Russe, am 1.4.1935
Mein Liebes!
Nun ist wieder ein Sonntag herum, ich hoffe, es wird der letzte sein. Gestern war es aber auch zum Davonlaufen. Regen und wieder Regen. Wenn wenigstens die Kinos früher spielen würden, doch die fangen erst um dreiviertel Neun an, und das ist mir jetzt bei meinem soliden Leben zu spät.
Deinen Brief vom 25.3. erhielt ich Sonntag und ich bin froh, daß Ihr nun alle wieder gesund und, wie ja aus Deinem Schreiben fühlbar ist, wieder munter seid. Hoffentlich wird es jetzt auch der Mutter besser gehen. An Wentys muß ich ja wirklich bald schreiben. Karl hat recht, daß er schimpft.
Während ich jetzt schreibe, ziehen, wie alltäglich, große Schwärme Krähen an das rumänische Ufer. Sie dürften dort ihre Nester haben. Ich beobachte schon einige Tage, daß es zwei Schwärme, ziemlich gleich groß, schätzungsweise 5 - 10.000 Vögel pro Schwarm, sind, die immer von zwei Richtungen kommend ineinanderfliegen und sich dann wieder teilen. Dabei ist ein ganz lautes Gekrächze weithin zu hören. Sie überqueren so abends 8 bis 10 Mal die Donau, fliegen hinüber und kommen wieder zurück, zu ihrem Schaden, denn bei jedem Überflug beim Militärkasino werden ein bis zwei Stück geschossen. Und doch fliegen sie immer wieder denselben Weg. In Sofia schlafen die Krähen auf den Gesimsen der belebtesten Straßen. Da hört man sie noch um 8 oder halb 9 abends schreien. Das mutet ganz sonderbar an. Ganz im Finstern, außer der Straßenbeleuchtung, sieht man ganze Schwärme ihre Nachtlager wechseln.
Samstag habe ich das erste Mal hier zu Hause gebadet. Ein türkisches Bad. Es schaut so aus (Skizze). Beim Anheizen des Kessels erwärmt sich auch gleichzeitig der Fußboden, da die Feuerung unter diesem durchgeht. Dadurch wird einem riesig heiß. Man nimmt sich dann aus dem Kessel heißes, von der Wasserleitung kaltes Wasser und wäscht sich in den vorhandenen Lavoirs. Man ist zwar nachträglich durch die Hitze ziemlich matsch, aber es ist das Baden ganz angenehm.
Meine Hausfrau hat mir, da es draußen wieder kälter ist, eingeheizt, das war nach dem Baden fein.
Gestern schickte sie mir gegen Mittag 4 Stück Mehlspeise herauf durch Katja. Es war so ähnlich wie Äpfel im Schlafrock, von außen, aber wie ich hineinbiß, ist der Teig salzig und innen Topfen, aber auch recht mit Salz. Ich habe die Mehlspeise selbstverständlich gegessen, aber Deine schmeckt mir besser. Ich kann jetzt schon ein wenig reden, denn ich lerne fleißig. Außerdem bin ich schon sehr bekannt. Heute geh ich zur Kredit-Bank, um das erste Mal Geld abzuholen, das ich jedoch nur auf Grund meines Reisepasses bekommen soll. Als ich zu einem Beamten gehe und ihm meinen Paß zeigen will, kommt der Direktor und sagt: „Oh, das ist gar nicht nötig, Herr Schröfl, ich kenne Sie ja schon.“ Die Leute hier sind sehr zuvorkommend. Der Chef des Arbeitsamtes, bei dem ich heute gleichfalls war, sagte mir seine ganze Unterstützung zu. Auch das Entgegenkommen der Postleute ist ein großes, so daß es sich hier ganz gut arbeitet.
Was mit Fritz ist, weiß ich nicht. Ich dachte heute von ihm Post zu bekommen, doch kam nichts. H. Schedlbauer versprach mir bei seinem Abschied, daß er Fritz gleich heruntersendet. Nun, vielleicht kommt morgen etwas. Für die Fahrräder müssen wir hier Steuer zahlen. Wenn man einem Verein beitritt, so kostet alles insgesamt 360 Lewa = ca 21 S pro Rad. Es ist dies eigentlich teuer. -Heute Nacht hat es ca 8 cm Schnee gegeben. Ich traute meinen Augen kaum, als ich aufwachte. Und dabei war es vor 10 Tagen so warm, daß man ohne Überrock ging.
Daß ich mir Galoschen gekauft habe, schrieb ich Dir mir scheint schon. Samstag kaufte ich mir einen Hut, da meiner schon ein Loch beim Bug bekam (Lw 250 = S 11). Meinen Anzug, den ich jetzt viel getragen, werde ich mir putzen und bügeln lassen. Und zum Knöpfe annähen würde ich Dich auch schon sehr notwendig brauchen. Meine angenähten halten nichts. Und ein paar Socken sollten auch schon gestoppt werden. Du siehst, wie notwendig es ist, daß Du kommst. Und dabei hast Du so gar keine Lust. Am 23. April geht das erste Expreßschiff von Wien ab. Nun, in drei Monaten können wir, d.h. ich, uns auch schon freuen.
Nun, mein Lieb, werde ich für heute Schluß machen. Morgen bekomme ich die Bilder, die ich während der Fahrt aufgenommen, da will ich doch dem Schreiben gleich was beilegen. Das Entwickeln kostet nämlich hier nichts, nur die Kopien pro Stück Lw 2.50 = 15 g. Das ist sehr billig.
Mein Liebes, Du wirst ja gerade Radio hören, denn wie ich gelesen, ist heute 1.-April-Rummel mit einigen Prominenten. Würde so gern einmal mit Euch hören. Viele Busserln.
Damit ich nicht vergesse: Wenn Du schreibst, gib bitte Marken von verschiedenem Wert auf den Brief. Ich gebe nämlich die Marken einem Sammler in Sofia.
(2.4.1935) Heute schrieb mir Fritz, daß er erst am 8.d. M. von Wien wegfährt. Na, dann halt noch einen Sonntag! Viele Busserln schickt Dir
Robert.
Weidlingau, 7.4.1935
Mein lieber Schatz!
Jetzt ist also auch Dein letzter einsamer Sonntag vorbei! Oder doch seinem Ende nahe, denn es ist 9 Uhr. Vielleicht bist Du doch ins Kino gegangen, trotz Deiner Solidität. Was soll das übrigens heißen? Gehst Du schon um neun Uhr schlafen?. Ich möchte es manchmal, komme aber nie dazu. Es wird täglich 11, Samstag meistens 12 Uhr, bis ich zum Schlafen komme. Sonderbarerweise schlafe ich trotzdem in den Nächten oft nur mit stundenlangen Unterbrechungen. Vielleicht, weil Du nicht neben mir liegst.
Gestern habe ich eine Rundreise zu allen Deinen Geschwistern gemacht. Ich mußte Werner zu Olga bringen (laut Verabredung), da haben wir unterwegs geschaut, was Rudolfs machen, allerdings ohne uns dort aufzuhalten. Nachdem ich Werner bei Olga abgeliefert hatte, fuhr ich nach Meidling, um Filz, Fleisch und für mich Schuhe zu kaufen. Eigentlich hatte ich gar nicht die Absicht, Richards zu besuchen, doch fürchtete ich bei näherem Zusehen doch, daß eventuell während der Schuhkaufs mein Rad verschwinden könnte. So fuhr ich doch zu Richard, um das Rad einzustellen. Als ich von Olga wegfuhr, hatte strömender Regen eingesetzt und als ich nach Meidling kam, spürte ich bereits naß im Schuh. Da sah ich beim Humanic Restpaare zu 6.90 S, und schneller als Du Dir denken kannst, war ich entschlossen, mir solch ein Paar zu kaufen, außer den schönen, die eigentlich schon zur Fahrt zu Dir bestimmt sind. Nächste Woche bekomme ich 15 S Konsumgeld, so daß die Auslage zu drei Vierteln gedeckt ist. Und da meine alten braunen Schuhe im Gelenk auch kaputt sind, sind sie ja nicht zu reparieren. Bei der Gelegenheit: Dein neuer Hut, von dem Du mir in dem letzten Brief schreibst, ist doch eigentlich billig.
