Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Russe, 15.1.1938

Mein Liebes!

Bin nun wieder einmal in Russe und zwar habe ich mich diesmal im Hotel Tetewen einquartiert, weil es mir bei Ckenderobas doch nicht ganz paßt, seitdem diese das Zimmer, das ich immer hatte, vermieteten. Schon das vorige Mal machten sie mir Mervas Zimmerchen frei, das aber mit dem Waschen nicht ganz bequem ist, also mietete ich mich hier ein. Ich bin aber so beschäftigt, daß ich außer Horky und dem Sofioter Monteur bis heute noch niemand sah. Vielleicht morgen gehe ich zu Marinoffs.

Die Fahrt nach Sofia war diesmal ganz annehmbar. Schon durch die Verspätung von Wien aus dauerte sie um 40 Minuten weniger wie normal, weil wir in Sofia ohne Verspätung zeitgerecht einlangten.

In Budapest traf ich, wie vereinbart, Herrn Nyman mit Frau, wodurch der Nachmittag recht gut verstrich. Wir jausneten und aßen Nachtmahl im Speisewagen, während es noch in Ungarn in Strömen goß. Auch bei der Nachtfahrt hatte ich eine angenehme Gesellschaft, einen Reichsdeutschen und so verging die Fahrt zu zweien bis Sofia gut.

In Sofia war es beinahe die ganze Zeit sehr kalt, 20 bis 25 Grad Kälte, aber ich brachte scheinbar das Tauwetter mit, am Tag der Ankunft hatte es +1, am nächsten Tag +4 Grad. Im Justizpalais, besonders aber in der Nationalbank war es noch immer 6-8 Grad kalt, so daß einem die vom Regen nassen Kleider drinnen vor Kälte steif wurden. Auf den Straßen ist es fürchterlich naß und es wird wohl noch eine lange Zeit dauern, bis der Schnee von der Sonne aufgezehrt ist, denn so eine Schneesäuberung wie bei uns kennt man hier nicht.

In Russe darf man den Schnee nicht einmal von der Straße wegräumen, da hier alles per Schlitten geht (auch die Kutschen) und die Bauern im anderen Falle gar nicht in die Stadt reinkönnten.

Eben als ich nach Russe kam, feierten die Bulgaren den Alten Jahrestag (Sylvester). Herr Horky und ich wurden von dem jungverheirateten Monteur eingeladen. An diesem Abend wird hier allgemein ein Hahn gegessen und es muß alles, was gespeist wird, auf einmal zugleich am Tisch stehen. Es gab: Wurst mit Mayonnaise, gebratenen Hahn mit Gurken, Paprika, gedünstetes Kraut, Schafkäse, einen großen Kuchen und verschiedene Zuckerbäckereien. In dem Kuchen sind mancherlei Sachen eingebacken. Geldstücke, Zettel und Bänder mit darauf Geschriebenem, z. B. Gesundheit, Reichtum, Glück u.dgl. Das was man in seinem Stück hat, geht in dem kommenden Jahr in Erfüllung. Das Brot, das bei diesem Mahle gegessen wird, darf nicht geschnitten werden nur gebrochen. Der Hausherr und der Gast bricht zunächst den Laib auseinander, dann wird jede Hälfte von den übrigen Anwesenden, aber immer von zwei zugleich, gebrochen, bis für jeden ein Stück da ist.

Bei Radio und angenehmer Unterhaltung verging der Abend bis Mitternacht. Um 12 Uhr wurde das „Neue Jahr“ begrüßt, um 1 Uhr lag ich schon im Bett.

Im Amt Russe habe ich eine sehr unangenehme Sache, die mich als Montageleiter zwar nicht betrifft, weil es eine reine Fabrikationsangelegenheit ist, doch für die Firma recht unangenehm werden kann, wenn sich die Verwaltung auf die gänzliche Behebung des Mangels versteift. Ich möchte aber nicht, daß jemand aus unserem Büro vor Einlangen meiner Meldung schon davon spricht, daher - - -

Ich glaube, der Posten unten auf der Straße hat eben 8 Uhr gepfiffen, ich werde also zu Markoff gehen.

Gestern abend sah ich einen in punkto Regie sehr guten Sowjetfilm mit schönen Naturaufnahmen aus einer Wüste.

Mein Lieb, ich möchte Dich hier haben! Viele, viele Busserln

Robert

Wien, 16.1.1938

Mein süßes Lieb!

Heute vor 8 Tagen warst Du noch bei uns! Fast scheint’s mir, es sei ein Traum gewesen.

Ereignet hat sich ja nicht viel innerhalb der 8 Tage, doch scheint mir die Zeit, wo ich Dich hatte, schon wieder so sehr fern.

Gestern hab’ ich das Gradl gekauft, trotzdem ich das Geld vom Geschäft immer noch nicht habe. Vielleicht werde ich Fritz morgen anrufen. Er hat mir gestern 25.60 S geschickt, wofür weiß ich auch nicht. Sind wahrscheinlich eingelöste Speisemarken.

Na, meine Zähne hab ich ja noch nicht, aber jedenfalls wär’s an der Zeit, daß das Geld käme.

Fredy hat wieder einen Einser auf die Rechenschularbeit. Allerdings mit der Randbemerkung: „Du wärst ein sehr guter Rechner, hast aber gar kein Pflichtbewußtsein.“ Was sich wohl auf die Form bezieht.

Von Donnerstag abends bis Samstag mittag hatten wir wieder einen Plastron-Rummel. Wir haben 52 Stück genäht. Hansi hat mir geholfen.

Heute war ich mit Trude im Kino, in „Serenade“. Hat mir ganz gut gefallen.

Hast Du am Donnerstag die beiden Einakter von Kranewitter gehört? Waren sehr gut, aber ein wenig gruselig.

Werner war heute bei Stenzels im Kasperltheater. Die beiden Großen sind zu Hirschmanns gegangen. Walter liegt wieder mit Mittelohrentzündung. Gerade jetzt in der Prüfungszeit noch dazu. Wir können wirklich froh sein, daß sich die Sache bei Robert nie wiederholt hat.

Gestern traf ich Richard auf der Straße und er bereitete mich vor, daß mir Anna den „Fuchs“ zurückbringen will. Na, ich werde ihn nicht nehmen. Wenn sie ihn nicht will, soll sie ihn verkaufen.

Das Wetter ist jetzt ziemlich warm, 6 - 12 Grad, aber sehr veränderlich. Wahrscheinlich à conto dessen habe ich seit Montag abends so starke Schmerzen im linken Fuß (zieht sich noch ein wenig über den Bauch), so daß ich sehr schlecht gehen und mich gar nicht bücken kann. Meist lasse ich mir von den Kindern sie Schuhe an- und ausziehen. Das ist nämlich die ärgste Qual. Nun liege ich nachts mit drei Wolldecken, so daß ich mich kaum rühren kann. Lasse ich aber eine weg, ist’s noch ärger. Na, einmal muß ja auch das ein Ende haben. Ich bin nur in einer Weise froh, daß Du nicht da bist.

Aber nun genug für heute, Schatzerl. Soll ich Dir von meiner Sehnsucht schreiben oder weißt Du Bescheid?

Ja, mein Lieb, vielen Dank für Deine liebe Karte. Diesmal warst Du brav. Dafür kriegst auch recht recht viele Busserl.

Gute Nacht!

18.1., abends.

Nun ist auch der Waschtag vorbei. Hansi hat mir ein bisserl geholfen, da heute wieder keine Arbeit ist. War mir sehr angenehm, da mein Bein doch nicht besser werden will.

Fritz hab ich heute morgens angerufen. Er sagt, er wußte nicht, daß ich das Geld brauche. Nun wird er „denen a bißl auf die Füaß treten“.

Vormittag waren Frau Wenty und Olga da. Lassen Dich beide natürlich grüßen.

An Plenks schrieb ich schon, doch alle andere Post harrt noch der Erledigung.

Viel, viel tausend Busserl! In heißer Liebe,

Deine Gretel

Wien, 23.1.1938

Mein Liebstes!

