge und nicht durch Äußerlichkeiten von der Mehrheit abheben; denn nur die geistige Tüchtigkeit und die Herzensgüte adeln den Menschen.
(26, von Seite 69) „Sich neuen Verhältnissen anpassen und geänderten Bedürfnissen Rechnung tragen, bedeutet den Entschluß, sich auch in der Zukunft zu behaupten.“ (Abdruck einer Rede des Hofrates Prof.Dr.Bachmann am 31.Dezember 1911 im „Prager Tagblatt“.)
„Zudem ist es ja eine alte Erfahrung, daß jedes Gesetz, welches der fortschreitenden kulturellen Entwicklung sich nicht anzupassen vermag, vom Strome des tatsächlichen Bedürfnisses allmählich überflutet und endlich hinweggeschwemmt wird.“
„Die alte Weltanschauung mit ihren mystischen und antropistischen Dogmen versinkt in Trümmer; aber über diesem gewaltigen Trümmerfelde steigt höher und herrlich die Sonne der neuen Zeit auf.“
„Wissen und Bildung müssen Hand in Hand mit der Religion und dem Glauben gehen; die Form in der Ausübung der Religion muß den Fortschritten der Zeit vernünftig angepaßt werden.“ (Brod, Vorstandsmitglied der Alliance isr. in Wien)
„Man darf nicht unbeweglich in Starrheit verharren, sondern man muß sich neuen Notwendigkeiten anpassen und den Bedürfnissen der modernen Zeit Rechnung tragen.“ (Ribotus 1910)
„In der Starrheit liegt nicht die Klugheit; in dem starren Festhalten an uralten Satzungen um jeden Preis liegt fast eine größere Gefahr als in dem Abweichen von denselben.“ (Dr.Hein in München)
„Auch die Religion muß sich dem Zeitempfinden anpassen, sonst ist sie nichts Lebendiges.“ (Ompteda)
„Dinge, welche der Vernunft widersprechen, brauchen nicht angenommen zu werden“, lehrt Samuel ben Chofai hakohen, Gaon der Hochschule von Sura (960 — 1034 n.Chr.).
„Es gibt nichts Kindischeres als den Glauben, daß manches uralte Religionsgesetz ewig bindend sein soll.“ (Georg von Gabelenz)
„Dem Judentum droht die höchste Gefahr, wenn es als mit der Strenge des überlieferten Gesetzes verbunden betrachtet wird! Vieles, was in einer früheren Zeit als Religionsbrauch vernünftig und dem Gemütszustande und der Denkweise angemessen war, ist in einer späteren Zeit, weil Gedanken und Gefühle sich geändert haben, Unsinn und Unverstand. Und deshalb ist es dem Judentum, mehr als irgendeiner anderen Religion gegeben, die Harmonie der Religion mit der allgemeinen Kultur herzustellen.“ (Die Erneuerung des Judentums von Prof.Dr.M.Lazarus in Berlin, 1909.)
„Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ (II.Korintherbrief, K.3, V.6.)
(27, von Seite 71) Am Ende der Vierzigerjahre des neunzehnten Jahrhunderts wurde der Satz „Bieschiwoh bis habirjeonim“ als gänzlich überflüssig weggelassen, da schon König Salomon bei der Einweihung des von ihm erbauten Tempels zu Gott flehte, daß auch das Gebet des Nicht-Israeliten erhört werde, wenn er es im jüdischen Gotteshause verrichte (I.Könige, K.8, V.41-43).
Ebenso sagt der Prophet Jesaias im K.55: „Ki behssi behs tfilo jikore l’chol hoamim“, d.i. dieses Haus steht für alle Beter, welcher Konfession immer, offen.
Es konnte somit jeder in das Gotteshaus eintreten, soweit es die räumlichen Verhältnisse und die bestehende Gebetsordnung gestatteten.
Ich las vor kurzem, daß in einer Stadt Amerikas an einem Feiertage in einer Synagoge früh der jüdische, mittags der katholische und nachmittags der protestantische Gottesdienst abgehalten wurde, selbstverständlich durch die Geistlichen der betreffenden Konfession.
Im Oktober 1914 hielt der Feldrabbiner Dr.Beck aus Berlin den Gottesdienst des Jaumkipur in einer evangelischen Kirche und der Feldrabbiner Dr.Wilde aus Magdeburg einen ähnlichen Gottesdienst in einer katholischen Kirche Nordfrankreichs ab. (s.Österr. Wochenschrift vom 20.Nov.1914).
(28, von Seite 74) Das Schoalet-Essen nennt Heine (geb.1797 in Düsseldorf, gest. 1856 in Paris) in „Prinzessin Sabbat“ koschere Ambrosia, Brot des Paradieses und himmlische Speise.