Aber jetzt weiß ich auch, warum Du auf mein Kommen so wartest: nur weil Deine Knöpfe abgerissen sind und die Socken zerrissen. Nun, und da bei mir eben solche Argumente wegfallen, ist es nur logisch, daß Du Dich nur allein freust. So, jetzt hast Du’s, Du Bösewicht! Übrigens ist mir, als ich Deinen Brief las, infolge der Lateinschrift ein Irrtum unterlaufen. Ich las: in drei Monaten können wir uns schon „fressen“ statt „freuen“. Die Sache mit den verschieden bewerteten Briefmarken könntest Du der Kinder wegen auch machen.
Aber um auf Deine Geschwister zurückzukommen, es geht allen gut. Richard jun. ist jetzt im Werkzeugbau und es geht das Geschäft dort gut. Willi wird Dir ja wohl schon selbst geschrieben haben, nicht?
Dein türkisches Bad ist sehr interessant, doch glaube ich, ist ein Wiener „Tröpferlbad“ angenehmer. Daß Dir Deine Hausfrau Mehlspeise schickt, zeigt auf jeden Fall, daß Du ihr sympathisch bist.
Montag habe ich Robert das Rad von Peperl gekauft; der Bub hat eine riesige Freude damit. Das Rad ist wirklich sehr gut und schön. Das April-Spargeld ist nun allerdings weg, bis auf 5 S, so daß meine Gesamtersparnisse bis jetzt 13 S betragen. Das ist gewiß herzlich wenig.
(8.4.1935, 8.30 Uhr) Also, wenn’s wahr ist, daß Fritz und Fini heute fahren, dann geht in 5 Minuten der Zug ab. Als ich Samstag Deinen Brief erhielt, dachte ich einen Moment daran, zur Bahn zu gehen, doch schon im nächsten Augenblick hatte ich die Regung überwunden, denn „zuschau’n is halt gar so schwer“.
Liebstes, weißt Du, was mich immer besonders freut? Wenn Deine Briefe, wie jetzt schon drei Mal, am Samstag kommen, das macht mir die Sonntage um vieles freudiger. Gestern hatte ich übrigens einen besonders netten Sonntag. Werner war bei Olga, wie ich schon erwähnte, und die zwei Großen und ich fuhren mit den Rädern zu Mutter. Robert blieb dort zur Krankenwache und Fredy und ich gingen zur Sonntagsschule. Schw. Czip läßt Dich grüßen, Br. Czip war nicht da, weil sein Vater gestorben ist. Ich möchte immer, daß Du die kleine Martha Dozikal siehst; das Kind ist direkt wie eine Puppe, und kein bisserl scheu. Robert, ich glaube, bei unserem Wiedersehen müssen wir sehr sehr vorsichtig sein. Denn dieses und meine schon wieder groß gewordene Sehnsucht nach dem Säugling sind zwei gefährliche Faktoren.
Großmama sagt, sie fühlt sich vollkommen wohl im Bett. Übrigens sitze ich momentan auch im Bett; es ist ja die ganze Zeit saukalt. Gestern, als ich heimkam, wollte ich den letzten Rest meines Kokses einheizen; ich mußte aber Türen und Fenster öffnen und mit Werner, trotzdem es regnete, hinausgehen, so sehr rauchte es. Und als der Rauch sich halbwegs verzogen hatte, war der Koks auch beinahe zu Ende. Vorgestern hatte ich den Petroleumofen angezündet, aber nach zwei Stunden stinkt er halt und es ist schwer, da von zwei Übeln das kleinere zu wählen.
Nun, Schatz, noch etwas! Ich wollte Dir’s eigentlich nicht schreiben, da aus einer Freude nur allzuleicht Enttäuschung wird, aber . . . Trude hat vor ca 3 Wochen ein Gesuch an den Polizeidirektor Skubl gemacht (auf Anraten von Gretl Hrubesch), mit der Angabe, daß sie sich auf die Staatsprüfung vorbereitet. Es kam sofort eine Vorladung zum Angestelltenreferat, wo man ihr mitteilte, daß man im allgemeinen auf Ansuchen solcher, die die Staatsprüfung noch nicht haben, nicht antwortet, Trudes Gesuch aber befürwortet wurde. Sie mußte gleich zur polizeiärztlichen Untersuchung und wurde für „tauglich“ erklärt. Dann kam jemand ins Haus um Erhebungen zu pflegen, dann mußte sie nochmals aufs Referat, um alle ihre Zeugnisse vorzulegen. Da sagte ihr der Beamte, daß sie sich sofort nach der Staatsprüfung zu melden habe: „Aber, daß S’ ma net erst 8 Täg später kommen!“ Es scheint also, man hat die Absicht, Trude anzustellen. Wenn sie jetzt nur nicht durchfällt. Am 13. Juli will sie die Prüfung machen. Ich möchte das natürlich abwarten und dann vielleicht am 14. oder 15. Juli zu Dir fahren.
So, nun habe ich Dir wieder einmal Bericht erstattet. Sag, wird Dir’s nicht zu fad, all diese Kleinigkeiten zu lesen?
Als ich gestern von Mutter wegging, traf ich gerade beim Haustor Hansel. Es hat sich sehr zu seinem Vorteil verändert, man merkt ihm die Auslandsschule an. Nächsten Sonntag wird er vielleicht mit Hansi herauskommen. Gestern konnte ich ja nimmer viel mit ihm sprechen, da ich zu Hause Post gelassen hatte, daß ich gegen halb fünf heimkomme. So fuhr ich, um Werner wieder abzuholen. Olga und Bernhard begleiteten uns bis Hütteldorf. Wir gingen dann hinten nach Hause, um eventuell Wentys zu treffen, wenn sie draußen gewesen wären. War aber ohnehin nicht der Fall.
Nun, Schatzerl, laß mir Fritz und Fini recht herzlich grüßen. Es tut mir leid, daß wir uns in letzter Zeit nicht mehr sehen konnten. Na, dafür im Sommer.
Die Buben werden Dir dieser Tage einen Brief schreiben und ich werde ihn dann zugleich mit einem von Hansi aufgeben. Dem Mädel ist begreiflicherweise das Porto zu teuer und schreiben will sie doch.
Viele Busserl von Deiner sehr sehnsüchtigen Gretel.
Ja, noch etwas! Gestern vor 8 Tagen waren Bernhard und Olga mit Herrn Prankl da. Weil ich just mit Werner spazieren war, haben wir uns dann bei Mühlndorfer getroffen und sie waren nur abends auf ein Viertelstündchen bei uns. Prankl ist scheinbar ein sehr netter Mensch.
Gretel.
Russe, den 7.4.1935
Mein einzig Lieb!
Dein Schreiben vom 28.3. erinnerte mich sehr an frühere Zeiten. Du weißt gar nicht, wie ich mich über Deine lieben Worte gefreut habe. Ja, Kind, das war damals wirklich ein Glück, daß Du uns erhalten wurdest. Ich will ja die Gedanken gar nicht weiterspinnen, was hätte sein können, ich will nur wieder bald und noch weit glücklicher sein mit Dir! Ja, wie ich Dich doch hersehne, mein lieber Schatz! Und doch muß ich noch lange vernünftig sein, denn buchstäblich rinnt ja bis dahin noch viel Wasser über die Donau.
Ich habe schon viel nachgedacht über Dein kommen und wie ich Dich so lange, wie mir möglich, hierbehalten kann. Ich glaube, Du fühlst als Weib und auch, weil ja doch die Kinder bei Dir sind, nicht, wie schwer es ist, so auseinander zu sein. Eines hilft mir dabei viel, die große Liebe zu Dir, mein Liebes.
Heute habe ich einen Vormittag-Spaziergang ein wenig in die Umgebung gemacht. Es ist heute ein herrlicher Tag und heiß. Ich war in den Weingärten, wo schon herrlich die Obstbäume blühen. Auch in unserem Garten blüht schon das Obst. Auch habe ich wieder viel Interessantes betreffs der Wohnkultur der hiesigen Bevölkerung gesehen und auch zwei Aufnahmen gemacht. Ich wollte eine typische Türkin aufnehmen, doch ließ sie sich nicht. Ihre Kinder hat sie mir bereitwilligst hergebracht. Aber ich glaube, das nächste Mal, wenn ich ihr ein Bild bringe, sie rechnet natürlich gar nicht damit, denn die Leute lassen sich gerne knipsen und bedanken sich auch noch schön dafür, also wenn ich ihr eines bringe, wird auch sie sich knipsen lassen. Du wirst ja sehen, wie primitiv diese Leute leben. Danach bin ich wieder ins Büro gegangen, denn es ist hier sehr kühl und ich wollte Dir ja schreiben.