Vielen Dank für Deinen lieben und diesmal so bald geschriebenen Brief. Er hat mir zwar Sorgen gebracht - weißt, ich denke immer, wenn Du auch für den Fehler in Russe nichts kannst, so schiebt man Dir doch vielleicht einen Teil der Schuld in die Schuhe. Der Überbringer einer Hiobsbotschaft ist ja nirgends gern gesehen. Na, hoffentlich bin ich wieder einmal mehr Pessimist als notwendig.

Deine ausführliche Beschreibung des bulg. Silvesters hat uns sehr interessiert. Nur eines haben wir vermißt: „Was ist denn in Deinem Kuchenstück gestanden?“

Daß Du so in Quatsch und Nässe herumlaufen mußt, ist gar nicht schön. Bei uns ist schon lange alles trocken, der Regen, der gleich zu Beginn des Tauwetters einsetzte, hat die letzten Schneereste abgewaschen.

Mein Bein ist sehr rasch gut geworden. Auf einmal war vorgestern der Schmerz, so wie er angeflogen kam, wieder weggeblasen.

Wentys sind eben weggegangen. Lassen Dich natürlich herzlich grüßen. Wenty wird Dir einmal schreiben. Auch Schw. Panek bat um Deine Adresse.

Meine Zähne bekam ich gestern. Sie sind sehr schön, Robert hat gleich heute eine Aufnahme gemacht. Wann Du’s bekommst, weiß ich ja allerdings nicht, denn es ist erst das zweite Bild.

Freitag bekam ich endlich die Abrechnung. 353 S. Es waren bei der Verrechnung Unstimmigkeiten, die machen wohl die 100 S weniger, als Du mir sagtest. Nun habe ich davon die Zähne bezahlt, 217.60 S. Das Geld, das ich für mitgebrachte Sachen nach Sofia und Gudis Baukasten auslegte, 46.70 S und Roberts Hemdenstoff 15.30 S. Es bleiben also nur 73.40 für die Sparkassa. Der Gesamtstand wird sich dann auf ca. 610 S belaufen.

Nun sind ja die verschiedenen größeren Ausgaben vorbei, also kann das Sparen in größerem Umfang beginnen. Von meinem Verdienst von den vergang’nen zwei Wochen hab’ ich mir einen Vorhangstoff gekauft. Nächste Woche kommen dann die Fransen dazu dran. Also bitte nicht schimpfen. Der Rummel wird ja so lange nicht dauern. Ein paar Wochen geht es schon. Wenn ich viel Arbeit habe, gebe ich die Wäsche weg, was mir im Winter sehr angenehm ist.

Robert hat heute zum ersten Mal das graue Hemd an, das Du ihm schenktest. Steht ihm sehr gut.

Neuigkeiten der Woche: Fanni Brodil bekommt im Frühjahr ein Baby. - Heinrich will sich scheiden lassen. Er ist wieder postenlos und trinkt neuerlich. Auch ein böses Kapitel.

Bernhard brachte gestern die bestellten Tarockkarten, kosten 2.80 S.

Nun, Schatzerl, grüße Marinoffs von mir wieder, wenn Du mal wieder nach Russe kommst. Dich möchte ich gerne da haben. Aber 14 Tage sind ja schon wieder vergangen. Aber 14 Tage sind ja schon wieder vergangen. Noch 6 mal so viel und Du bist wieder da! Du, mein Liebes! Dann werde ich wieder ganz glücklich sein. Müßten wir einander nicht entbehren, könnte man das Glück des Besitzes weniger empfinden! So müssen wir eigentlich noch froh sein. Hm, auch ein Trost!

Nun, Liebling, umarme und küsse ich Dich recht heiß.

Deine Gretel

Sofia, den 28.1.38

Mein Liebes!

Diesmal war ich nicht so brav, Du hast ja lange warten müssen. Ich wollte Dir einige Tage schon eine Karte senden, dann dachte ich wieder, ich werde Dir doch einen Brief schreiben und damit vergingen die Tage.

Vor 8 Tagen bin ich von Russe nach Sofia gekommen, natürlich sammelte sich eine Unmasse an, aber jetzt bin ich wieder im Laufenden. In der Nationalbank wird tüchtig gearbeitet, es wird auch schon geheizt und hat besonders in den oberen Stockwerken geradezu ein tropisches Klima. Im Justizpalast wurde die Arbeit schon vor zwei Wochen eingestellt, weil es zu kalt war. Jetzt wird zwar geheizt, doch müssen die dort arbeitenden Unternehmer die Heizung selbst zahlen, da wir aber mit unserer Arbeit Zeit haben, so können wir dort schon bis März warten.

Übrigens ist es auch heute schon warm draußen, so daß ich jetzt zu Mittag nach Hause ging, um mir meinen Hubertusmantel zu holen.

Sonntag war ich nachmittags bei einem Bulgaren eingeladen, der eine Berlinerin zur Frau und ein Mädel von 10 Jahren hat. Ich verbrachte dort ganz schöne Stunden, abends war ich im Kino, „An anderen Ufern“. Das Lied, das die Kinder über die Feiertage sangen, hat mich aber sehr sehnsüchtig traurig gestimmt. Auch sonst habe ich manchmal das Gefühl, ich müßte Dich da haben. Es wäre schön, wenn man den Sonnenschein, der schon einige Tage hier ist, ins Innere verpflanzen könnte.

In meinem Kuchenstück am bulgarischen Sylvester war „Gesundheit“, auch nicht zu unterschätzen.

Nun Lieb, daß Dein Fuß nun doch so bald gesund wurde, beruhigt mich, ich machte mir schon Sorgen, daß es eine länger währende Sache wird.

Freue mich natürlich schon auf Wentys und Paneks Brief. Und noch viel, viel mehr auf das Bild von Dir. Robert soll mir schnell auch die übrigen Aufnahmen machen.

Auch über Fredys Einser habe ich Freude und über Deine schönen Zähne. Dein letzter Brief hatte überhaupt nur Freudiges zum Inhalt, das ist recht und ich kann es brauchen.

Morgen bin ich bei Nikoloffs (von Russe) zu Mittag geladen und bin schon sehr neugierig, wie das Kleine aussieht. Werde wieder Aufnahmen machen.

Das Papier ist diesmal nicht schön, doch fürchte ich, wenn ich warte, so wird aus dem Schreiben wieder nichts. Mein Liebling, ich habe eine solche Sehnsucht nach Dir! Ja, in drei Monaten sind wir ja wieder beisammen, aber das ist doch eine recht lange Zeit.

Innigst küßt Dich und die Kinder

Robert

Wien, 1.2.1938

Mein Liebstes!

Vielen, vielen Dank für Deinen lieben Brief. Er war ja ziemlich jämmerlich, aber wohl noch unter dem Einfluß des Zarah-Leander-Liedes. Kind, mir geht’s doch ebenso, wenn ich das Lied höre und doch hör’ ich’s gerne.

Lieb, auch die Sehnsucht ist etwas Schönes; wenn man weiß, sie wird einmal wieder gestillt, ganz besonders. Und aus den drei Monaten sind schon nur mehr 10 Wochen geworden. Dann, mein Schatz, können wir einander wieder lieben und küssen nach Herzenslust! Du Liebes, Du!

Kind, Du hast ja auch viel Arbeit, die Dir gewiß über manche schwere Stunde hinweghilft. Ich weiß ja, wie’s bei mir ist. Ich bin recht froh, daß bei Schwarz gerade Hochdruck ist, so komme ich leichter über das Alleinsein hinweg. Freilich, bei mir dauert die Arbeit vom frühen Morgen bis zum Schlafengehen, während Dir immer noch ein paar Stunden zum Spintisieren bleiben. Na, Kopf hoch, mein Lieb, ’s nimmt alles einmal ein Ende.

Von uns gibt es diesmal, glaube ich, gar nichts! Die Vorhangfransen hab’ ich natürlich schon.

Gestern waren Richard und Anna da. Annerl hat mir gleich Kragerl umdrehen geholfen, geschickt und flink und derart eifrig, daß sie am liebsten gar nicht nach Hause gegangen wäre. Ich würde ihr die Arbeit ja sehr gerne lernen, aber sie ist ja so ein Tschapperl und traut sich gar nichts zu. Ob Schwarz sie beschäftigen würde, weiß ich ja allerdings auch nicht, denn er will die Leute in der Nähe wohnend. Aber vielleicht ginge es doch.