Viele ältere Frauen betrachteten es als „Mizwoh“, d.i. gottgefälliges Werk, das Menu am Sabbat und Feiertag sehr opulent zu gestalten und man hörte von ihnen nicht selten: „Meine guten Schabbossim und Jomimtauwim sollen mir beistehen!“ — „Der Glaube versetzt Berge, macht selig und bereitet tausendmal mehr Glück als Wissen.“ (s. „Deutsches Lied“, v.R.H.Bartsch)
(29, von Seite 76) Als Beweis für die ewige Wahrheit des Sprichworts: „Die schlechtesten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen“, füge ich den natürlich humoristisch gemeinten Ausruf des als Misogyn bekannten Dichters Friedrich Haug bei: „Weiberzungen, oh gestehet, schweigen könnt ihr nicht, eher glaub’ ich, daß ein Weib ohne Zunge spricht!“
(30, von Seite 83) Der Hahn heißt im Hebräischen Tarnegaul und das Gebet beim Umschlagen des Geflügels lautet: „Se hatarnegaul jelech le missoh“, d.i. der Hahn gehe dem Tode entgegen. Anknüpfend an dieses erzählt man sich folgende Anekdote: In Krakau existierte ein Bankier namens Hahn, welcher eine häßliche (mieße) Frau hatte. Seine Klienten waren vorwiegend polnische Juden, welcher besser hebräisch als deutsch verstanden. Ein solcher wollte ihn einmal einen Tag vor dem Rüsttag des Jaumkipur dringend sprechen. Seine Frage, wo der Bankier sei, beantwortete der Portier, der gerade vom Kaporesumschlagen kam: „Hatarnegaul holach le missoh“, d.i. „Herr Hahn ist momentan zu seiner (mießen) Frau gegangen.“
(31, von Seite 92) Das Wort „Seder“ heißt Ordnung und weil auf der Festschüssel sämtliche Gegenstände, welche man bei den betreffenden Stellen der Hagadah in Gebrauch nahm, der Reihenfolge nach vorbereitet waren (z.B. drei Mazzes, bittere Kräuter, geriebener weißer Kren, ein Gemenge von Apfelmus, Zimt und Wein, Chrauses genannt, — darstellend den ägyptischen Lehm, den die Israeliten zum Festungsbau stampfen mußten — Petersilie und Salzwasser) so bezeichnete man das Vorlesen aus der Hagada und das daranschließende Abendessen mit dem Kollektivwort: „Seder“.
(32, von Seite 93) a) Schon Papst Innozenz IV. verordnete durch die Bullen vom 5.Juli 1243 und vom 25.September 1253 bei Strafe des Kirchenbannes, die Juden durch den schimpflichen unsinnigen Vorwurf zu beunruhigen, daß sie bei ihrem Gottesdienste das Blut der Christgläubigen gebrauchen.
b) König Przemysl Ottakar, Markgraf von Mähren, bestätigte im Jahre 1254 die Bulle vom 25.September 1253 mit dem Bemerken, daß man überhaupt den Juden keine unverdienten Vorwürfe mache, als ob sie sich das Blut der Christen zum Genusse bereiten (Scari, § 89).
c) Der römische Kaiser Friedrich II. nahm im Juli 1236 die Juden in Schutz gegen das infame Blutmärchen.
d) Rudolf von Habsburg (geb.1218, gest.1291) bestätigte im Jahre 1274 die Bullen von Papst Innozenz IV. und von Gregor X.
e) Ludwig der Bayer, römisch-deutscher Kaiser, gab ein Beispiel, wie man die Bullen der Päpste bezüglich der Blutbeschuldigungen der Juden zu beachten habe.
f) Ebenso Kaiser Friedrich (gest.1493) und
g) Karl V. durch eine Urkunde de dato Speyer, 3. April 1544.
h) Philipp IV. von Frankreich nahm durch eine Ordonnanz im Jahre 1288 und Ludwig XIV. durch eine Verordnung die Juden gegen die Blutbeschuldigungen in Schutz.
i) Dasselbe taten Boleslaus V., König von Polen, im Jahre 1254, Kasimier II. im Jahre 1334, Kasimier IV. im Jahre 1453 und Stanislaus August im Jahre 1769.
j) Vom Kaiser Rudolf II. (geb.1552, gest.1612) erging ein Erlaß, daß kein Jude in Zukunft eines Ritualmordes bezüchtigt werden dürfe, da er (der Kaiser) sich überzeugt habe, daß dieses Märchen unwahr sei, daß die Juden kein Blut zu religiösen Zeremonien benötigen und der Gebrauch des Blutes ein schwerer Verstoß gegen die jüdische Religion sei.
k) Alexander I., Kaiser von Rußland, erließ am 6.März 1817 einen Ukas, durch welchen die Erneuerung der Blutanklagen auf das Nachdrücklichste verboten wird.
l) Soliman II., türkischer Kaiser, ließ im Jahre 1530 die Verleumder, durch deren falsche Blutanklagen unschuldige Juden zum Tode verurteilt worden waren, hinrichten.
m) Anläßlich des am 5.Feber 1840 in Damaskus (Syrien) stattgefundenen Verschwindens eines Guardians des Kapuzinerklosters und eines Dieners wurde durch den Einfluß des franz.Konsuls Menton wegen des politischen Zwistes zwischen Frankreich und den Großmächten die Blutanklage gegen die Juden erhoben, obwohl es bekannt war, daß dem Guardian wegen Lästerung des Propheten Mohammeds von einem türkischen Maultiertreiber Rache geschworen wurde mit den Worten: „Der Christenhund soll von keiner anderen Hand als von der meinen sterben!“ (Univ.Prof.Dr.Grätz: „Volkstümliche Geschichte der Juden“ und Professor Dr.Martin Philippson, Berlin: „Neueste Geschichte des jüdischen Volkes“.)
Da die Schuldlosigkeit der Juden erwiesen wurde, besonders durch die Intervention von Montefiore (geb.1784, gest.1885) und Cremieux (geb.1796, gest.1880), so erneuerte der Sultan Abdul Medjid das Blutanklageverbot von Soliman II. durch den Ferman vom 7.November 1840.
n) Alois Sonnenfels, Professor der Staatswissenschaften in Wien und Rat der Kaiserin Maria Theresia, bestätigte in seiner Schrift de dato Wien 1753 vor Gott und seinem Gewissen, daß die Blutbeschuldigungen gegen die Juden eine der größten Unwahrheiten seien, welche die Welt gesehen.