Nächsten Sonntag sind ja doch voraussichtlich die Störs schon hier, dann wird’s ja lustiger. Weißt, wenn so ein heiteres Wetter ist, dann geht’s noch, aber wenn es regnet, ist’s furchtbar. Für das Zimmer zahle ich Lw 700, ca S 50. Nun, die Kleinen sind schon sehr zutraulich, besonders Etzi, aber nur ist’s halt dumm, man kann ohne die Sprache nicht viel mit ihnen anfangen.
Eben flog die erstgesehene Schwalbe vor meinem Fenster vorüber. Ob diese auch im Sommer hier sind? Vom Fenster sehe ich, zwischen Häusern hindurch, ein Stückchen Donau. Weiter am rumänischen Ufer, weidet eine große Herde, wahrscheinlich Schafe.
So, jetzt habe ich geschwind eine Aufnahme gemacht, damit Du auch sehen kannst, wie es von meinem Büroplatz aussieht. Und jetzt gehe ich essen. Leb wohl, einstweilen.
Nachmittag, 4 Uhr. Nun habe ich den zweiten Spaziergang hinter mir. Wieder zweieinhalb Stunden. Mir tun schon die Füße weh, aber was soll man denn machen? Die Sonne wird immer heißer, man schwitzt geradezu beim Gehen. Ob es bei Euch auch so schön und warm ist? Es gibt schon Veilchen, die von den Türken viel gesammelt werden zum Verkaufen. Ich sah jetzt schon eine ganze Schar Weiber von 12 - 70 Jahren auf der Suche. Die meisten in ihren weiten türkischen Hosen mit dem herabhängenden … (unleserlich). Eine schöne Tracht ist das gerade nicht.
Ja, ich darf nicht vergessen, Dir zu schreiben, daß Du vielleicht am 1. Mai nicht den ganzen Gehalt bekommst. Ich habe nämlich die 500 S in meiner Reiseabrechnung als Reisevorschuß (statt Bauvorschuß) angegeben und nachträglich der Firma geschrieben, daß, wenn hiedurch in der Verrechnung Schwierigkeiten entstehen sollten, die Firma den Rest, der nach Abzug der Reisespesen noch bleibt, vom Aprilgehalt abziehen soll. Du müßtest Dir, vielleicht von Großmama, das Geld einstweilen ausborgen.
Und jetzt werde ich Dir noch meine Essenseinteilung sagen: Also früh, erst im Büro, das ja nur 5 Minuten entfernt ist, 1 Glas Tee und 1 Bretzel. Mittag Suppe, dann entweder Hammelfleisch, oder Kalb- oder Schweinefleisch, oder Hendl in verschiedener Ausführung oder gefüllte Paprika und gefüllte Weinblätter u.s.w., dann Joghurt mit Zucker. Um 3 Uhr im Büro wieder Tschei und abends, da gibt’s am Rost gebackene Sachen. Leber, Faschiertes, Lamm- oder Kalbsfilet, am Spieß gebackene Fleischstücke, oder aber gebackenen Liptauer (Du wirst lachen, doch wird dieser in Pergament eingewickelt und gebacken). Dazu trinke ich meist Wein, der sehr gut und billig ist. Das kostet: Früh 4, mittags 30-35, abends auch 30-35, nachmittag 2 Lw, so daß ich mit 100 Lw gut auskomme. Wenn man Wohnung und Wäsche und Diverses noch dazurechnet, so sind das pro Tag Lw 150. Es bleiben daher leicht 150 Lw übrig. Ich habe jetzt schon Lw 10.000 weggelegt, werde dann aber wahrscheinlich 1000 noch brauchen, so daß immerhin 540 S verbleiben.
Ich lege Dir zwei Bilder bei. Viele Busserln
Dein Robert.
9.4.1935
Lieber Vater!
Samstag wollten wir, Robert und ich, uns in der Volksoper die Meistersinger ansehen. Es war aber Walter und Hans Sachs krank. Sie führten die Fledermaus auf, die mir sehr gut gefiel. Jetzt, 6’ auf 2 Uhr, kam meine Karte an. Ich hatte nicht Namenstag, sondern Geburtstag und die Torte war sehr gut. Schade, daß Du nicht dagewesen bist. Meine nächste Redeübung ist unsere Fahrt in das Salzkammergut. In der Schule geht es mir sehr gut. Hans gibt mir ein französisches Lehrbuch, denn der Kurs wird bald aussein, weil wir nur mehr vier Kinder sind. Viele Busserln, Fredi
.
Weidlingau, am 9.4.1935
Lieber Vater!
Vor allem möchte ich Dir für das Rad danken. Dasselbe ist sehr schön und geht sehr leicht. Daß wir Samstag in der Volksoper waren, hast Du ja bereits vom Fredy erfahren. Es tat mir wohl leid, daß die Meistersinger nicht aufgeführt werden konnten, aber es war auch so sehr lustig. Auf den Aufsatz, welchen wir am 1.d. M. unter dem Titel „Heimaterde wunderhold“ schrieben, bekam ich eine 1. Nun bin ich aber neugierig, ob ich auch das Glück habe, etwas von den 200 ausgesetzten Preisen zu erwischen. Heute regnet es sehr stark und der Boden ist schon ganz aufgeweicht. Nun muß ich aber schließen, denn es ist schon 5 Uhr und ich habe noch Aufgabe zu schreiben. Viele Busserl, Dein Robert.
10.4.1935
Lieber Onkel!
Ein paar Zeilen werde ich Dir auch dazuschreiben, obwohl ich eigentlich ein bisserl böse bin auf Dich, weil Du uns überhaupt noch nicht geschrieben hast.
Ich habe jetzt sehr viel zu lernen. Jeden Tag gehe ich in die Schule und nachher heißt’s immer Aufgabe machen. Wahrscheinlich werde ich im Juli u.zw. am 13. zur Prüfung antreten. Nachher werde ich ziemlich sicher in den Polizeidienst eintreten können. Hoffentlich. Die Aussichten sind ja recht gut.
Zur Prüfung muß ich mir eine Maschine mitbringen. Weißt Du, ich möchte mir dann eine Maschine einen Monat vorher ausborgen, damit ich mich recht gut einüben kann.
Ende Juni werde ich einen zweitägigen Ausflug auf die Rax machen. Ich freue mich schon sehr darauf. Kosten wird es mir nichts, oder sehr wenig, weil die Fahrt der Fortbildungsverein zahlt.
Heute war ich mit Tante im Dorotheum. Wir haben einen sehr hübschen Mantel für mich gesehen. Vielleicht bekomme ich ihn.
Also, sei so lieb und schreib uns einmal. Ich werde Dir demnächst einen langen Brief schreiben. Nun recht herzliche Grüße und recht frohe Ostern und sonst noch allerhand wünscht Dir
Trude
10.4.1935
Lieber Onkel!
Da ich Tante sagte, ich wolle einem Schreiben an Dich auch meine Zeilen beilegen, gab sie mir heute die Gelegenheit, weil ja auf den Briefen der Buben Platz genug ist. Vor allem meinen besten Dank für die schöne Karte, die Du mir aus Sofia schicktest und die Geburtstagswünsche; es ist wirklich sehr lieb und anerkennenswert, daß Du auch dort meiner gedachtest, besonders so knapp nach der Ankunft, unter all den neuen Eindrücken.
Viel Neues kann ich Dir leider - Gottseidank - nicht berichten. Großmama geht es schon wieder ziemlich gut, jetzt darf sie auch schon aufstehen versuchen und wenn’s dann zu Ostern so schön und warm ist wie heute, können wir hoffentlich schon mit ihr nach Weidlingau fahren. Trudl lernt wirklich fleißig, das sehen wir auch immer dann, wenn ihr die Lehrerin unter fast jede Aufgabe „sehr fleißig“ schreibt. Daß sie sehr gute Aussichten hat, bei der Polizei angestellt zu werden, wenn sie die Prüfung erfolgreich besteht, wird Dir wohl Tante mitgeteilt haben. Die beiden sind einkaufen gegangen, da ist Trudl ja immer besonders gern dabei, wie Du sie ja kennst, sonst ist sie auch ziemlich unverändert; ich denke übrigens, sie wird auch etwas an Dich schreiben wollen und diese Gelegenheit benützen.