2.2., morgens

Will nun schnell den Brief fertig machen. Eben war Frau Wenty da, uns zu einem Unterhaltungsabend einzuladen; hat sich natürlich in die Länge gezogen. So ist’s 10 Uhr geworden.

Gestern früh war Olga da. Du siehst, man verläßt mich nicht. Manchmal werden mir die Besucher wieder zu viele, trotzdem mir, wie Rosegger auch an einer Stelle schreibt, der einzelne lieb und wert ist.

Robert wird heute wahrscheinlich in Chemie geprüft. Es ist der letzte Prüfungstag vor Semesterschluß. Hoffentlich geht die Sache gut. Wir kommen ja beide nicht aus der Aufregung heraus.

Ja, Liebstes, mit den Aufnahmen ist es jetzt schlecht. Wir haben so garstiges, regnerisches Nebelwetter, daß es schade wäre um die Platten. Es ist auch alles verschnupft bei uns. Ich dachte anfangs der Vorwoche schon, ich werde mich niederlegen müssen, doch ist alles noch glimpflich abgelaufen.

Am 16. ist ein Tanzfest in der Seidengasse und am 19. Kinderkostümfest. Fredy probiert schon, was er anziehen wird und Robert wünscht sich seinen Anzug geputzt. Wenn die Arbeit so weitergeht, gehe ich natürlich nicht zum Fest, obzwar die Buben seckieren.

Nun, Schatzerl, lebe wohl, kränk’ Dich nicht zu viel und schaue Dir keine Filme an, die Dich noch sehnsüchtiger machen. Und doch - ich sehn’ mich, ich sehn’ mich nach Dir!

In inniger Liebe küßt Dich

Deine Gretel

Sofia, den 6.2.38

Mein Süßes!

Deine Briefe sind mir hier das Liebste, was es da für mich gibt. Sei mir nicht böse, wenn mein letzter etwa jämmerlich war, er hat so recht meinem Zustand von damals Ausdruck gegeben. Aber jetzt hat sich meine Verfassung schon gebessert. Herr und Frau Nyman sind hier, das gibt schon mehr Unterhaltung und Zerstreuung. Aber Deinen Rat, mir keine sehnsüchtigen Filme anzuschauen, kann ich wohl nicht befolgen, denn da könnte ich überhaupt nicht ins Kino gehen. In jeden Film kommt doch ein bißchen oder auch viel Sehnsucht vor. Und wenn dies nicht, so tut’s eben die Musik. Ich habe in letzter Zeit „Serenade“ und „Fledermaus“ gesehen und heute sehen wir uns wahrscheinlich „Gasparone“ an. Trotzdem ich ja die Fledermaus schon gut kenne, gefiel mir der Film sehr. Hast Du ihn gesehen? Er läuft hier schon die 5. Woche, ein ganz besonderer Erfolg.

Ich bin schon neugierig, wie es Robert mit der Chemieprüfung ging. Ich fürchte nur, daß Du erst diesen Brief abwartest, bevor Du schreibst. Ich sende ihn per Luftpost, dann ist er schon morgen abend bei Dir. Könnt ich doch mit ihm fliegen!

Heute ist hier die Einschaltung eines Amtes, das Berlin baute. Auch habe ich heute Herrn Müller kennengelernt, welcher wegen Russe von Berlin kam. Dienstag abends fahren wir dorthin und es wird sich entscheiden, ob größere Arbeiten dort gemacht werden. So lieb mir früher Russe war, so nebelhaft ist es mir jetzt und dabei ist von montagetechnischer Seite alles einwandfrei. Da ich ja nicht in Wien bin, weiß ich nicht, was man dort davon spricht. Na, auch das wird einmal vorbei gehen. Es sollen diese Zeilen nicht auch jammervoll werden.

Mittags treffe ich mit Nymans zusammen, nachmittags geht es wahrscheinlich ein wenig nach hinaus. Vor zwei Tagen hatten wir wieder, nach langer Zeit, „gedraht“, bis 2 Uhr, das bin ich gar nicht mehr gewohnt. Es ist ja auch nicht so sehr notwendig.

Du arbeitest also wieder fleißig!!! Na, Du mußt es ja machen, sonst wird die Sehnsucht bei Dir zu groß - auch ein guter Grund. Na, ich kann Dich ja nicht fernlenken und bitte Dich nur, daß Du Dich dabei schonst und auch daran denkst, daß wir beide ja doch noch einige Jahre vor uns haben, die wir miteinander gesund und in beiderseitigem Verstehen verbringen wollen. Das Alleinsein dieser Jahre soll ja doch später unser Zusammenleben schöner machen und nicht vielleicht die Ursache sein, unser beiderseitiges Verstehen in verschiedene Richtungen abzulenken.

Heute mein lieber Schatz mache ich Schluß. Hast Du von Lina Antwort bekommen? Mein Lieb, ich küsse Dich heiß und sehnsüchtig. Auch an die Kinder viele Küsse.

Robert

Wien, 9.2.1938

Du mein Liebstes!

Habe Deinen lieben Flugpostbrief nicht wie Du dachtest, Montag, sondern erst gestern abends bekommen. Und da ich gestern furchtbare Kopfschmerzen hatte, antworte ich Dir erst jetzt vormittags.

Also zuerst: Roberts Prüfung war auf ein Gut. Ins Zeugnis weiß man natürlich nicht was kommt, ist ja das erste Quartal auch zu rechnen. (Mir scheint, dieser Satz ist ein wenig unkorrekt.)

Na, ’s ist gut, daß die Prüfungen vorbei sind, denn derzeit geht’s ein bisserl wirbelig bei uns zu.

Montag mittags schickte Br. Waculik zu mir, ich möchte zu ihm kommen, seine Frau ist schwer krank. Ich war dann dort und bin mit dem Rettungsauto mit ihr hinausgefahren ins Wilhelminenspital. Es ist dasselbe bei ihr wie vor zwei Jahren, ein spontaner Abortus im dritten Monat der Schwangerschaft. Und die Frau hätte so gern ein zweites Kind.

Nun habe ich Toni bei mir. Er ist ein recht lieber Kerl, doch riesig lebhaft und plaudert ununterbrochen. Doch hat er anstandslos eingeschlafen, selbst am ersten Tag. Gut ist’s nur, daß ich jetzt wieder weniger Geschäftsarbeit habe.

Ja übrigens, Schatz, Dein Brief klingt so, als würdest Du an unserem beiderseitigen Verstehen zweifeln. Kind, ich glaube nicht mehr, daß sich noch etwas trennend zwischen uns stellen kann. Wir haben einander doch so unendlich lieb! Fühlst Du’s denn nicht? Wenn ich jetzt in die Sonntagsschule gehe, oder auch arbeite, so ist das doch ganz belanglos. Wenn Du wieder da sein wirst, bleibe ich zu Hause und werde nicht so viel arbeiten, daß Du etwas davon spürst.

Gut war die Arbeit jetzt doch. Nun habe ich auch die Seitenteile für das Bett im Zimmer bestellt. Sie kosten 40 S und kommen morgen. 20 S habe ich angezahlt und die restlichen 20 S habe ich gerade bis morgen zu erwarten. So ist denn dann alles, was ich in der Wohnung wollte, in Ordnung. Und was mich am meisten freut, ich konnte es selbst schaffen. Fredy möchte ich so ein Jankerl kaufen wie Robert hat. Aber, wenigstens vorläufig, vom Kassageld.

Freitag sind die Zeugnisse zu erwarten und die Bubenanzüge sind beim Putzen.

Freue mich, Liebling, daß Du nun wieder Gesellschaft hast, die Dir zusagt. Mit den Kinostücken hast Du wohl recht, d’rum sehe ich mir lieber gar nichts an; abgesehen davon, ist mir um das Geld leid. Und an anderweitiger Zerstreuung fehlt’s mir ja nicht.

Die Nacht von Samstag auf Sonntag waren Fritz und Fini bei uns. Es war das Jubiläum eines Herrn aus dem Lager. Was man in Wien über die Sache Russe spricht, weiß ich nicht, denn eingedenk Deiner Warnung sprach ich auch mit Fritz nicht darüber. Aber, Schatzerl, wie sehr ich mit Dir eins bin, fühle ich gerade in der Sache wieder! Sie ist mir etwas durchaus persönlich Unangenehmes.