(Von Nr. a) — n) excl. j): Kathol. Pfarrer Dr. Frank: „Der Ritualmord“ , S.125, 126, 137- 144 und 173.)
o) Der berühmte kathol. Kanzelredner Canonicus Phil.- und Jur.-Dr. Veith (geb.10.Juli 1789, gest. 6.Nov.1869) erklärte im Jahre 1840 in der Stephanskirche mit dem Kruzifix in der Hand, daß die Blutbeschuldigung ein gräßlicher, unberechtigter Vorwurf sei.
p) Die Rabbiner Salomon Herschel und David Meloda in London wiederholten den feierlichen Eid des Manasse Ben Israel und des Moses Mendelssohn, „daß die Blutanklage gegen die Juden auch nicht den Schatten eines Beweises im talmudischen Schrifttum habe und ebensowenig je durch irgend eine Handlung den Schein einer Tatsache erhalten habe.“
q) Die am 3.Juli 1840 auf Veranlassung des Lord Major Marshall zusammengetretene Versammlung erklärte, „daß die Juden in Damaskus in ihren Handlungen ebenso achtenswert sind wie die unter uns in England wohnenden. Und von diesen erlaube ich mir zu sagen, daß keiner unserer Mitbürger eifriger bemüht ist, Humanität zu fördern, Armen und Unterdrückten zu helfen, Waisen zu beschützen, Literatur und Wissenschaft zu begünstigen als sie und daß sie ihre Wohltaten nicht bloß auf diejenigen beschränken, welche ihres Glaubens sind, sondern daß auch Christen sowie die Bekenner jedes Glaubens sich derselben erfreuen.“
O’Connell, der Agitator für die Gleichstellung der Katholiken, fügte hinzu: „Nach den dargelegten Zeugnissen, welche den moralischen Wert der Juden zu erkennen geben, könnte wohl ein Mensch so entartet sein zu glauben, daß sie des Blutes bedürftig sind zu ihren Gebräuchen?!“
(Dr. Grätz, III.Bd., S. 610, 618 für p) und q))
r) Im I.Buch Moses, K.9, V.4; im III.Moses,K.3.V.17; K.7,V.26/27; K.17,V.10 und 14; K.19, V.26 und im V.Mos., K.12,V16 und 23/27; K.15,V23 ist den Juden nicht nur der Genuß des Blutes, sondern auch jenes Fleisches von Warmblütern (Vögeln und Vierfüßlern), in welchem Blut zurückgeblieben war, verboten, mit den Worten: Wer Blut ißt, wird ausgestoßen werden.
Und bis zum heutigen Tage müssen die Juden jedes Fleisch vor dem Kochen eine Stunde in Wasser und Salz liegen lassen, damit das etwa noch vorhandene Blut ausrinne (Univ.-Prof.Dr.Müller in Graz, 1884: „Brauchen die Juden Chistenblut?“).
s) In den Prozessen zu Tisza Eszlar, Xanten und Konitz (Deutsches Reich) hat sich die Schuldlosigkeit der wegen rituellen Mordes Angeklagten ergeben.
t) Im Prozesse Hilsner fand ein durch die Macht der Massensuggestion und durch Einflüsse außergerichtlicher Machtfaktoren herbeigeführter Justizirrtum statt, für dessen aus nationalen und politischen Gründen bisher unterbliebene Richtigstellung auch der Tag kommen wird. „Essetai th’ emar hotan“ sagte schon der ahnungsvolle Seher Homer; auch der Prophet Secharja, K.14, V.1, verkündete: „hinne jaum boh“, es kommt der Tag, an welchen jedes Unrecht gesühnt wird.
u) Der ausgezeichnete französische Schriftsteller und Akademiker Leroy Beaulieu erließ eine Kundmachung gegen die Blutlüge („Österr. Wochenschrift“, 2.Feber 1912).
v) Der berühmte Professor Ernst Renan in Paris schrieb im Jahre 1860: „Es wäre des Christentums würdig, zu verhindern, daß man die Verleumdung der Blutbeschuldigung, unter welcher es selbst ungerechtfertigterweise gelitten hat, nicht auch gegen andere ausbeute.“ (Dr.Hamburger: Real-Encyklopädie, II.T., S.1321)
w). Der Abgeordnete Richter sagte im Reichstag in Berlin am 9.Feber 1901: „Meine Herren! Wenn ich von Ritualmord und dergleichen höre, so weht es mich an, wie aus der Atmosphäre eines Narrenhauses heraus!“ (Abendblatt der „Neuen Freien Presse“ vom 11.Nov.1913.)
x) Während meiner Schulzeit bei dem Rebbe in Prerau vom Jahre 1838 bis 1846 wurde in dem großen, im Winter wegen Holzersparnis leerstehenden Zimmer desselben stets vierzehn Tage vor Pessach mit dem Backen der Mazzes begonnen. Das Ostermehl, welches man in plombierten Säcken direkt aus den christlichen Mühlen bezogen hatte, wurde durch 30 bis 40 erwachsene christliche Taglöhner entleert, zu Teig umgerührt und sodann zu Mazzes verarbeitet. Hält man es für denkbar, daß man vor denselben heimlicherweise Blut oder Blutpulver hätte in den Teig einmischen können?
Eine Reihe der hervorragendsten Vertreter des höchsten Adels (an erster Stelle Prinz Heinrich von Preußen), der Theologen aller christlichen Bekenntnisse, der Wissenschaft, Kunst, Politik und Literatur haben daher eine Erklärung veröffentlicht, in welcher es heißt:
„Wir halten es für die Pflicht eines jeden, dem der sittliche Fortschritt am Herzen liegt, gegen den törichten Aberwitz und den Unsinn der Ritualmärchens die Stimme zu erheben.“ („Jüdische Volksstimme“, Brünn, 27.März 1912 und „Österr.Wochenschrift“, Wien, 29.März 1912.)