Ich ersetze Tante Steffy seit voriger Woche ihr Lehrmädchen, welches erkrankt ist, und mache ihr die Wege und Lieferungen, welche geschehen müssen; nur in dieser Beziehung ersetze ich sie, muß ich richtigstellen. Weißt, wenn ich so die Manipulationshilfen bei Krupnik beobachte, denke ich mir immer, das könnt’ ich mindestens ebensogut wie diese, denn wie langsam die arbeiten, davon machst Du Dir keinen Begriff, gegen die bin ja ich ein Wirbelwind. Aber leider bin ich ja zu alt und wenn gleich Tante Steffy für mich reden könnte, würde es deshalb und weil ich schon so lang nicht mehr beim Handelsstand bin, ja doch nichts nützen, sie hat ja auch keinen Einfluß auf Prominente. Ich kann mir nicht helfen, aber ich fühle mich überhaupt so überflüssig und unnütz, daß ich mir öfter denke „ach, wär ich nie geboren!“ Aber da ich’s nun doch bin, muß ich’s tragen, so gut’s eben geht, dabei kommt mir meine Vergeßlichkeit sehr zu statten, so schnell ich weinen, seufzen und klagen kann, so rasch erfreue und lache ich auch wieder von ganzem leichtem Herzen, viel mehr dem Backfisch als meinem Alter entsprechend, bin ich und hoffe es zu bleiben, denn ich glaub’, ich bin damit nicht schlecht dran.
Nächste Woche kommt endlich wieder mal meine Rosl nach Wien, darauf freue ich mich; wir haben uns nun schon mehr als 2 Monate nicht gesehen, doch glaube ich, ist unsere Freundschaft deswegen doch eine gute, wenn wir uns auch nicht alle Tage sehen, so verrückt waren wir nie, oder besteht nur darin die wahre Freundschaft? Es gibt Leute, die dieser Ansicht sind.
Ich muß nun Deine ganze Nachsicht erbitten für das, was ich Dir da alles an uninteressanten Dingen schrieb, aber anderes weiß ich nicht, und ich muß allen freien Platz vollschreiben, das ist so ’ne Manie von mir.
Ich wünsche Dir nun auch recht schöne, vergnügte und angenehme Osterfeiertage.
Sei herzlichst gegrüßt von Hansi und Großmama. Auch Herrn und Frau Stör grüße bitte frdl. von mir.
Hansi
Weidlingau, 15.4.1935
Du, mein Herzensschatz!
Also an frühere Zeiten erinnert Dich mein Brief vom 28.3. Kinderl, soll das heißen, daß Du glaubst, ich hätte Dich früher lieber? Ich glaube doch nicht. Schau, es ist halt vielleicht so ähnlich wie mit der Liebe, wie mit den Kindern. Solange sie klein sind, herzt man sie eben mehr, ob man sie deshalb lieber hat als später, möchte ich doch dahingestellt sein lassen. Und so lange die Liebe noch jung ist, fallen eben auch die Koseworte häufiger. Trotzdem glaube ich, ist bei uns beiden die Liebe im Laufe der Jahre nur größer geworden. Aber obwohl ich das als ganz sicher fühle, haben auch mich die lieben Worte in Deinem Schreiben vom 7.d. M., die wieder aussprachen, was sonst nur im Unterbewußtsein lebt, sehr erfreut. Ich weiß gar nicht, wie oft ich die wenigen Zeilen gelesen habe! Das ganze große Gefühl kann man ja nicht bannen auf ein Stückerl Papier, aber doch so ein wenig.
Lieb, glaubst Du wirklich, daß mir das Auseinandersein so viel leichter wird als Dir? Die Kinder sind doch noch klein.
Nun, Kinderl, jetzt wird’s Dir ja auch leichter werden, wenn Störs dort sind. Haben sie schon eine Wohnung?
Ich war heute den ganzen Tag auf Wohnungssuche, trotz strömenden Regens und Sturmes. Ich will Dich nicht mit den Kreuz- und Querfahrten langweilen, aussichts (dieses Wort ist durchgestrichen!) umsonst war es doch alles. Ich hatte einige Anzeigen herausgeschnitten, doch war das eine nur ein Büro und die Wohnung selbst ganz draußen, in Breitenfurth. Um eine Wohnung ist mir sehr leid, die schon vergeben war. Ein Balkonzimmer, 2 Kabinette, Vorzimmer, Küche, 65 S, im 4. Bezirk, Danhausergasse. Ein prachtvolles Haus mit Marmorwänden und Spiegeln im Stiegenhaus, Lift, Vorgärtchen und kleiner Garten rückwärts. Na, kann man eben nichts machen.
Nach vielen Irrfahrten (-gängen) war ich in einem Büro in der Malzgasse im 2. Bezirk gelandet, um die Adresse einer Wohnung zu erkunden, in der Nähe des Hotels Metropol, 2Z, K, Kü, Vz, Bad und 65 S und 400 S Ablöse. Aber weißt Du, wo das war? In einer Seitengasse der Judengasse. Das Haus sah aus wie ein Gefängnis und ich ging erst gar nicht hinein. In der Auhofstraße, nicht im schönsten Teil, von uns ein paar Häuser nach der Verbindungsbahn, waren auch 2 Zimmer und Küche, 60 S Zins und 540 S Ablöse, doch waren dort die Kinder ein Stein des Anstoßes.
Na, ich wollte, der ganze Rummel wäre schon vorbei.
Neugierig bin ich, ob Du Deine typische Türkin noch auf die Platte bringst! Werde mich sehr freuen, die Bekanntschaft der Dame zu machen, wenn auch vorläufig nur auf dem Papier.
Ja, mein Schatz, wenn schönes Wetter wäre, könnte ich vielleicht auch alles leichter tragen, aber bei uns ist’s höchstens einmal einen Tag schön und regnet dann dafür wieder 14 Tage umso heftiger. Dabei ist es schauderhaft kalt. Ich sitze hier mit Pullover und Wettermantel, trotzdem ich erst vor Kurzem den Petroleumofen ausgedreht habe. Wie lange das heuer noch so fortgehen wird?
Bei uns hat alles oder alle Hals- und auch noch verschiedene andere Schmerzen. Doch so lange mich das Fieber verschont, bleibe ich natürlich auf. Morgen und übermorgen ist Waschtag. Ich fürchte so sehr das Schöpfen. Diesmal wird’s ja vielleicht besser, weil die Kinder schon Osterferien haben. Jetzt, seit Mitzi fort ist, kann man auch nicht viel vorschöpfen.
Sag, sind denn Kinder mit 12 Jahren auch schon Weiber?
Wegen des Geldes habe ich heute gleich mit Großmama gesprochen. Es muß ja da so ungefähr das ganze Monatsgehalt draufgehen. Angenehm ist’s mir ja nicht, wenn ich dann wieder Schulden hab anstatt Reserve für den Fall des Umzugs, doch läßt sich’s eben nicht ändern.
Dafür ist es wieder sehr schön, daß Du so viel ersparst, wenn ich nur schon wüßte, wie wir die Ersparnisse herbekommen werden. Mit Frau Wenty habe ich schon darüber gesprochen, wegen des Verbrauches von Lewa, wenn Wenty und der zweite Herr (irgendein Doktor) nach Varna fahren sollten. Vielleicht könnt Ihr doch irgendwie in Verbindung treten.
Deine Esseneinteilung schreibst Du mir wohl, auch was es kostet, nicht aber, ob es Dir schmeckt. Der gebackene Liptauer ist mir ein Rätsel und die gezuckerte Joghurt ein Greuel, wie grüner gezuckerter Salat. Momentan schmeckt mir zwar gar nichts.
Bitte, eine Gewissensfrage, nicht wieder unbeantwortet lassen: Darf ich Deine alten Bretteln (Ski) einheizen? Die Rodel ja auf jeden Fall. Ich möchte so viel als möglich räumen.
Sag, hast Du Brodils schon geschrieben? Ich noch nicht, auch nicht an Louis, Festus und Hubers. Schw. Huber hat Fredy schon vor ein paar Tagen eine sehr lieb gehaltene Osterkarte geschickt, vielleicht schreibst Du auch einmal eine Karte nach Rottenbach.
Letztes Mal habe ich ganz vergessen, Dir für die hübschen Bilder zu danken. Wenn Du noch eine Vergrößerung von den Kindern hast, bitte schicke sie mir für Festus.
Nun schlaf und träume süß, tausend liebe Grüße,
Gretel.
Russe, den 15.4.1935
Mein Liebes!