Toni sagt mir eben, ich soll Dir schreiben, daß Du heute schon kommen sollst. Schön wär’s, mein Lieb! Von Lina hab’ ich noch keine Antwort.

Liebstes, wenn Du mir etwas vorjammern willst, tue es getrost. Ich bin doch dazu da, um Dein Leid und alles Unangenehme mit Dir zu tragen!

Nach Erhalt der Zeugnisse schreibe ich Dir gleich eine Karte. Jetzt gehe ich kochen und dann fahre ich ins Spital.

Bei Karl Hirschmann wird’s wieder etwas Kleines geben.

Mein Lieb, sei heiß und innig geküßt!

In tiefer Liebe,

Dein Weib.

Wien, 17.2.1938

Mein Lieb!

Da hast also in dieser Woche so viel zu tun, daß Du gar nicht viel schreiben kannst. Na, hoffentlich ist die Abnahme glimpflich verlaufen.

Horky war vorgestern bei mir und hat mir eine Stunde von der Misere erzählt. Er ist sehr begierig zu erfahren, wie die Sache weiterging, kann aber nirgends etwas erfahren. Ich sagte ihm, wenn er im Geschäft nichts erfährt, soll er nächste Woche mal wieder zu mir kommen, dann werde ich vielleicht mehr wissen.

Horky gab mir 33 S, damit wird sich unser Konto auf ca. 650 S belaufen. Immerhin ein kleiner Hinterhalt.

Schw. Wazulik hab’ ich Montag wieder aus dem Spital geholt, doch ist sie noch sehr schwach. Toni behalte ich noch bei mir; vermutlich bis Samstag abends.

Der kleine Kerl will überhaupt nicht mehr heimgehen. Wenn ich nur sage, wir werden die Mutter besuchen, sagt er gleich: „Lieber nicht, sonst sagt sie gleich wieder, ich soll dort bleiben. Mir g’fällt’s bei Dir viel besser.“ Der Bub ist mir auch in den paar Tagen recht ans Herz gewachsen. Doch weiß ich jetzt umso mehr, daß ich kein Kleinkind mehr möchte. Es gibt zuviel Unruhe im Haus. Dazu braucht man sehr gesunde Nerven. Oder muß mindestens die Jugend den Mangel ausgleichen. Auf Dein Kommen zu Ostern wartet jetzt jedenfalls ein Mensch mehr, der Toni. Wie oft mußte ich schon die Frage beantworten: „Hat er dort auch eine Wohnung?“ oder „Warum kommt er nicht gleich?“

Gestern war ich doch mit den beiden Großen beim Tanzfest, d.h. ich ging ihnen um 10 Uhr nach. Die beiden Kleinen schliefen natürlich schon, doch hatte ich Werner gesagt, daß ich weggehe. Wenn die Buben nicht so sekiert hätten, wär’ ich wohl lieber ins Bett gegangen. Und jetzt geh’ ich auch. Also, gute Nacht, mein Lieb! Wenn ich nur wieder mal von Dir träumen könnte!

18., morgens

Guten Morgen, mein Schatz! Nun fühle ich mich wieder wohler. Gestern hatte ich gar nichts von Schwarz, so habe ich gleich gewaschen, dadurch und durch die vorhergegangene „Drahrerei“ war ich so müde, daß mir gestern um 9 Uhr schon bei Tisch die Augen zufielen.

Nun, wie bist Du denn mit den Zeugnissen der Kinder zufrieden? Das Fredys könnte wohl erheblich besser sein. Angst hat mir beim Sprechtag gesagt, er ist so intelligent, daß er auf lauter „sehr gut“ stehen könnte; er hat ihm aber à conto der schlampigen Schrift in Rechnen schon 3 geben wollen, hat aber nun doch auf 2 reduziert. Dem Können nach verdient er 1.

Na, hoffentlich kommt der Bub bald zur Vernunft, nicht erst mit 15 Jahren, wie Richard von sich sagt.

Robert kann sich mit ein wenig Mühe wohl auch seine zwei Genügend ausbessern.

Wie man aus Werners Zeugnis sieht, wird neuerdings in Schreiben strenger klassifiziert; gut für die Zukunft.

Nun, Liebstes, leb’ wohl! Ich hoffe nur, es ist die Russener Geschichte zur Zufriedenheit geregelt. Ich muß doch immer daran denken und möchte Dir so gerne helfen, wenn ich könnte! Du mein Liebes!

Gebe den Brief per Flugpost auf, damit Du ihn morgen hast. All meine Liebe und Sehnsucht nach Dir begleiten ihn.

Mit vielen tausend Busserln, die ich Dir leider erst in 2 Monaten geben kann,

Deine Gretel

Sofia, den 20.2.38

Mein Liebes, Süßes!

Ein winterlicher, sonniger Sonntag ist heute, mit ein wenig Schnee in den gegenüberliegenden Gärten und Dächern und schön-blauem Himmel. Auch in mir ist es sonniger. Das Amt Russe ist nun von der Kommission übernommen, diese Misere ist vorbei. Ja, mein Schatz, wenn Du in der letzten Zeit hiergewesen wärest, dann wäre wohl manches leichter geworden und wahrscheinlich hätte ich die Geschichte nicht gar so tragisch genommen. Es ist wirklich nicht gut, daß der Mensch allein sei. Was sich um Russe noch für private Angelegenheiten drehten, das erzähle ich Dir noch mündlich. Jedenfalls habe auch ich aus dieser Sache Manches gelernt, vielleicht eine Lichtseite. Nun ist’s vorbei und Schluß!

Als ich in Sofia vorgestern ankam, war schon ein Brief und die Karte hier und gestern abends fand ich noch überdies den Luftpostbrief. Du hast mich diesmal sehr reichlich bedacht, aber nun will ich auch gleich antworten und versuchen, ob Du diesen Brief morgens abends per Flugpost bekommst. Warum mein voriger so lange brauchte, ist mir schleierhaft.

Nun, der Wirbel mit Wazuliks wird Dir wohl viel Arbeit gebracht haben, aber doch wieder eine Abwechslung und auch die Beruhigung, Gutes getan zu haben. Daß Du und Toni Euch lieb gewonnen habt, kann ich mir vorstellen. Wie alt ist er denn?

Auch war recht, daß Du auf das Fest gingst, schon der Kinder wegen, die ja dort nicht allein waren. Du schreibst aber nicht, wie Du Dich unterhalten hast. Gingen die Kinder im Kostüm? Wie lange dauerte es?

Lieb, ich glaube ja auch nicht, daß wir noch auseinanderkommen, ich fürchte nur, daß Du, wenn ich wieder ständig bei Dir bin, meine Anwesenheit als eine Art Zwang spüren wirst, weil Du eben dann das oder das nicht machst. Bei den jetzigen Verhältnissen ist es ja gut, daß Du eine große Selbständigkeit besitzt - aber wir wollen uns durch Grillen das Schwere nicht noch schwerer machen. Schließlich haben wir uns ja noch so sehr lieb, ich fühlte dies so recht im Vorjahr.

Nun, die Zeugnisse der Großen gehen ja noch so an. Freilich, wenn man dazu das Urteil der Lehrer hört, dann denkt man sich, warum haben gerade unsere Kinder nicht den Fleiß, daß sie mehr als Mittelmäßiges leisten und auch dann im Leben eine bessere Zukunft haben. Wenn bei Robert bei der Wiederholung noch 2 Genügend sind, wie wird es dann im nächsten Jahr aussehen? Aber ich habe es ja schon aufgegeben, mich über dieses Kapitel besonders aufzuregen, obwohl ich uns da einen gewissen Vorwurf machen muß.

Nun heißt es noch vormittags zwei Stunden im Büro arbeiten, da ich durch die Angelegenheit Russe mit meinen Arbeiten ziemlich im Verzuge bin.

Lieb, ich küsse Dich vieltausendmal.

Robert

20.2.38

Mein Lieb!