(33, von Seite 94) Zu einer Deputation des Wiener Kultusvorstandes, bestehend aus den Herren Dr. Güdemann, Dr. Alfred Stern und David von Gutmann, welche in Angelegenheit des Prozesses Hilsner beim Justizminister Grafen Schönborn vorsprach, sagte dieser: „Ich halte allerdings bei den westlichen Juden Menschenopfer für unglaublich, aber Sie, meine Herren, wissen ja selbst nicht, was bei denen des Ostens möglich ist.“ Dr.Güdemann wurde durch diese Worte des Ministers so erregt, daß er heftig protestierend auf den Tisch schlug und ausrief: „Exzellenz, ich muß besser wissen, was bei den Juden möglich ist als Sie und erkläre, daß ich, wenn auch nur die leiseste Möglichkeit einer Verquickung unseres Ritus mit einem Verbrechen bestünde, als der Erste aus dem Judentum austreten würde.“ (Sigm.Mayer: „Ein jüdischer Kaufmann“.)
Im vollständigen Gegensatze zu dieser Äußerung des Justizministers Schönborn steht die Erklärung des russischen Erzbischofs Antonius anläßlich des Prozesses Beilis: daß die Juden kein Menschenblut zu religiösen Zwecken benötigen und daß keine Sekte unter den Juden besteht, welche Blut gebraucht.
Der Priester ist in religiösen Angelegenheiten jedenfalls kompetenter als der Jurist und auch ein viel besserer Kenner des Strebens und der Psyche des jüdischen Volkes.
(34, von Seite 94) Das Vergehen oder Verbrechen eines Einzelnen wird leider der jüdischen Gesamtheit zur Last gelegt. (d’Elvert: „Zur Geschichte der Juden in Mähren und Schlesien“ und „Das Wesen und die Entstehung des Ritualaberglaubens“ von Prof.Dr.Masaryk über den Prozeß Dr.Bloch contra Pater Rohling in der „Zeit“, Wien 24.März 1900, Nr.286.)
(35, von Seite 94) Unter Konstantin dem Großen im Jahre 330 n.Chr. wurde das Christentum zur Staatsreligion erhoben und stand sofort feindlich dem Judentum gegenüber (d’Elvert, S.13).
a) Es entwickelte sich der Antisemitismus (im Jahre 1888 vom damaligen Kronprinzen Friedrich, nachheriger Kaiser des Deutschen Reiches, „eine Schande des Jahrhunderts“ genannt), welcher eine Spezialität der historischen Entwicklung Europas ist, und mit dem Sinken und Anwachsen des Klerikalismus sinkt oder steigt (Willibald Müller: „Beiträge zur Geschichte der Judenschaft in Mähren“, 1903).
b) „Der Antisemitismus ist nichts anderes als der schmachvolle Ausdruck des krassesten Egoismus und gemeinen Strebertums.“ (A.Gundakkar von Suttner)
c) „Ein Antisemit kann nur ein Dummkopf oder ein Schuft sein.“ (Äußerung des Dr.Lueger, bevor er Bürgermeister war; siehe Dr.Bloch’s Wochenschrift, 18.März 1910)
d) Der Reichstagsabgeordnete Dr. Smeral sagte in der Sitzung am 31. Dezember 1912: „Wir halten den Antisemitismus, möge er in noch so vorsichtiger Form auftreten, für eine eines modernen Staates, eines modernen Menschen, einer modernen Gesellschaft unwürdige Erscheinung. Für uns ist der Antisemitismus identisch mit Reaktion. Der Staat müsste den Antisemitismus als eine gegen die natürliche Entwicklung gerichtete Bewegung bekämpfen.“ (ibidem, 3.Jänner 1913)
e) Senator Graf Theophil Rossi, Bürgermeister von Turin, gibt seiner Überzeugung Ausdruck, daß der Antisemitismus nicht von Rassenhaß diktiert ist, sondern von Neid wegen der Intelligenz, der Seelengüte und des regsamen Fleißes der Juden (s.ibidem, 18.April 1913).