Diesmal mußtest Du ein wenig warten, die Ursache wirst Du ja erraten. Also Fritz und Finny sind glücklich letzten Samstag hier angekommen, haben auch schon ein sehr schönes Zimmer und ich komme eben vom erstmaligen Nachtmahlessen bei Störs. Nun bin ich froh, das kannst Du Dir denken, es ist doch etwas anderes als das Gasthaussitzen. Störs Zimmer, das früher ein Salon war, ist erst heute mit neuen Möbeln eingerichtet worden, es ist mindestens 8 m lang und 6 m breit, mit kleinem Erker und Aussicht auf die Donau. Es kostet zwar 1500 Lw, obwohl Finny die Bettwäsche beistellt und ja auch das Zusammenräumen besorgt, aber Fritz wollte es eben schön haben und das ist recht, denn ich habe es ja dadurch auch schön, da ich ja doch die meiste Freizeit dort sein werde. Mit dem eigentlichen Kochen, wir aßen heute Tschei und Wurst, fängt Fini erst dann an, bis sie mit der Wohnung ganz in Ordnung ist.
Und nun zu Deinem lieben Brief. Eigentümlich ist, daß ich die letzte Zeit, genau wie Du, auch oft in der Nacht wach wurde und stundenlang nicht schlafen konnte. Jetzt ist’s schon ein paar Nächte besser.
Es ist sehr schön von Dir, daß Du Rundreisen zu meinen Geschwistern machst, aber nur fürchte ich, daß sie über mich schimpfen, weil ich nicht schreibe. Na, aber es kommt dies schon noch.
Nun, es ist eigentümlich: Jetzt, wo Finny da ist und mir die Knöpfe annäht, habe ich doch noch immer Sehnsucht nach Dir und warte doch schon so auf Dich, mein Schatz. Es ist ja doch nicht allein um der Knöpfe willen. Ich schaue doch schon jetzt immer die Donau aufwärts und stelle mir so vor, daß Dein Schiff kommt. Noch drei Monate!
Also hat Robert schon sein Rad. Das glaube ich, daß er sich darüber freute, nur sollen die Buben auch recht darauf aufpassen, damit die Räder gut erhalten bleiben und wir dann nächstes Jahr eine feine Urlaubstour machen können.
Nun, mein liebes Kind, wir werden bestimmt, wenn Du kommst, vernünftig sein und aufpassen, denn die 5 Jahr-Frist wäre ja wieder da. Aber es wäre doch nicht gut, trotz Deiner Sehnsucht. Auch von den anderen abgesehen, wäre es ja für Deine Gesundheit schlecht, so leid es mir ja doch wäre, denn sie gefallen auch mir sehr gut, die kleinen Butzerln.
Die Nachricht von Trude freut mich ja sehr, wir wollen hoffen, daß daraus etwas wird, es würde doch für sie gut sein, wenn sie in eine halbwegs sichere Zukunft schauen könnte, besonders für Trude, die ja ein positiver Mensch ist.
Solche Berichte sind gewiß keine Kleinigkeiten und sie sind mir nicht nur nicht fad, sondern sie interessieren mich, auch wenn es auch wirklich Belangloses sein sollte. Darum schreibe nur, mein Liebes, je mehr, desto lieber. Und ich warte auch schon auf den Brief der Buben, auch sie sollen mir viel, auch Kleinigkeiten, schreiben, denn wenn man so von der Heimat weg ist, will man alles hören.
Also Prankl ist Dir sympathisch! Nun ja, er war einmal ein sehr netter Mensch, als er jung war. Jetzt ist er ein Raunzer geworden, obwohl mir Olga sagte, daß er sich in letzter Zeit gebessert hat. Aber selbstverständlich sehe ich ihn ja mit den Augen des Mannes, ein Weib urteilt da oft anders.
Na, Willi scheint im Schreiben auch ein Schröfl zu sein, denn bekommen habe ich von ihm noch nichts.
Fortsetzung morgen, gute Nacht!
Liebe Gretel! Komme soeben wieder von Störs. Das heutige Nachtmahl aus Butter, Rettich, Tee und Nüssen kostet mich 6 Lewa = 36 g. Morgen macht Finny das erste Mahl das Mittagessen, Eiernockerln mit Salat. Also ich freue mich schon sehr darauf.
Noch etwas: Du bekommst anfangs Mai von Kritzendorf S 136 zugesandt, die ich hier an Fritz in Lewa gegeben habe. Ich weiß nicht, ob nun die Firma das Geld (Reisevorschuß) im Mai abzieht, auf alle Fälle kannst Du auf das Kritzendorfer Geld rechnen, nur kommt es möglicherweise erst um den 10. Mai.
Morgen ist Gründonnerstag, aber nicht für uns, wir haben ihn erst in 2 Wochen, denn wir halten die bulgarischen Feiertage. Wir haben dann vom 26. bis 29.4. frei. Vielleicht machen wir eine Schiffahrt, wenn es möglich und nicht zu teuer ist und wenn das Wetter danach ist. Momentan ist wieder kälter geworden, aber es ist doch noch so warm, daß der Flieder blüht.
Ich habe jetzt eine Änderung in meinem Zimmer. Der Ofen und der Schreibtisch sind weg und dafür ist mein Zimmer wieder größer und es steht eine fein gepolsterte Bank da. Ich brauche aber noch einen Tisch, wenn die Störs zu Besuch kommen, denn wir wollen uns dann zur Abwechslung das Nachtmahl hierher nehmen. Auch werden wir, wenn es wärmer wird, öfters hier im Garten sein.
Kind, ich denke oft daran, ob Du nicht den Werner mitnehmen sollst, wenn Du kommst. Sag aber nichts, sondern schreibe mir, wie Du darüber denkst.
Ich habe oft Sehnsucht nach den Kindern und nach Dir, das weißt Du ja, mein liebes Weib.
Jetzt geh ich halt wieder, mit einem Seufzer, allein ins Bett, Du Liebes, ich wollte, Du wärst hier.
Robert.
Russe, den 20.4.1935
Mein süßes Lieb!
Gestern habe ich Deinen wieder so lieben Brief vom 15.d. M. erhalten, heute bekam ich von den Kindern den Brief. Du siehst, ich bin jetzt mit Post gut daran. Auch habe ich, ja staune nur, an Wenty eben 4 Seiten geschrieben und ihm einige Bilder beigelegt. Aber trotzdem will ich Dir noch ein bißchen schreiben, solange meine Füllfeder noch Tinte hat, denn ein wenig hilft das, meine Sehnsucht zu lindern. Ich will Dir gleich mitteilen, daß Finny seit Mittwoch kocht und wir alle drei bis jetzt ganz zufrieden sind. Es ist natürlich sehr billig im Verhältnis zum Gasthaus. Alles in allem wird mir der Tag ohne Nebenauslagen auf ca Lw 60 (mit Quartier) kommen. Wir hatten z. B. vorgestern abends Butter, Käse, Rettich und Tee und heute mittags Rindsgulasch und das kostete Lw 22. Ich zahle täglich, es ist das allen lieber. Heute sind die Störs bei einer Hitler-Feier (Geburtstag), ich habe aber abgelehnt, denn ich lese lieber Hitlers „Kampf“. Ich glaube, ich habe Dir geschrieben, daß mir dieser sehr gefällt. Es ist schade, daß man so etwas verbietet.
Nun geht die Arbeit hier bald an, am 30. April kommen noch 5 Wiener Monteure und da wird es mit der Netzmontage ernst. Die Amtseinrichtungen sind auch schon in Russe eingelangt und einstweilen beim Verzollen. Wir werden nun wahrscheinlich anfangs Mai mit der Amtsmontage beginnen können. Das Zusammenarbeiten mit den Herren der Postverwaltung ist ein sehr gutes. Das ist natürlich angenehm, und wir haben in dieser Weise Glück, denn in Stara Zagora und in Varna ist das nicht der Fall. Hoffentlich ist uns das Wetter auch hold bei unseren Außenarbeiten. Momentan regnet es jeden Tag mindestens 5 Stunden, die Regenperiode, die hier drei bis vier Wochen dauern soll. Bei uns sind die Bäume bereits verblüht, bald gibt es hier hiesige Kirschen. Es geht so rasch, daß man für unmöglich hält, daß es noch vor wenigen Tagen 8 cm Schnee gegeben hat.
Meine Feder streikt schon, daher schlüpfe ich ins Bett. Aber die vielen Busserln, die ich Dir schicke, wird sie doch noch schreiben.
Samstag vormittag im Büro.
Mein Liebes! Die Feder ist wieder frisch gefüllt und, da ich den angefangenen Brief zu Hause habe, fange ich halt wieder ein neues Blatt an. Du wirst Dich schon auskennen. Nun zu Deinem Brief vom 15.d. M., den ich aber in meiner Tasche habe, denn ich habe immer ein oder zwei Briefe von Dir bei mir.