Es ist Sonntag Nachmittag, ich bin allein zu Hause, das heißt, ich bekam Besuch von einem kleinen 6jährigen Jungen, der die Kinderstunde im Radio hört. Es ist der Sohn der deutschsprechenden Frau, die wieder eine Verwandte meiner Hausfrau ist. Vorher saß ich drei Stunden beim Radio und hörte mir Hitlers Rede an. Aber mit vielen

Störungen von den russischen Sendern, die jede Welle mit einer Störwelle belegten. Und wie es immer ist, das für mich Interessanteste über Österreich hörte ich nur bruchstückweise. Nun, übermorgen kommen dann schon die Zeitungen. Die Vorgänge in der letzten Woche kamen ja überraschend und Stör wird wohl eine Freude darüber haben. Ihr hörtet wohl auch die Rede?!

Der Kleine möchte am liebsten in den Apparat hineinschlüpfen, es sind doch alle Kinder gleich.

Gestern begleitete ich einen Berliner Herrn zum Express und hatte da Gelegenheit, den Zaren und die Zarin fein zu sehen. Sie fuhr nach Italien und der Zar begleitete sie zur Bahn. Das geht hier alles so einfach und schlicht, daß man gar nicht glaubt, es handelt sich um ein Königspaar. Weder Polizei noch andere Sicherung, jeder konnte hingehen, der Zar gab jedem Bahnbeamten die Hand, unterhielt sich mit ihm, wie ein anderer Sterblicher. Die Zarin machte übrigens einen sehr mädchenhaften Eindruck, trotzdem sie schon ein sechsjähriges Mädchen hat.

Die Karte mit unserem Haus freut mich sehr, ich habe sie vor mir liegen, schade, daß Du nicht gerade beim offenen Fenster herausschaust.

Möchte heute vielleicht in „La Habanera“ mit Zarah Leander gehen, um 7 Uhr, wenn ich noch Karten bekomme. Der Film soll sehr schön sein.

Nymans sind schon am Dienstag weggefahren. Leider, allein freut es mich ja doch nicht wohin zu gehen, das heißt, in eine Restauration wo etwas los ist. So bin ich meistens abends daheim und gelte schon bald als Mitglied der Familie. Die Frau hatte schon sehr große Angst um mich, als ich von Russe so lange nicht zurückkam. Sie glaubte, ich wäre krank und telefonierte schon zur Firma. Ich glaube, da bist Du ruhiger.

Nun Lieb, leb wohl, viele Busserln

Robert.

Wien, 23.2.1938

Liebstes!

Nun sind die Kinder glücklich alle auf dem Schulweg und ich will Dir schnell Deinen vorgestern abends eingelangten Brief beantworten.

Daß Russe nun doch übernommen ist, ist mir direkt eine Erleichterung. Nach Horkys Besuch war mir ja noch schwerer ums Herz als zuvor. Na, hoffentlich bringt Dir die Sache nicht doch noch geschäftlichen Schaden.

Allerdings wird’s vielleicht im allgemeinen mit der Wiener Firma aufwärts gehen, wenn sich die politischen Verhältnisse in dem derzeitigen Kurs weiterentwickeln. Umgekehrt stockt momentan der Geschäftsverkehr in Wien. Auch bei Schwarz ist ziemlich Ruhe nach dem Sturm eingetreten, so daß ich derzeit nicht aushelfen brauche. Ich glaube, auch Hansi hat nichts zu tun.

Hitlers Rede hörten wir nur zum Teil. Als um 3 Uhr die Statistik kein Ende nehmen wollte, gingen auch Robert und ich zu Wentys. Die beiden Kleineren waren schon früher gegangen. Bei Wentys hörten wir dann den Abschluß der Rede, eben jenen Teil über Deutsch-Österreich, wie wir nun wieder heißen. Frau Wenty ist natürlich riesig aufgebracht. Stör wird sich wahrscheinlich ebenso freuen. (Ich sah ihn noch nicht.) Schatz, ich glaube, ich bin in den letzten Jahren uralt geworden. All der „Sturm und Drang“ berührt mich gar nicht. Ich kann vollständig objektiv urteilen, ohne mich für oder wider die Sache besonders zu erregen.

Wentys fürchten ja allerdings, daß im Moment des tatsächlichen Anschlusses Wenty postenlos wird. Das mag wohl für die Erregung mit ausschlaggebend sein. Na, warten wir ab. Nur die Ruhe kann es machen.

Auf dem Tanzfest unterhielt ich mich recht gut, wenn auch nur beim Zuschauen. Ich habe nur mit Karl einen Walzer getanzt. Während der Damenwahl (Walzer) war ich unten im Buffet; und sonst tanzte man nur modern. Die Kinder waren natürlich nicht im Kostüm, da es ein normales Fest war. Das Kostümfest für die Kinder war erst Samstag nachmittag.

Da bekam Fredy als Araber den 1. Preis, Werner als Indianer den 3. Da war ich aber nicht mit, da just wieder Postarbeit da war. Schw. Wazulik holte Toni vor dem Kinderfest ab, was die Trennung wesentlich erleichterte. Toni war im Jänner 4 Jahre.

Aber das mit dem Gutes tun, mein Lieb, das ist eine eigene Sache. Ich denke, wenn wir einem uns’rer Nächsten in einer Not beispringen können, so ist das wohl mehr Pflicht als Gutes getan. Allerdings bringt auch Pflichterfüllung eine gewisse Befriedigung. Eigentlich habe ich aber immer das Gefühl zu wenig getan zu haben, zu wenig Liebe zu spenden, an Dich, an die Kinder, an Verwandte und Bekannte. Und gehe ich an einem Bettler vorbei, ohne ihm zu geben, so muß ich den ganzen Tag d’ran denken. Und doch bricht immer wieder auch der Egoismus durch und so gibt es doch auch bei mir, im Gegensatz zu dem früher Gesagten, „Sturm und Drang“. Nur ist das keine öffentliche, sondern eine ganz private Angelegenheit. So privat, daß ich auch Dir bisher nichts davon sagte, trotzdem mich die Sache seit Jahren quält.

Und nun zu uns beiden, mein Liebstes! Ich schrieb oben, ich glaube, ich gebe Dir zu wenig Liebe, aber, Kind, ich bin so voll davon, daß mir all Deine Bedenken nur ein Lächeln entlocken können. Du meinst so ungefähr, daß Dein Hiersein auf mich wie ein Käfig wirkt. Aber Schatz, selbst wenn es so wäre, so erleuchtet und vergoldet mir Deine Liebe doch alle Stäbe dieses Käfigs und ich entbehre gern alle Freiheit um nur Dein zu sein! Laß nun also endlich alle Grillen beiseite und hab’ mich lieb, wie ich Dich! Ich hoffe, wir werden noch miteinander lachen können, über Deine heutigen Bedenken.

Nun, mein Lieb, daß Du schon ganz zur Familie Deiner Hausleute gehörst, ist ja nur gut, wenn auch die Frau um Dich mehr besorgt ist als ich. Ich bin vielleicht in der Hinsicht abnormal. Aber dieselbe Selbständigkeit, die Du mir in Deinem letzten Brief zuschreibst, gestehe ich eben auch anderen zu und glaube deshalb nicht immer gleich, daß etwas geschehen sein muß, wenn jener andere mal anders handelt als ich erwarte.

Ich küsse Dich viel tausendmal innig und heiß!

Dein Weib

Sofia, 27.2.38

Liebste!

Diesmal kam schon am Freitag Dein lieber Brief. Ich bin dann immer so froh, wenn ich Deine lieben Worte lese, daß man mir’s äußerlich anmerkt. Meine Hausleute fragen dann immer gleich, was Du schreibst, wie es daheim geht u.s.f.

Nun, Lieb, wir wollen die Grillen wirklich beiseite lassen, aber ohne eine Grille, die ich mir in den Kopf gesetzt habe, die aber eine positiv wirkende Grille ist. Paß einmal auf:

Die Arbeit unserer Montagen wird wahrscheinlich nicht zulassen, daß ich im April nach Wien fahren kann, auch weiterhin, wahrscheinlich bis zum Herbst wird es, wenn alles so bleibt, nicht möglich sein, von hier abzukommen. Wie müssen also bis frühestens zu den Ferien warten, bis wir uns wieder haben können. Und da dachte ich mir, ob es nicht doch möglich wäre, wenn Du im April auf 2 oder 3 Wochen hierher kommen könntest. Was das für uns beide bedeuten könnte, weißt Du doch selbst! Freilich wirst Du Dir neben der Sache mit den Kindern gleich denken „das viele Geld“. Wenn ich nach Wien komme, so bekomme ich wohl die Fahrt bezahlt, verliere aber für die Zeit auch die Diäten, d.h. für nur drei Wochen ca. Lw 7000 oder S 420.