f) „Der Antisemitismus ist die Gesinnung der Canaille; er ist wie eine schauerliche Epidemie, wie die Cholera.“ (Historiker Prof.Dr. Theodor Mommsen)
g) Goethe äußerte sich zu Dr. W.Bode über die Juden: „Ich hatte in meiner frühesten Jugend Scheu vor dem Rätselhaften der Juden; aber als ich viele geistesbegabte, feinfühlige Männer dieses Stammes kennenlernte, gesellte sich Achtung zu der Bewunderung, die ich für das bibelschöpferische Volk hege und für den Dichter, der das Hohe Lied gesungen.“
h) Bebel sagte: „Der Antisemitismus ist die Religion der Dummen.“ („Neue Freie Presse“, 6.Juni 1921)
i) Der berühmte englische Chirurg Lord Josef Lister in London sagte öffentlich: „Es gibt nichts verächtlicheres als den Haß gegen die jüdische Rasse, welche die edelste auf Erden ist.“
j) „Die Geschichte der gesamten Menschheit hat nichts hervorgebracht, was sich auch nur entfernt mit dem israelitischen Prophetismus vergleichen ließe. Durch seinen Prophetismus ist Israel der Prophet der Menschheit geworden. Möchte es doch niemals übersehen und vergessen werden: Das Köstlichste und Edelste, was die Menschheit besitzt, sie verdankt es Israel.“ (Prof.Karl Heinrich Cornil)
k) „Der Antisemitismus ist keine Geistesrichtung, sondern ein Ausfluß der Geistesverwirrung.“ (H.von Gerlach)
l) Herder sagt in seinen Werken (Studium der Theologie und Ideen zur Philosophie): „Israel war und ist das ausgezeichnetste Volk der Erde; in seinem Ursprung und Fortleben bis auf die heutigen Tage, in seinem Glück und Unglück, in Fehlern und Vorzügen, in seiner Niedrigkeit und Hoheit. Es wird eine Zeit kommen, da man in Europa nicht mehr fragen wird, wer Jude oder Christ sei, denn auch der Jude wird nach europäischen Gesetzen leben und zum Besten des Staates beitragen. Nur eine barbarische Verfassung hat ihn daran hindern oder seine Fähigkeit schädlich machen können.“ („Neue Freie Presse“, Abendblatt, 23. Sept. 1920)
m) Der ungarische Abgeordnete Lingauer veröffentlichte einen Aufruf, in welchem es heißt: „Die antisemitische Verhetzung hat Bankrott gemacht. Auf dem Felde der Korruption haben die Christen die Juden überflügelt. Der Antisemitismus in Ungarn ist in dem Pfuhl des allgemeinen Ekels untergegangen.“ (Ostrauer „Morgenzeitung“ vom 21. Okt. 1921)
n) Harding, Präsident der Vereinigten Staaten Nordamerikas, hat anläßlich des Rauschhoschonoh-Festes folgenden Glückwunsch in der „Jewisch Tribune“ veröffentlichen lassen: „Wir können uns nicht oft genug der großen Dienste erinnern, welche das jüdische Volk der Welt erwiesen hat und noch erweist. Es ist ein angenehmes Gefühl zu wissen, daß wir in einer Zeit leben, in der veraltete Vorurteile beinahe verschwunden sind und daß die Nützlichkeit des jüdischen Volkes für die ganze Menschheit gerade durch diese Erkenntnis zusehends zunimmt.“ (Ostrauer „Morgenzeitung“ vom 4.Nov.1921).
(36, von Seite 97) Bis auf die heutige Zeit weiß jeder Jude genau, ob er dem Stamme der Priester (Kohanim) oder dem der Leviten angehört und kann deshalb im Mannesstamme auf eine mehrere Jahrtausende alte Ahnenreihe zurückblicken. Dieser Nachweis könnte manchem jüdischen reichen Streber die Erlangung einer Nobilitierung erleichtern, selbst wenn eine Reihenfolge von 16 Ahnen nachgewiesen werden müßte.
Die Kohanim und Leviten haben sich traditionell im Mannesstamme unvermischt erhalten. Als Beweis sieht man auf vielen Grabsteinen der Kohanim zwei flache Hände, deren Daumen sich berühren und auf den Grabsteinen der Leviten eine Gießkanne eingemeißelt (Jerabek: „Der alte Prager Friedhof“).
„Die Juden bilden die konservativste Rasse und die Zähigkeit, mit welcher sie die Reinheit ihrer Sitten durch Jahrtausende gegen alle Hemmungen und Verfolgungen bewahrt haben, ist ein Zeugnis von der Gewalt des konservativen Gedankens. Trotzdem streben die Juden sich modernes Wissen anzueignen, um Vor- oder Mitkämpfer des politischen, wissenschaftlichen, sozialen und ethischen Fortschrittes in allen Landen und Zeiten sein zu können.“ (Rede des Lord Beaconsfield; Dr.Bloch’s Wochenschrift, 30.Mai 1913)
„Israel ist das beharrlichste Volk der Erde; es ist, es war, es wird sein, um den Namen des Ewigen durch alle Zeiten zu verherrlichen.“ (Goethe: Wanderjahre)
Bismarck hat in seiner Jugend als junger Junker eine Rede gegen die Judenemanzipation gehalten; in gereiften Jahren hat er oftmals den entgegengesetzten Standpunkt eingenommen, so sagte er z.B. am 30.Jänner 1872 und im November 1880 im Abgeordnetenhause: „Ich werde niemals darauf eingehen, daß man den Juden — deren Mehrheit sich durch besondere Befähigung und Intelligenz auszeichnet — die ihnen verfassungsmäßig zustehenden Rechte in irgendeiner Weise verkümmere. Ich halte die Beimischung des jüdischen Elementes für nützlich.“ („Neue Freie Presse“ Nr. 20142, vom 23.Sept.1920)
„Die Juden sind der Adel der Menschheit.“ (Henrik Ibsen)
(37, von Seite 102) Salomon Quetsch s.A. war einer der hervorragendsten Schüler des Landesrabbiners Mordechai B’net (gest.1829; abgekürzt von Banat) und wurde im Jahre 1855 nach Resignation des Landesrabbiners Nehem Hirsch zum Lokalrabbiner in Nikolsburg ernannt. Leider starb er daselbst bereits im Feber 1856.
(38, von Seite 102) Einer von ihnen, Salomon Klein (scherzweise schlaumo hakotaun jihje hagodaul genannt, d.i. Salomon der Kleine wird groß werden) war der tüchtigste von uns dreien und hatte kein anderes Ziel vor Augen, als in der kürzesten Zeit Rabbiner zu werden. Wie ich später erfuhr, ging er nach beendetem Studium in Leipnik behufs weiterer Ausbildung (von einigen Prerauer Mäzenen unterstützt, von welchen er in einem seiner Werke meinen Vater besonders hervorhebt) an eine Jeschiba nach Ungarn.
Er wurde in wenigen Jahren auf Empfehlung seines Schwiegervaters, des Rabbiners Joel Ungar in Paks, Rabbiner in Zenta (in der Bacska) und daselbst Gründer einer Rabbinerdynastie. Sein einziger Sohn, Dr. Josef Klein, ist Rabbiner in Gödöllö und seine drei Schwiegersöhne bekleiden ebenfalls Rabbinerstellen in Ungarn.