Nun, Schatz, ich weiß ja ganz bestimmt, daß wir uns jetzt lieber haben als einst, vielleicht ist es nicht ganz richtig „lieber“, sondern anders lieb als früher, Da kannten wir uns ja doch nicht so wie jetzt und die Kinder waren auch nicht da. Ich glaube ja doch, daß dies unser Zusammensein beeinflußt. Das sehe ich ja auch bei Störs. Ich glaube nur, daß es sie einmal reuen wird, daß sie es versäumten, Kinder zu haben. Na, die Menschen sind eben, Gott sei Dank, nicht alle gleich.
Warum schreibst Du mir denn immer von langweilen? Glaubst Du denn ernstlich, daß Deine Worte dies tun? Nun, Lieb, bei Deiner Wohnungssuche siehst Du doch, daß es Wohnungen gibt. 65 S ist ja gar nicht so viel. Nur, Schatzerl, mußt Du doch dran glauben, daß wir etwas finden, es ist doch für uns alle nötig. Dein vielleicht im Unterbewußtsein geschriebenes Wort (aussichtslos) zeigt aber, daß Du schon im Vorhinein daran zweifelst, etwas zu finden. Schau, wir müssen etwas finden, bzw. Du mußt, denn den nächsten Winter bleibe ich bestimmt nicht mehr in Weidlingau.
Du schreibst mir unlängst, Du möchtest, daß ich in einer Weise so wie Rudolf wäre. Vielleicht ist aber gerade zu der Entfaltung dieser Veranlagung bei Rudolf die Bedingung gegeben. Ich schrieb Dir, daß Trude ein positiver Mensch ist. In dem Schreiben von den Kindern sehe ich dies nun bestätigt, denn da habe ich eine treffende Gegenüberstellung von Trude und Hansi.
Ich muß mit der Schreibmaschine weiterschreiben, denn erstens komme ich bei dieser Debatte ins Schmieren und dann übe ich mich bei dieser Gelegenheit im Schreiben. Also Hansi schreibt mir, sie wünschte manchmal, sie wäre nie geboren u.s.w. Nun, sie hat ja immer noch dieselbe Gelegenheit etwas anzupacken, statt zu jammern. Schau doch einmal die Rosa an. Freilich sagt man, die findet leichter etwas, weil sie Jüdin ist. Ich glaube doch, daß die Ursache darin liegt, weil Rosa eben will und die Unannehmlichkeiten leicht überwindet, um zu ihrem Ziele zu kommen. Das sind eben lebensbejahende Menschen, die ihr ererbtes oder anerzogenes Selbst, soweit nötig, überwinden. Und das ist im Leben notwendig, um durchzukommen. Hansi schreibt mir z. B., so schnell wie die Krupnik-Manipulanten kann sie auch arbeiten, und bemerkt aber dazu, daß man sich gar keinen Begriff macht, wie langsam die sind. Warum sich denn immer nur an den schlechteren Leuten ein Beispiel nehmen? Weil es eben an Selbstbeherrschung fehlt, weil bei diesen Menschen sich die Meinung gebildet hat, daß man anders nicht sein kann, als man eben ist. Ich gebe da Onkel Neel in „Otto Babendiek“ recht, wenn er sagt, daß die Menschen gute und schlechte Elektrizität besitzen, nur bezieht er das meist auf den Charakter, auf das Gute und Schlechte im Menschen, ich möchte dies jedoch auf den Menschen und seine Einstellung zur Welt anwenden. Nun bitte ich Dich, daß dies nur unter uns gesprochen sein soll, weil Hansis Brief im Großen und Ganzen sehr lieb ist, er wäre beinahe sonst mit Deinen Schreiben zu vergleichen, im Stil u.s.w.
Eben ist Fritz gekommen, Schluß der Debatte und viele Busserln, die mit der Maschine geschrieben recht spaßig aussehen.
Fortsetzung Sonntag abend. Ich komme eben vom Nachtmahl beim Zuckerbäcker nach Hause. Wir waren heute in einer Nachmittagsvorstellung im Kino, es wurde der Film „Kaiserwalzer“ gespielt mit Martha Eggerth und Hansi Niese und Szakall, sehr drollig, wunderschöne Aufnahmen, die uns wieder unseren Wald herzaubern, denn der Film spielt in Ischl. Das ist doch fein, daß man in Bulgarien sitzt und doch die schöne Heimat sieht. Heute lese ich noch den Kampf.
Viele Busserln und im Geiste umarme ich dich fest.
Robert.
Fortsetzung Dienstag.
Mein allerliebster Schatz!
Muß doch diesen Brief aufgeben, damit Du ihn noch vor Sonntag erhältst. Wir haben jetzt die Amtseinrichtungen transportiert und viel Wirbel und langen Dienst im Baubüro, heute bis 8, gestern bis halb 8. Viele Grüße an alle Bekannten und Euch küßt innig
Vater
Weidlingau, 24.4.1935
Mein Lieb!
Also, ob Du heute ganz mit mir zufrieden sein wirst, weiß ich nicht. Trotzdem ich glaube, das Beste getan zu haben, was ich konnte. Habe gestern eine Wohnung gemietet, in der Josefstadt, am Albertplatz 8. Du wirst das Haus wahrscheinlich kennen, das sogenannte „Maria-Theresienschlössel“. 2 Zimmer, größer als unser jetziges, eine Küche und Vorraum, beides zusammen wohl kaum länger, vielleicht ganz wenig breiter als unsere Küche. Werde Dir nach dem 1. Mai, wenn ich die Schlüssel habe, eine genaue Skizze schicken.
Was mich so besonders anzieht an der Wohnung, ist das freundliche Grün vor den Fenstern, vorne der kleine Park, rückwärts ein kleiner Garten. Drei Fenster gehen nach rückwärts, zwei nach vorne.
Nun aber der wunde Punkt: Die Wohnung kostet 80 S und außerdem hat das Haus weder eine Waschküche noch einen Keller. Nun ist da allerdings ein kleiner Gang nur für uns, wie überhaupt der Aufgang zur Wohnung ganz separiert ist. Auf dem Gang kann man zur Not, wenn es nicht zu kalt ist, waschen. Die Bodentüre ist gleich neben unserer Wohnungstüre und einen eigenen Bodenschlüssel habe ich gleich beansprucht, so daß man die Räder jederzeit auf den Boden hinaufstellen und herunterholen kann.
Vorläufig kostete mich die Wohnung bereits 170 S, die ich nun Großmama schulde. 120 S Vermittlungsgebühr; privat ist nämlich überhaupt nichts zu bekommen, oder wenigstens nichts Vernünftiges. Und 50 S für den Notar, für den Mietvertrag. Der ist ja eigentlich bloß ein Schutz für den Hausherrn, muß aber doch vom Mieter bezahlt werden. Der Vertrag läuft auf keine bestimmte Dauer, sondern ist monatlich kündbar. Doch war mir dies nur angenehm, da der Hausfrau (ca 30 Jahre, Herr ist scheinbar keiner da) nach ihren Worten durchaus nicht einfallen wird zu kündigen, so lange der Zins bezahlt wird.
Ich aber rechne damit, daß man unter Umständen, wenn die Sache mit der Kreitnergasse doch noch flüssig wird, eventuell nochmals umziehen kann. Ich wollte nur nicht zwischen 2 Sesseln auf der Erde sitzen. Es ist die relativ günstigste und im Verhältnis billigste Wohnung, die ich bisher besichtigt habe.
Gestern hast Du mir ganz furchtbar gefehlt bei der Entscheidung. Ich schicke Dir eine Vollmacht mit. Bitte mir zu bestätigen, daß ich in Deinem Namen handeln darf, sonst wäre die Wohnung nur auf meinen Namen geschrieben worden, was ich nicht wollte. Auch ein Adressenverzeichnis aus einer Vermittlung im 3. Bezirk lege ich bei, um Dir einigermaßen Übersicht über die Mietenverhältnisse zu geben.
Ja, noch etwas: Zins muß ich bereits ab 1. Mai in Wien bezahlen, doch möchte ich erst Ende Mai oder 1. Juni ziehen, um nicht alles überstürzen zu müssen.
Lieb, nun endlich zu Deinem letzten Brief. Ich bin so froh, daß Du Störs nun endlich hast. So ist Dir doch die Einsamkeit ein wenig genommen und auch mit der Kost wird’s etwas besser sein; doch nicht immer Fleisch. Abgesehen von der Billigkeit.