Wenn Du fährst, so sind dies (es kommt nur 2. Klasse in Frage) S 120 + S 13 für Visum und Lewa 1860 für die Rückfahrt. Die Geldfrage ist also dadurch geklärt. Bleibt nur die Frage, wer bleibt bei den Kindern? Ich habe dabei schon an Olga gedacht, denn ob Hansi und Großmama diese Arbeit 2 bis 3 Wochen machen können, weiß ich nicht. Überlege Dir diese Angelegenheit, vielleicht bist Du glücklicher mit der Lösung.

Wenn alles gut geht, so möchte ich, daß Du am 5. April wegfährst und am 6. mittags hier ankommst. Am 7. ist Feiertag, am 22. sind die bulg. Ostern mit 4 Feiertagen nacheinander. Meine Hausleute sagen, Du mußt unbedingt kommen und bis zum 6. Mai hier bleiben, da dann eine große Parade ist. Na, ich werde froh sein, wenn Du überhaupt kommst. Meine Hausfrau sagte mir gestern: „Nun, ein wenig Egoisten müssen die Eltern auch manchmal sein, sonst vergehen die Jahre und man hat durch die Kinder nichts davon.“ Ein wenig recht hat sie ja.

Mein Liebes, Süßes, überlege Dir dies. Du weißt ja, wie schön unsere Deutschlandreise war, wo wir uns einmal eine wenn auch kurze Zeit allein hatten. Hier wird es noch schöner werden.

Schreib mir bald, denn ich muß jetzt immer an das Schöne denken.

Sonst geht hier alles ziemlich gut und mein Lebensmut ist wieder der alte. Jetzt umso mehr, als ich mich auf Dich freuen kann.

Mit vielen Busserl, auch an die Kinder,

Dein Robert

Wien, 3.3.1938,früh

Mein Lieb!

Also freue Dich, mein Schatz! Ich kann kommen. Nur eine Änderung der Zeit ist meines Erachtens notwendig. Ich werde erst am 19.4., das ist Osterdienstag, von hier wegfahren und bis 9.5. bei Dir bleiben. Das vorerst.

Als Montag abends Dein Brief ankam, gab’s große Aufregung, beinahe Revolte unter den Kindern. Mit Deinem Plan Olga und Bernhard herzunehmen, sind die beiden Großen durchaus nicht einverstanden. Olga wird wohl von Zeit zu Zeit ganz gern gesehen, doch nicht auf Dauer. Und Bernhard mögen sie überhaupt nicht. Ich weiß, Du wirst Dich über meine Worte ärgern, aber es nützt ja nichts, wenn ich Dir diese Tatsache noch weiter verheimliche. Also finde Dich bitte mit der Wahrheit ab. Und sei mir nicht zu böse, daß ich sie Dir einmal sagen mußte.

Und nun zur Lösung des Problems. Ich gebe Werner zu Richard und Fredy zu Wentys. Die beteiligten Parteien sind allseits einverstanden. Richard meint sogar, das ist die beste Lösung.

Robert freut sich fast allein zu bleiben. Es wird zwar ein bisserl Junggesellenwirtschaft werden, aber zum Lernen hat er jedenfalls mehr Ruhe als so. Da in der Zeit gerade wieder geprüft wird, ist das sehr gut so.

Werner wäre wohl lieber zu Wentys gegangen und Fredy lieber mit Robert zu Haus geblieben. Doch da ich die Sache anders angeordnet, haben sie sich dareingefunden und sind jetzt schon ganz zufrieden.

Und nun zu dem Warum des späteren Kommens. Werners erstes Wort, als er erfuhr, daß ich am 5.4. wegfahren soll, war: „Was kriegen wir denn da zu Ostern?“ Kindlicher Egoismus, doch ist er mir und ich glaube auch Dir verständlich. Erstens nun, um die Aufnahme der Kinder bei Wentys und Anna nicht zu erschweren (dadurch, daß sie bei der Osterputzerei überall im Weg umstehen), zweitens diesem begreiflichen kindlichen Verlangen nach meiner Anwesenheit zu Ostern gerecht zu werden, möchte ich eben erst am Dienstag nach Ostern wegfahren. Ich hoffe, Du verstehst das und billigst meine Gründe.

Hätten wir jemand hergenommen, egal ob Olga, Hansi oder Emma, an die ich auch schon dachte, hätten wir jedenfalls auch die Zeit bis nach Ostern abwarten müssen, da alle drei in der Woche vorher sehr viel zu tun haben werden.

Aber nun genug mit der Sachlichkeit. Liebstes, ich freue mich ja sooo! Als Dein Brief kam, war ich eher ein wenig verzweifelt und ich dachte schier keine Lösung der Frage zu finden. Nachts konnte ich nur wenig schlafen und morgens lastet das Gefühl einer furchtbaren Unannehmlichkeit auf mir.

Seit ich aber gestern mit Frau Wenty sprach (sie war da) und nachmittag bei Richard war, bin ich so froh, daß ich wieder nicht schlafen konnte.

Ich hoffe nur, die Zeit wird wirklich so schön, wie wir sie uns beide erwarten und ersehnen. Ich glaube ja fest daran und werde mir alle Mühe geben, Dich ganz glücklich zu machen!

Du Liebes, Du!

Nun Schatz, schreibe aber auch Du bald, ob Du mit meiner Anordnung der Dinge einverstanden bist!

Busserln von den Kindern!

Mit viel tausend papierenen Busserln freut sich auf das Wiedersehen gestern in 6 Wochen,

Deine Gretel

Sofia, den 5.3.38

Mein Schatz!

Heute kam also Deine freudevolle Nachricht an. Kind, ich bin so glücklich und selbstverständlich mit allem einverstanden. Die fünfeinhalb Wochen werden schnell vergehen und dann, Lieb, bist Du da und gehörst für eine Weile nur mir.

Ich komme Dir bis zur Grenze, bis Dragoman, wo die bulgarische Revision stattfindet, entgegen. Dein Zug kommt früher an, meiner als Gegenzug 15 - 20 Minuten später. Du brauchst keine Angst zu haben, daß wir uns nicht treffen, die beiden Züge müssen aufeinander warten.

Meine Hausleute freuen sich auch schon sehr.

Nun aber eine andere Sache, damit ich nicht vergesse. Mitte dieses Monats wird ein Herr aus Sofia Dich besuchen. Es ist dies mein Fotograf, ein Armenier. Er spricht deutsch und legitimiert sich mit meiner Visitkarte. Bitte, gib dem Herrn, der einige Tage in Wien bleiben will, Geld, aber nicht mehr als S 50.-.

Weiters muß ich Dir noch viel mitteilen wegen der Fahrt, Paß u.s.w., aber heute nicht, weil ich erstens zu freudig bin und dann möchte , daß der Brief noch mit dem Abendzug weggeht und dann noch, weil mich heute ein Herr besuchen wird, der mich heute ins Kino eingeladen hat. Und rasieren muß ich mich auch noch, also bin ich in Hochdruck, drum bekommst Du heute ausnahmsweise nur eine Seite.

Auf morgen! Leb recht wohl bis zum Wiedersehen.

Dein Robert

Sonntag, den 6. März

Liebes!

Es ist nun doch anders gekommen mit dem Brief. Ich werde ihn per Luftpost schicken, da bekommst Du ihn dann bestimmt, gestern wäre es doch unsicher gewesen, ob er noch weggegangen wäre.

Dein letzter Brief ist auch per Bahn gekommen, trotzdem er per Flugpost aufgegeben war. Doch fliegen zur Winterszeit nur Dienstag, Donnerstag und Samstag Früh Flugzeuge von Wien ab, der Brief war Donnerstag vormittags aufgegeben.

Nun aber zu Deinem Kommen!