Von seinen zwei in Druck erschienenen Werken ist besonders das talmudische „L’kuto Schlaumoh“ hervorzuheben.
(39, von Seite 105) Weniger gut ging es einem armen jungen Bochur aus H. An den wochentägigen Kosttagen (Sonntag bis einschließlich Donnerstag) bekam er regelmäßig Linsen, Erbsen und Bohnen als Zuspeise beim Mittagstisch, damit er sich ordentlich sattesse, wie es die gute Absicht der Hausfrauen war. Er konnte diese obstruierenden Leguminosen nicht vertragen und schrieb nach Hause, er leide entsetzlich unter anhaltenden Obstipationen. Seine besorgte Mutter kam sofort nach Leipnik und zufolge ihrer Bitte trat eine gemischte Verköstigung ein und somit der jetzt als Panaché so propagierte „Stoffwechsel“.
Dieser Bochur, an dessen Namen ich mich nicht mehr besinnen kann, war und blieb ein echter Schlemihl (s.Chamisso). Trotz allen Fleißes hat er sich nicht die notwendigen Kenntnisse aneignen können, um die Hatara zu erlangen. Er wurde ein bemoostes Haupt, das von Jeschiba zu Jeschiba pilgerte. Während einer solchen zwölfmonatigen Wanderperiode soll angeblich — wie ich nach vielen Jahren erfuhr — bei seiner Ehegattin ein Ereignis eingetreten sein, gegen welches der Schlemihl gemäß einer Entscheidung des Rabba aus Tuspaah, sich nicht hätte auflehnen können (s. Traktat Jebonat 80b, 2.Teil, S.226, Traktat Nidak 27a).
(40, von Seite 105) Als Graf Wallis von Kaiser Franz zum Finanzminister ernannt wurde, erklärte er ihm, daß er vom Finanzwesen gar nichts verstehe („Prager Tagblatt“ vom 17.Juli 1919). Ein erfahrener Finanzfachmann hätte unstreitig die zerrütteten Finanzen in anderer Weise — ohne Bankerott — saniert; denn ein Bankerott wirft immer ein Odium auf den Schuldner und untergräbt für lange Zeit seinen Kredit. Ein Staat darf am allerwenigsten bankerottieren; er kann sich durch erhöhte Steuerumlagen und durch progressive Vermögensabgaben helfen. Er soll auch selbst bei einer event. Änderung der Regierungsform die bestehenden Staatsschulden voll anerkennen, sonst hat das Publikum kein Vertrauen, wenn er neue Anleihen aufnehmen will.
(41, von Seite 105) Ein beiläufig ähnlichen Trick erzählt Ludwig Ganghofer im „Lebenslauf eines Optimisten“. Ganghofer studierte die 5. Lateinklasse in Augsburg und kaufte daselbst allabendlich in einem Wurstladen 2 Paar Würstchen à 10 Kreuzer. Die Verkäuferin gab ihm auf das niedergelegte Guldenstück (ein Gulden süddeutscher Währung gleich 60 Kreuzer) statt 40 Kreuzer den vollen Betrag von 60 Kreuzern zurück. In der Meinung, sie habe sich geirrt, kaufte er am nächsten Abend drei Paar Würstchen, legte ein Guldenstück auf den Zahltisch und erhielt abermals statt 30 Kreuzern volle 60 Kreuzer zurück.
Dieser Fall erneuerte sich täglich durch volle zwei Monate und hätte wahrscheinlich auch noch längere Zeit angehalten — denn die Verkäuferin war in seine blauen Augen verliebt — wenn sie nicht mittlerweile geheiratet hätte.
Ganghofer entschuldigt sein Benehmen, welches er selbst als unkorrekt und nicht gentlemanlike bezeichnet, damit, daß er bei seinem geringen Taschengelde von 5 Gulden monatlich niemals den Ehrgeiz hatte, ein Gentleman zu sein.
Seume würde mit vollem Recht sagen, wir Wilden, d.i. wir armen Bachurim mit einem Taschengelde vom kaum 5 Gulden jährlich, seien doch „bessere Menschen“.
(42, von Seite 106) In dem Gedichte: Maalaus hachochomo, d.i. Vorzug der Klugheit (Kochba Jizchak 1846, III.Teil), welches Markus Boss einem gewissen Goldenbaum aus Tarnopol widmet, gedenkt er in Dankbarkeit seines ehemaligen Prerauer Rebbe Chajim Brach s.A., des Urgroßvaters des in Olmütz wohnenden Großindustriellen Br., welcher durch vierzig Jahre als Rebbe tätig war.
Eine Episode aus dem Leben dieses Mannes ist mir in Erinnerung geblieben. Derselbe — ein leidenschaftlicher Tabakraucher — war untröstlich, daß er während einer lebensgefährlichen Erkrankung die liebgewordene, unzertrennliche Pfeife am Samstag entbehren mußte. Trotzdem ihm der Arzt das Rauchen gestattete, weil in Krankheitsfällen und bei Gefahren die rituellen Gesetze nicht eingehalten werden müssen (gemäß dem biblischen Gebote: „Uschmartem es naischaussechem“), sträubte er sich dagegen und da behalf man sich, indem sein Sohn Lippmann am Freitag nachmittag den Rauch von mehreren Paketen Tabak in eine große Rindsblase hineinblies, welchen sein Vater am Samstag schluckweise einatmete.
Im obenerwähnten Kochba Jizchak I.Teil, S.92 sind auch zwei Gedichte des späteres Prerauer Kultusvorsteher Salomon Wolf (eines Bruders des früher genannten Mitschülers W.) abgedruckt, welche er dem Josef Weiße, späteren Rabbiner in Gaya, bezw. Ober-Rabbiners in Wagneustadtl gewidmet hatte.