Störs Zimmer kann ich mir eigentlich kaum vorstellen, doch ist es Fritz ebenso gegangen wie mir. Ich wollte es eben auch schön haben.
Ob ich Werner nicht mitnehmen soll, hab ich eigentlich auch schon gedacht. Mit Großmama ist momentan ja nicht zu rechnen, Hansi hat ihre Bedienung, wahrscheinlich auch im Sommer die Vertretung der Assistentin und wenn Trudel vielleicht wirklich gleich eine Anstellung bekommt, ist auch mit ihr nicht zu rechnen. Es ist nur, ob uns die Kosten nicht gar zu hoch werden. Überlege Dir die Sache halt noch, ich überlasse es ganz Deinem Gutdünken.
Bitte, wegen Deiner alten Bretteln bestimmt antworten! Und schicke bitte die Pendlerkarten. sonst verfallen sie noch.
Nun, Schatz, heute war kaum Gelegenheit, ein liebes Wort einzuflechten, doch glaube ich, Du weißt auch so, wie’s um mich steht. Ich hab Dich ja so lieb!
Gestern ist es halb 9 geworden, ehe ich heimkam, so mußte ich mein Rad drinnen lassen. Heute fahre ich darum und dann gleich zu Wentys um mein Mantelfutter. Stoff habe ich schon aus dem Dorotheum, 19.20 S. Doch bin ich auch das Mutter noch schuldig.
Ja, noch etwas. In der Albertgasse ist ein Realgymnasium. Ich glaube, ich werde mich am 1. Mai gleich erkundigen, wie die Bedingungen sind. Herr Lehrer Matzinger meint, es ist nur ein kleiner Unterschied zwischen Realschule und Realgymnasium (in den Sprachen). Werde mich auf jeden Fall näher erkundigen.
Viele, viele Busserl Deine
Gretel.
Bitte, schicke Werner eine Osterkarte. Er wollte Dir’s erst selbst schreiben, ist aber davon abgekommen. Viele Grüße auch an Störs und die anderen Herren und Damen, die auf der letzten Karte unterschrieben haben. Gretel.
Eben kam Deine Karte an Werner, es erübrigt sich also.
Russe, den 28. April 1935
Mein lieber Schatz!
Na, und ob ich zufrieden bin mit Dir! Das war wohl eine sehr angenehme Überraschung. Ich glaube, es ist gut so, wie Du’s gemacht hast. Nun bin ich schon neugierig, wie Deine Skizze ausschaut. Du schreibst nicht, in welchem Stock, ob Gas und Elektrisch eingeleitet ist, was für Fußboden, ob Wasser und Closett in der Wohnung. Das würde ich wohl schon gerne wissen. Mein Lieb, wir werden es uns schon schön machen, gelt? Ist die Wohnung ausgemalt? Na, ich möchte Dich auch so gerne hier haben, um so alles mit Dir durchsprechen zu können.
Heute ist hier Ostersonntag und auf meinem Tisch steht ein Osterkuchen, 2 Stück Mehlspeise und 6 bunte Eier, von meiner Hausfrau, das ist hier so Sitte, daß man beschenkt wird. Ich bin froh, schon gestern 2 Holz-Ostereier mit Inhalt für die zwei Kleinen gekauft zu haben, so konnte ich mich gleich revanchieren.
Heute wollten wir eigentlich mit dem Schiff nach Svistov, das ist eine Stadt 60 km stromaufwärts, fahren. Wir sind um 5 Uhr aufgestanden, da um 6 Uhr das Schiff abfahren sollte, aber, als wir uns die Karten lösen wollten, erfuhren wir, daß wir die Einzigen für die Fahrt waren und, da die Gesellschaft für drei Personen das Schiff nicht fahren ließ, mußten wir wieder heimgehen. Störs hatten überhaupt schlecht geschlafen und legten sich wieder nieder, ich ging zuerst spazieren, später setzte ich mich auf eine Bank im Park und las das Berliner Tageblatt. Um 9 Uhr fuhren wir das erste Mal mit den Rädern fort, doch nur 6 km, dann legten wir uns in die Sonne und ließen uns braten. Wir haben eine schön geschützte Stelle gefunden, denn wir haben seit vorgestern starken Wind. Vorgestern abends war so ein Sturm, daß ein kleines Dampfschiff durch ihn an das Ufer geworfen und umgekippt wurde. Der halbe Schiffsrumpf, der Schornstein und die Fahnenstange schauen gerade noch aus dem Wasser. Noch ein Glück, daß bald Leute hier waren, die das Schiff noch mit Seilen am Land befestigten, sonst wäre es ganz gesunken, denn die Donau ist hier sehr tief, 20 bis 40 m. Nachmittag gehen wir ins Kino „Freut Euch des Lebens“ mit Slezak. Wir haben herausbekommen, daß es Sonntag auch Nachmittagsvorstellungen gibt, die sogar nur die Hälfte kosten. Da können wir nach dem Kino wenigstens noch ordentlich Nachtmahlessen. Fini kocht noch weiter gut und billig.
Ja, was ich noch wissen will: Wie stellst Du Dir denn die Unterbringung der Kinder vor, wenn Du wegfährst? Mit Werner glaube ich, ist es doch besser, wenn Du ihn nicht mitnimmst. Wäre es nicht möglich, daß er bei Olga bleibt? Freilich würde er da von Bernhard verzogen werden, doch würde dies auch anderswo der Fall sein. Weißt Du, Du hast ja doch hier, wenn Werner nicht da ist, mehr Ruhe, und wenn wir zusammen ans Meer wollen, dann ist alles viel einfacher. So gerne ich alle die Kinder hier hätte.
Wenn Du in das Realgymnasium gehst, so erwähne gleich, daß Fredy konfessionslos ist. Sollte dies Anstoß erregen, so könntest Du vielleicht doch veranlassen, daß die Kinder evangelisch eingetragen werden. Das muß jedoch noch überlegt sein und hat ja auch noch Zeit.
Dienstag, 30.4.1935
Liebe Gretel!
Nun sind die Feiertage vorbei, fast möchte man sagen, Gott sei Dank, denn man weiß nicht, was man anfangen soll. Das sonntägige Kinostück war sehr lustig. Abends führte uns Fini aus, sie zahlte uns nämlich einen halben Liter Wein. Nach dem Kino waren wir auf dem Jahrmarkt, der zu Ostern stattfindet und bis Donnerstag dauert. Da gibt es so verschiedenes der bulgarischen Heimarbeit zu sehen. Am 6. Mai ist Mädchenmarkt. Da bringen die Mütter ihre Mädels zur Stadt, um sie als Dienstmädchen zu verdingen. Die Mädeln bleiben dann gewöhnlich ein halbes Jahr hier, dann gehen sie wieder zurück ins Dorf.
Montag, gestern abend, sind unsere Kabelmonteure von Wien über Bukarest gekommen. Die Fahrt ist verhältnismäßig kurz, 30 Stunden. Fini und Fritz sagten: „Nun, das wird fein sein, wenn wir einmal auf die Gretel warten.“ Ja, ich dachte mir dies ja schon lange. Noch zweieinhalb Monate! Wie oft ich mir das schon vorstelle, wie schön dies dann sein wird. Aber wir müssen dann auch noch unsere Ungeduld zähmen, wenn Du vom Schiff bist, denn dann kommt noch die Zollrevision, die ca eine Viertelstunde dauert. Da gibt es noch so einen abgesperrten Raum, wo man nicht hindarf. Aber wir werden die letzte Viertelstunde auch noch aushalten, gelt, mein Liebes?
Weißt, mein Schatz, wir haben öfters gesprochen, wie mir sein wird, wenn ich Dich nicht habe. Wie uns seelisch ist, das weißt Du ja, wie ich mich nach Dir sehne. Aber anders komme ich auch ganz gut durch, und Deinen Rat, daß ich mich hier verheiraten soll, brauche ich nicht zu befolgen. Ich warte lieber auf Dich, mein Schatz, mein lieber, um dann wieder ein bißchen unvernünftig zu sein.
Meine Feder streikt schon wieder, sie ist wieder nicht gefüllt. Bitte schreibe mir vieles über die Wohnung.
Viele 1000 Busserln Dir und den Kindern.
Robert.
Weidlingau, 28.4.1935
Liebster!