Da es Mitte April hier schon recht warm sein wird, brauchst Du Dir keine warmen Kleider mitzunehmen. Eventuell eine Wolljacke. Dein Hubertusmantel wird hier bei Regenwetter ganz gut sein, aber welchen Frühjahrsmantel nimmst Du Dir außerdem mit? Dein grauer ist, mir scheint, nicht mehr ganz schön. Ein paar festere Schuhe, nur wenn Du solche hast, wären vielleicht ganz gut hier, wenn wir einmal ins Gebirge wollen. Es ist ganz gut, daß ich den großen Koffer daheim ließ, den kannst Du recht gut brauchen.

Wegen des Visums wäre gut, wenn Du Dich vorher auf der bulg. Gesandtschaft (IV., Wohllebengasse, das 2. oder 3. Haus von der Prinz Eugenstraße) erkundigen würdest, da für Männer derzeit Einreiseschwierigkeiten bestehen. Auch frage, ob Du, oder was Du zahlen mußt, wenn Du nur auf 3 bis 4 Wochen zu Besuch fährst. Für Jugoslawien brauchst Du ein Durchreisevisum. Das Konsulat ist in der Seilerstätte (die Adresse findest Du im Telefonbuch bei jedem Straßentelefon). Kostet S 2.- bis 2.50, das Visum.

Die Karten für die Bahn besorgst Du Dir am besten im Verkehrsbüro und zwar gibt es eine Kombination eines Billetts von Wien-Ostbahnhof nach der jugoslawischen Grenze (Subotica), die ist um ca. S 8.- billiger. Die mußt Du aber verlangen. Die ganze Fahrt wird ca. S 110.- von Wien bis Sofia kosten.

Dein Zug geht um 10 Uhr (das weißt Du ja) vom Ostbahnhof ab. Siehe zu, daß Du zeitlich dort bist und setze Dich möglichst in die Mitte des Waggons in ein Nichtraucherabteil. Am besten wird sein, Du nimmst Dir möglichst viel zu essen mit, besonders sind Orangen gut, hebe Dir zwei Stück davon für die Nachtfahrt auf.

In Budapest (ca.14 Uhr) hat der Zug nur ca. ¾ Stunde Aufenthalt, im Falle Du aussteigst, mußt Du dann fragen, auf welchem Geleise der Zug wieder abfährt, weil er verschoben und neu zusammengestellt wird. Wegen des Gepäcks findet sich meist jemand, der im Zug bleibt. An der jugoslawischen Grenze bist Du um 17.51, in Belgrad um 21.45. Dort bleibt der Zug ca. 2 Stunden stehen. Solltest Du ins Restaurant gehen, dies ist am Kopfende des Bahnhofs neben dem Ausgang rechts. Du kannst mit Deiner Fahrkarte direkt vom Perron hinein. Es wäre gut, wenn Du eine Flüssigkeit zu Dir nehmen würdest, weil man in der Nacht meistens Durst bekommt. Um ca ¾ 12 Uhr nachts geht es weiter. Am besten ist, wenn Du Dich schon eine halbe Stunde vor Abfahrt niederlegst und möglichst die Vorhänge gegen die Gangseite zuziehen würdest. Hoffentlich schläfst Du die Nacht halbwegs gut.

In Nisch bist Du um 4 Uhr früh. Ab Nisch ist die Gegend recht schön, gebirgig, schaue Dir recht viel an. In Caribrod (jugosl. Grenze) kommst Du ca. um 8 Uhr an, eine Stunde später in Dragoman (bulg. Revision). Und da treffen wir uns! Wir frühstücken dann zusammen im Speisewagen, ich werde mir einen recht großen Hunger dafür aufheben.

Statt daß Du in Belgrad aussteigst, kannst Du auch (und das ist vielleicht besser) im Speisewagen einen Tee oder Kaffee trinken. Du kannst mit Schilling bezahlen.

Nochmals viele Busserln und auch an die Kinder.

Dein Mann

Wien, 9.3.1938

Mein Liebes!

Dein letzter Brief ist ja ganz voller guter Ratschläge. Ich glaube, Schatz, ich werde ihn müssen auf die Reise mitnehmen, damit ich nichts vergesse. Aber jedenfalls vielen Dank, mein Lieb, für Deine Besorgnis. Wenn ich im Zug schlecht schlafe, habe ich ja dann in Sofia Zeit, das Versäumte nachzuholen. Ich hoffe, Du willst nicht jede Nacht mit mir „drahn“ gehen.

Momentan wäre ich dazu noch weniger in Stimmung als normal, denn ich bin morgens müder als am Abend, trotzdem ich nie weniger als 7 Stunden schlafe. Vielleicht die sogenannte Frühjahrsmüdigkeit. Wir haben auch beinahe ständig Föhn.

Aussteigen werde ich wahrscheinlich nicht. Na, und sonst werd’ ich schon alles gut machen. Eben kam Hansi, sich Leisterln zusammenzunähen. Ich denke, ich werde einstweilen aufräumen, denn schreiben kann ich doch nicht.

So, nun ist wieder Ruhe. Wegen meines Mantels dachte ich auch schon nach. Doch wenn ich Zeit hätte, mir einen neuen zu nähen, hab’ ich kein Geld für den Stoff, hab ich aber in der nächsten Zeit so viel Arbeit, daß ich das Geld hätte, dann fehlt mir jedenfalls die Zeit zum Nähen. Ein Dilemma! Na, wenn alle Stricke reißen, muß ich eben den grauen Mantel zertrennen und neues Steifleinen geben, dann wird’s auch besser sein.

Viel notwendiger ist es momentan, daß Robert einen Mantel bekommt und da ich die 33 S von Horky noch nicht in die Sparkassa trug, werde ich sie dazu verwenden.

Die 50 S für Deinen Fotografen muß ich natürlich auch von der Sparkasse holen. Desgleichen was ich zum Fahren brauche, wenn Du nicht eine andere Anordnung triffst. Darüber können wir ja noch schreiben.

Die Kinder brauchen auch alle drei Schuhe; hoffentlich bleibt mir so viel vom Monatsgeld März-April. Bei Anna und Wenty will ich natürlich Kostgeld bezahlen, und nicht zu knapp bemessen. Auch Robert muß ich etwas mehr als normal hier lassen. Ein Junggeselle braucht ja immer mehr, wenn er auch denkt, abwechselnd Eierspeise und Grießkoch zu essen. Es wird ihm sicher zu fad werden.

Ja, glaubst Du, daß ich die Goiserer mitnehmen soll? Andere feste Schuhe hab’ ich ja nicht.

Sonntag waren wir bei herrlichem Wetter mit Wentys auf dem Schafberg. Nächsten Sonntag fahre ich mit Fredy oder Robert vielleicht nach Kritzendorf. Wenn Werner zu Olga kann. Das werde ich erst Freitag erfahren. Fini war gestern da. Läßt Dich natürlich herzlich grüßen. Die Kleine ißt jetzt endlich zur allgemeinen Beruhigung.

Der Wind heult ums Haus, daß er mich direkt nervös macht. Oder habe ich jetzt schon Reisefieber? Ist doch nicht anzunehmen.

Nun Schluß, mein Liebstes! Ich freue mich schon, wenn die Schreiberei wieder unterbrochen wird. Das ist dann doch anders.

Viele tausend Busserl und grüße auch Deine Hausleute!

Deine Gretel

Sofia, den 13.3.38

Mein Lieb!

Dein heutiger Besuch in Kritzendorf wird wahrscheinlich durch die Ereignisse unterblieben sein, Stör hat nun genug Beschäftigung und wird voraussichtlich auch bei uns übernachtet haben.

Ich selbst hörte und las in den bulgarischen Zeitungen und später auch in deutschen von den Vorgängen und auch das Radio bietet mir eine Verbindung, so daß ich eigentlich so weit am Laufenden bin. In hörte den Empfang in Braunau, in Linz und werde heute abends auch die Feierlichkeiten in Wien im Radio vernehmen. Wenn Du dann herunterkommst, so kannst Du mir ja alle Einzelheiten selbst erzählen.

Sag, mein Liebes, glaubst Du, daß es vielleicht besser oder notwendig ist, daß ich hinaufkomme? Ich weiß ja doch nicht, wie mit den Buben alles wird, oder ob Du mich oben brauchst, darum dachte ich daran. Wenn es aber nicht nötig ist, so muß ich der Arbeit wegen schon hier bleiben.

Bis Mitte April wird ja alles wieder in geregelten Bahnen sein und Deine Reise hierher doch möglich werden. Schreibe mir bitte darüber.