(43, von Seite 106) Der Eruw, eigentlich Mischung, weil aus Gemeindemitteln aufgebracht (offiziell „Sabbatschnur“ genannt) und als nicht wesentlicher Religionsgebrauch bezeichnet (Scari § 57) bestand darin, daß z.B. von einem rechts befindlichen Eckhause zu dem gegenüberstehenden ein Draht über die Straße an zwei hohen Säulen befestigt wurde.
Es gab drei Gattungen von Eruw: 1. einen Eruw-Chazoraus, 2. einen Eruw-Tschumim und 3. einen Eruw-Tafschihm (Dr.Kaempf: „Sichat Jizchak“, Prag 1878, S.338).
1 (von Seite 1)Bei der Bezeichnung der jüdischen Häuser mußten diese, wo es bisher üblich war, auch künftighin mit römischen Ziffern bezeichnet werden.
1 (von Seite 4) Die Enkel sagten damals nicht Großvater bzw. Großmutter, sondern Dede bzw. Babe, ähnlich dem Tschechischen Ded bzw. baba.
2 (von Seite 4) Jüdische Brennereibesitzer — Randaren genannt — mit Propinationsberechtigung hielt man für Krösusse, welche selbstverständlich die Haute volée in der Judengemeinde repräsentierten.
3 (von Seite 4) Es war früher und ist auch in der Jetztzeit noch in vielen Gegenden üblich, in den Wallfahrtskirchen (z.B.Czenstochau, Lourdes, Maria Zell etc.) Wachsgebilde, z.B. ein Herz, eine Hand, einen Fuß etc. darstellend für erkrankte oder genesene Körperteile als ex voto aufzuhängen (Heine: „Die Wallfahrt nach Kevlaar“).
1 (von Seite 5) Das in Prerau gegenwärtig vorhandene Chewrabuch dürfte über hundert Jahre alt sein und könnte eine Fundgrube für einen Kulturhistoriker bilden. Es würde sich empfehlen, daß es die Chewra Kadischa dem jüdischen Museum in Prag zur Aufbewahrung überlasse.
1 (von Seite 9) Die Worte „Kria schneiden“ wurden später angewendet, wenn man jemandem fluchen oder eine Verwünschung nachrufen wollte. Man pflegte zu sagen: „Du sollst dir eine Kria schneiden.“
1 (von Seite 12) Eine Brautkrone, aus Gold- und Silberdrähten bestehend und reichlich mit buntfärbigen Seidenbändern und Kunstblumen verziert, trägt bei ländlichen, christlichen Hochzeiten noch jetzt die Braut auf ihrem Kopfe und zwar während der Trauung und bis zur Beendigung des Hochzeitsmahles.
2 (von Seite 12) Laut Erläuterung des Rabbiners Aruch Radix wurden die Wachskerzchen, welche die Hochzeitsgäste vom Brautvater erhielten, zur Erinnerung an die brennenden Lampen angezündet, welche man in uralter Zeit vor der Braut nachts bei ihrem Einzug in die Wohnung ihres Gatten trug (Abr.Friedländer: „Kochba Jitzchak“ 1846, 6.Heft, S.107).
1 (von Seite 15) Als solches wird ja noch in der Jetztzeit das Stückchen Strumpfband der Braut betrachtet, welches an einem Hofe des Deutschen Reiches nach dem Fackeltanze — an welchem sogar die höchsten Würdenträger, Generale, Minister (auch Bismarck) teilnehmen mußten — an die Ehrengäste verteilt wird.
In den Dörfern bemüht sich angeblich die christliche Braut während der Trauung, mit ihrem Schuh auf den Fuß des Bräutigams zu treten, weil sie dadurch die Herrschaft über ihren Gatten zu erlangen hofft.
1 (von Seite 36) Das Klopfen mit den Pultdeckeln in den Sitzungssälen des Landtages oder des Reichsrates ist somit kein Novum moderner Unart.
1 (von Seite 37) Da ich nach Ablegung der Prüfung aus den Volksschulgegenständen weiteren Unterricht in den deutschen Fächern bei oberwähntem Lehrer nahm, so war ich in der Lage, ihn im Verhinderungsfalle in der Schule zu vertreten. Ich nahm es mit der Substituierung sehr gewissenhaft, ohne Strenge, da mancher Schüler älter war als ich. Mit Vorliebe diktierte ich Homonyma (z.B. wider, wieder, Widder; das Tier, die Türe; Heimat, Heumahd; der Weise, die Waise; Leib, Laib; Lid, Lied; Seite, Saite; Zimmer, Ziemer; First, Fürst usw.), und da man es damals mit der Orthographie nicht sehr genau nahm, so wimmelte es in den Diktandoheften von rot angestrichenen Fehlern und diese sahen einem in Blüte stehenden Mohnfelde ähnlich.
1 (von Seite 46) Die Kielfeder (Gänsekiel) behauptete sich sehr lange neben der später eingeführten Stahlfeder. Erstere blieb vorwiegend die Feder der Gelehrten und Diplomaten, von denen jeder ein Original sein wollte, während letztere die Feder des Kaufmannes wurde und war gleichsam ein Fortschritt zur Gleichheit, weil die Fabrik allen Menschen die Federn gleich schneidet (W.H.Riehl: „Seines Vaters Sohn“).
1 (von Seite 48) Der Ausdruck Kolatschen kommt sogar bei Goethe vor.
1 (von Seite 50) Schlittschuhe aus Tierknochen existierten bereits vor vielen hundert Jahren in Norwegen und auf der Insel Island.