Wieder ist ein Sonntag vorbei, sogar ein recht netter. Es war ja „Tag der Musik“. Ich hatte von Robert Karten gekauft für Fredy und mich, Großmama kaufte eine für Trude und Werner haben wir ohne Karte mitgenommen. Das Programm hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Erst sangen die Hauptschüler „Die Himmel rühmen“ und die „Hoffnung“ von Beethoven. Nachher spielte das Lehrerorchester das Largo von Händel und etwas von Bach. Alles wirklich erstklassig. Das Hadersdorfer Volkskonservatorium war auch vertreten und hat einiges zum Besten gegeben. Die Mädels führten Volkstänze aus u.s.f. So verlief der Nachmittag sehr zu meiner Zufriedenheit.
Olgas heutigen Besuch habe ich allerdings versäumt. Sie kam natürlich, um sich näher über die Wohnungssache zu unterrichten, von der ihr Richard schon erzählt hat. Mittwoch, als ich bei Frau Wenty war, um mein Mantelfutter abzuholen, war sie nicht zu Hause und weil’s noch nicht gar so spät war, fuhr ich zu Richard, um ihm von der Wohnung zu sagen. Richard brachte mir dann Donnerstag das Futter und fuhr von mir zu Olga. So hat sie es erfahren. Natürlich ist sie auch ein bissel weg, wegen der 80 S. (Brauchte sie eigentlich nicht zu sein, da sie selbst ja immer mit einem Betrag von 80 S gerechnet hat.) Ich ja auch, aber ich habe eingesehen, daß alles andere noch schlechter war. Und die Wohnung gefällt mir nun einmal über die Maßen gut. An Lage können wir in ganz Wien keine schönere finden, außer in Währing oder in Döbling, wo aber eine Zweizimmerwohnung durchschnittlich 150 bis 200 S kostet und man außerdem keine Kinder haben darf. Abgesehen davon, daß es dorthin ganz schön weit ist. Ich habe bereits auf dem Plan ausgemessen (mittels ganz dünner Papierstreifchen), wie weit Du bis zum Geschäft hast. Es sind genau 5 km, so weit wie von der Apostelgasse bis zur Mollardschule.
Also, Schatz, ich habe von Mutter das Anerbieten, daß sie mir noch 600 S borgt, zu den schon geborgten 170 S (Mantelstoff bestreite ich nämlich von dem Gehalt, wird also nachher von mir aus retourniert.). Ich möchte nun doch verschiedene Dinge besorgen, z. B. die Kosmoshefte binden lassen. Wenn möglich einen Bücherkasten anschaffen und vielleicht auch Lotterbetten. Für das zweite Zimmer brauchen wir Karnissen und Vorhänge, Farbe zum Anstreichen der Möbel, eine Kohlenkiste und was dergleichen Dinge mehr sind. Ich werde ja sehen, wie weit ich mit dem Geld reiche und zunächst immer nur das nächstnotwendige anschaffen (Kohlenkiste z. B. gehört ja erst im Herbst dazu). Dafür aber jetzt die Reparatur des Gasherdes, das hier Ab- und dort das Anmontieren. Dort haben wir einen Koksofen, der, von der Küche aus beheizt, beide Zimmer heizt. Wie er sich bewährt, muß man natürlich erst sehen. (Ich habe heute gesehen, daß das nicht ganz stimmt: Im vorderen Zimmer steht ein Kachelofen.)
Bin schon so neugierig auf das Maß der Räume. Übermorgen hole ich mir die Schlüssel. Artmanns habe ich gleich verständigt. Voran Frau Artmann, als ich sie sah, und als ich nachmittag mit Robert zusammenkam, fragte ich ihn, ob ich ihm eine gerichtliche Kündigung schicken soll. „Aber na, is scho erledigt“ war die Antwort, „aber b’such’n darf ma Ihna a amal, Sie hab’n uns zwar net eing’laden.“ Nun, ich bedeutete ihm, daß ich vorläufig noch nicht ausgezogen sei und die Einladung bestimmt nachholen werde.
Freitag und gestern habe ich an unserem Sofa gearbeitet. Es waren eine Menge Schnüre gerissen, Federn verschoben und auf einer Seite war es ganz abschüssig, so daß ich auflegen mußte. War gut, daß ich Werners alte Matratze habe. Ich habe den Kopf so voll von Verbesserungen aller Art, daß mir kaum noch Zeit bleibt, mich nach Dir zu sehnen. Und doch geschieht ja alles nur in dem Gedanken an Dich und dem Bestreben, es Dir so schön als möglich zu machen. Hoffentlich wird es mir doch einmal gelingen.
Für heute noch viele Busserl und übermorgen Fortsetzung. Ja, vor lauter Wohnung habe ich Dir nicht einmal geschrieben, wie viele Gäste ich Ostermontag hatte. Also: Olga, Bernhard, Prankl, Richard, Anna, Mutter und Hansi. Halt: Frau Wenty und Trude hätte ich bald vergessen. Sonntag waren nur Rudolf und Mitzi da, Samstag Willi. Mutter ist nun seit Montag dageblieben und Trude holte sich heute ihre Geburtstagstorte (Mutter blieb weiter).
29.4.1935
Mein einzig Lieb!
Herzinnigen Dank für Deinen so lieben Brief vom 20.d. M. Er kam zwar nicht Samstag sondern erst heute, was aber meine Freude in keiner Weise beeinträchtigte.
Wenty wird sich sicher auch sehr freuen, endlich Post von Dir zu bekommen. Na, jetzt wo Du so viel billiger lebst, kannst Du auch etwas mehr verschreiben, nicht?
Von Hitlers „Kampf“ hattest Du mir nicht geschrieben. Na, ich glaube, ein jedes Buch, das aus einer Überzeugung heraus geschrieben wurde, zu der Sorte gehört es doch wohl, ist gut und wird den Leser fesseln, selbst dann, wenn man dem Verfasser nicht immer ganz beipflichten kann.
Ich dachte nicht, daß Ihr so viele Wiener Monteure hinunterbekommt. Ich hörte früher ja nur von zwei oder drei.
Es freut mich sehr, daß Ihr mit den Herren von der Post in solch gutem Einvernehmen seid, so wird Euch auch die Sache leichter.
Wie hat sich Fritz und besonders Fini in Russe eingewöhnt? Diesmal scheint mir, als hättest Du ein bisserl Heimweh. Also wirklich gut, wenn Du die Heimat wenigstens im Film sehen kannst. Ich wollte auch schon drei Mal ins Kino gehen, aber es ist jedesmal beim Wollen geblieben.
Nun, Schatzerl, ich wünsche Euch von Herzen günstiges Wetter. Bei uns regnet es fast täglich und zwar nicht 5 Stunden, sondern 12 bis 24 Stunden, trotzdem’s bei uns keine Regenperiode gibt. Dabei muß man ständig noch heizen, denn Temperaturen von mehr als +10 Grad gehören zu den Absurditäten. Wenn ich nicht die Aussicht auf ein vernünftiges Logis hätte, wäre es zum Verzweifeln. Im Zimmer regnet es jetzt an zwei Stellen, auch über der Bank. Ameisen gibt’s an allen Enden und seit gestern haben wir auch wieder Mäuse.
Im Garten ist’s ja jetzt recht schön. Es beginnt zu blühen. Pfirsichbäume blühen schon seit 8 Tagen, doch Kirschen erst jetzt und Äpfel noch immer nicht.
Robert, ich freu mich schon so auf morgen. Da hole ich mir die Schlüssel unseres neuen Heims. Vielleicht scheint es mir nur so und die Sache mit der Waschküche ist bestimmt ein Haken, aber ich glaube, so gut kann es mir gar nirgends mehr gefallen. Dein heutiger Brief hat mich auch noch im Geldpunkt etwas beruhigt. Wenn Du meinst „65 S ist ja gar nicht so viel“, dann scheinen Dir am Ende die 80 S auch nicht so furchtbar wie mir und damit bin ich bereits getröstet.
Über Trude und Hansi werd’ ich mich ein andermal mit Dir unterhalten. Nur, daß Hansi ähnlich schreibt wie ich, ist logisch. Ist sie mir doch überhaupt sehr ähnlich.
So, nun muß ich aber Platz lassen für morgen. Gute Nacht, mein Liebes, und sei recht innig und heiß geküßt von Deinem Weib.
Danke Dir noch vielmals für das Bild von den Kindern, obzwar ich in nächster Zeit kaum dazukommen werde, an Festus zu schreiben.
[up] [CV] [Holydays] [1920] [1921] [1923] [1925] [1926] [1928] [1929] [1930] [1931] [1932] [1934] [1935] [1936] [1937] [1938] [1939] [1940] [1941] [1942]