1 (von Seite 55) Ein ähnlicher Holzhammer, d.i. eine hölzerne Ratsche (Klapper oder Knarre) wird noch gegenwärtig in katholischen Dörfern von den Kindern in der Karwoche, während welcher nach der Sage die Glocken, bezw. die ehernen Zungen derselben (Klöppel) in Rom sind, verwendet, um das Glockengeläute zu ersetzen.
1 (von Seite 57) Haby ist bekanntlich der weltbekannte Berliner Hoffriseur, welcher die Mode der aufgezwirbelten in die Höhe gekämmten zwei Schnurrbartenden à la Formica einführte, mit dem Motto: „Es ist erreicht.“
1 (von Seite 62) Der katholische Pfarrer muß ja auch täglich die Messe in der Kirche lesen..
1 (von Seite 68) Die jüdische Zeitrechnung wird nach dem Lauf des Mondes bestimmt, welcher in beiläufig 30 Tagen seinen Kreislauf durchmacht. Den ersten Tag, nach welchem der sichelartige Strahl (Molet) des Mondes sichtbar wird, nennt man Neumondstag (Rauschchaudesch) und nach diesem werden die jüdischen Feiertage festgesetzt.
2 (von Seite 68) Aus beiläufig ähnlichen wirtschaftlichen Gründen wollte — nach Zeitungsberichten — ein hervorragender christlicher Abgeordneter im März 1921 in der Prager Nationalversammlung beantragen, daß mit Ausnahme der Weihnachtsfeiertage sämtliche anderen katholischen Feiertage, wenn sie auf einen Wochentag fallen, auf den Sonntag der betreffenden Woche verlegt werden sollen.
1 (von Seite 73) Ein Wechsel der Werktagskleider wäre in der Jetztzeit jenen Gemeindefunktionären zu empfehlen, welche Freitag abends oder am Rüsttag des Jomtauw vor dem Vorbeterpult (Omed) beschäftigt sind, denn es macht einen peinlichen Eindruck, wenn der kurze Talar ihre hellen oder karierten Beinkleider und die bestaubten oder gelben Schuhe nicht genügend bedeckt.
1 (von Seite 79) Die Hoffnung der Juden dürfte sich tatsächlich bald erfüllen, denn im Jahre 1920 wurde Palästina als autonomer Staat erklärt und unter den Schutz bezw. unter das Mandat von England gestellt; der ernannte englische Gouverneur, Sir Herbert Samuel, will durch seine Reformen bewirken, daß in absehbarer Zukunft in Jerusalem und Palästina Friede und Eintracht zwischen allen Bewohnern herrsche. Besonders den Juden soll es als „eine Oase der Ruhe und des Friedens und als eine Zufluchts- und Heimstätte gelten“. Die hebräische Sprache wurde gleich dem Englischen und Arabischen als Staatssprache anerkannt; auch eine Universität und eine Nationalbibliothek sollen demnächst errichtet werden.
1 (von Seite 89) Ein jüdischer Spruch lautet: „Minhag jisroel tauroh“, d.h. jeder Brauch des jüdischen Volkes basiert auf überlieferter wissenschaftlicher Grundlage und hat einen historischen Hintergrund.
1 (von Seite 91) Das mosaische Gesetz kennt nur den Fasttag des Jaumkipur (III.Moses, K.23, V.37); wegen der vielen späteren verhängnisvollen Ereignisse kamen nachher die vorher erwähnten anderen Fasttage hinzu.
2 (von Seite 91) Die Zahl 40 spielte bei den Juden des Alten Testaments eine wichtige Rolle. 40 Tage und 40 Nächte regnete es vor der Noachidischen Sintflut. Die Israeliten mußten 40 Jahre in der Wüste wandern (IV.Moses, K.32, V.13). Je 40 Tage und Nächte fastete Moses in zweimaligen Intervallen (II.Moses, K.24, V.18 und K.34, V.28). Für gewisse schwere Sünden wurde eine Strafe von 40 Geißelhieben verhängt (V.Moses, K.25, V.3). — Im Gegensatze zu Vorstehendem heißt es im Talmud Erachim p.16, daß die Zahl 40 nur eine unbestimmte Zahl bezeichnet. Die Kabbalisten des Mittelalters waren Anhänger der Zahlenmystik.
1 (von Seite 96) Ein ähnlicher Brauch besteht noch gegenwärtig in vielen Dörfern der Schweiz, wo am Aschermittwoch ein Popanz, den Fasching darstellend, und zu Beginn des Frühlings eine Puppe, als Wintersymbol, verbrannt werden.
1 (von Seite 99) Selbst in späteren Jahren habe ich es stets als Auszeichnung betrachtet, wenn mich der gottselige Vater bei meiner jeweiligen Anwesenheit in den Ferien, ja sogar selbst nach meiner Verheiratung mit dem Mesumonbenschen (d.i. mit dem gemeinsamen Nachtischgebete) beehrte.
1 (von Seite 103) Chasorbachur: Dieses Wort, verstümmelt von „Chosaur“ ist ein aramäisch-talmudischer Ausdruck und bedeutet Wiederholung des gelernten Stoffes (nach Mitteilung der Prerauer Ober-Rabbiners Herrn Prof.Dr. Tauber).
2 (von Seite 103) In Mähren hat der Landesrabbiner das Recht, die von den Kultusgemeinden gewählten Rabbiner zu prüfen und ihre Ernennung vom theologischen Standpunkte zu sanktionieren (Dr.Th.Haas).
[Up] [Preface] [Chap. 1 – 5] [Chap. 6 – 9] [Chap. 10 – 14] [Chap. 15 – 19] [Chap. 20 – 23] [Remarks] [Hebrew Terms] [Bible Verses] [Sources]