An Fritz werde ich schreiben und ihn bitten, daß er mir meinen Überschuß abhebt und ihn Dir bringt. Wenn aber bis zu Deiner Abfahrt die Sache nicht erledigt ist, so mußt Du das Reisegeld aus der Kasse nehmen.

Dieses Schreiben gebe ich wieder per Flugpost auf, doch dürfte es sich doch verzögern, weil unter solchen Verhältnissen wahrscheinlich die Post zensuriert wird.

Es wäre doch gut, wen Du Dir einen Mantelstoff kaufen würdest, oder wie ich eben hier fragte, bekommst Du hier um Lw.1500.- schon einen ganz guten fertigen Mantel. Also komme doch mit Deinem grauen. Für einen Hut ist auch schon gesorgt.

Nun, mein Liebes, in einem Monat bist Du beinahe schon da und ich sehe, daß die Wochen doch riesig langsam vergehen. Wegen des „Drahns“ brauchst Du keine Angst zu haben, ich bin hier sehr solide und es kommt höchst selten vor, daß ich nach 12 Uhr nach Hause komme.

Grüße von Gadschalofs. Viele Küsse an die Kinder und mehr Busserln Dir.

Robert

Wien, 15.3.1938

Liebstes!

Dein lieber Brief kam doch zur normalen Zeit an. Eigentlich wollte ich Dir gestern noch antworten, doch kam’s anders. Ich saß eben und verklebte einen Brief an Fritz mit der Anfrage, was Trude tun soll, um unter dem neuen Regime eine Anstellung zu bekommen, da erschien Schw. Körbler. Ich sagte ihr, daß ich gerne zu Fleischmanns gegangen wäre, den Brief hinzutragen. So ging sie mit mir, blieb aber natürlich unten, weil es schon mehr als halb 9 Uhr war.

Fritz war auch gestern noch nicht im Geschäft. Samstag kam er wohl mittags zu mir essen, doch nicht schlafen, trotzdem er auch vormittag in der Arbeiterkammer war.

Schw. Körbler und ich schlenderten dann von Fleischmanns über die Josefstädterstraße dem Ring zu und fanden wider Erwarten das Rathaus illuminiert. Am Ring trafen wir dann Trude und Br. Pia wodurch wir verleitet wurden, noch weiter zu gehen. So kam ich erst nach 11 Uhr heim, trotzdem wir auch nachmittags Stunden auf der Mariahilferstraße standen, um Hitler zu begrüßen. Der Empfang war jedenfalls überwältigend. Im allgemeinen rechnen auch seine nicht absoluten Anhänger (auch ich) mit einer Besserung.

Nun, Lieb, ich glaube, zu einer Sorge Deinerseits liegt kein Grund vor und Du kannst ruhig bei Deiner Arbeit bleiben. Das Beste wird wohl sein, sich in die bestehenden Verhältnisse restlos einzufügen.

Robert ist begeisterter Anhänger. Will sich auch bei Schulbeginn (jetzt haben die Kinder ja Ferien) sofort zu einer Hajot-Gruppe melden. Nun ich habe nichts dagegen und ich hoffe auch Du nicht. Auch eine Fahne zur Fensterbeflaggung ließ ich Robert machen.

Fredy verhält sich mehr ablehnend, läuft aber doch überall mit und sagte vorgestern: „Das Schreien steckt direkt an“. Und Werner schreit auch fleißig: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“

Nun ich denke, abwarten ist das Beste; jetzt ist kaum noch ein wenig Klärung der Verhältnisse eingetreten. Ich möchte nur wissen, was Frau Wenty jetzt sagt. Ich denke, sie schimpft wie ein Rohrspatz.

Eben ärgere ich mich wieder über das Radio. Es ist dies immer eine Quelle beständigen Ärgers, denn jetzt ist es noch viel ärger als vor Weihnachten. Um überhaupt etwas zu hören muß man so laut einschalten, daß einem die Ohren dröhnen. Widrigenfalls hört man überhaupt nur ein tosendes Rauschen, als wenn man neben einem sehr großen Wasserfall stünde. Ist dann sehr laut eingeschaltet, übertönt eventuell die Musik das Tosen. Und gerade jetzt möchte ich doch hören, was los ist.

Dein Fotograf war gestern da. Ich habe ihm die 50 S gegeben, er wird mir das was ihm bleibt per Post zurückschicken, oder wenn er noch Zeit hat, selbst bringen.

Ob ich mir in Sofia einen Mantel kaufen soll, überlege ich mir lieber noch. Der Preis von 1500 Lewa ist doch sehr teuer. Um ca 60 S bekomme ich in Wien einen schon wirklich guten Mantel und nähe ich ihn selbst, ist er natürlich noch etwas billiger.

Und wie meinst Du das mit dem Hut? Du kannst mir doch nicht ohne mein Beisein einen gekauft haben?

Schatz, weißt Du, warum die Wochen so langsam vergehen, weil ich mich vor 14 Tagen um eine Woche verrechnet habe. Aber heute in 5 Wochen fahre ich wirklich ab. Wegen der Visen will ich aber jetzt den ärgsten Rummel vorbeigehen lassen.

Bin neugierig, was mit uns’rer Währung wird. Fredy meinte vorgestern schon, das Beste wäre, um das ganze Geld Einkäufe zu machen. Aber ich denke, das muß doch irgendwie valorisiert werden. Bringen wir das Geld jetzt an für weniger dringende Anschaffungen, haben wir dann wieder gar keinen Rückhalt. Fein wär’s, wenn Dein Gehalt den deutschen Gehältern angeglichen würde. Ist aber wohl nur ein Wunschtraum. Also, wie gesagt, abwarten. Allzu hoch hab’ ich die Hoffnungen nicht geschraubt, so kann ich nicht sehr enttäuscht werden.

Nun mein Liebstes, auf ein immer näher rückendes Wiedersehen. (Schreibe bitte der Goiserer wegen)

Viel tausend heiße innige Küsse.

Deine Gretel

Sofia, den 20.3.38

Meine Liebste!

Eigentlich wollte ich Dir von meinem Büro mit der Maschine schreiben, doch wurde ich von meiner Hausfrau aufgehalten und muß nun zum Frühstückskaffee hier bleiben. Da es aber bis dahin noch eine Weile dauert, will ich die Zeit nützen.

Heute, mein Liebes, in genau einem Monat treffen wir uns, vielleicht auch zur gleichen Stunde in Dragoman (es ist ½ 10 Uhr). Und jetzt noch etwas zur Reise. Bringe bitte, wenn möglich, 4 neue Kombinationen mit, für Deine Größe, eine davon in schwarz, eine bananenfärbig, die übrigen in schönen Farben. Auch drei Paar Strümpfe. Der Preis für erstere S 8.- bis 10.-, die andern 4.- bis 5.-. Du kannst auch die Wäsche selbst anziehen, die übrige vielleicht waschen. Auch wird die Gelbscheibe von meinen Fotoapparat wahrscheinlich zu Hause sein, bitte bringe sie mir mit.

Ja, die Zeit ist noch recht lang und meine Sehnsucht wird immer größer! Ich vermutete schon, daß Du Dich verrechnet hast, doch rechnete ich nie nach.

Die Goiserer brauchst Du wohl nicht mitbringen, das steht nicht dafür. Sag’, gibt es in Wien Blusen aus Seiden-Trikot, weiß mit färbigen Streifen oder Muster? Meine Hausfrau wollte so eine Bluse.

Nun hat sich in der Vorwoche ja schon Verschiedenes geklärt und man kann in Bezug auf Österreich schon besser arbeiten.

Ich habe selbstverständlich nichts dagegen wegen Roberts Beitritt, im Gegenteil halte ich die jetzigen Verhältnisse auch für die Kinder als gut, der großen Sorge um die Zukunft der Buben sind wir jetzt enthoben. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht wird die Änderung für unser Land und besonders für Wien sehr günstig sein. Auch Fredy und Werner müssen jedenfalls zur Hj. Prof. Marboe wird aber wahrscheinlich von der Schule wegmüssen. Die Kinder haben, wie aus den Zeitungen zu entnehmen ist, bis Montag schulfrei.

Hr. Horky wird Dir auch etwas bringen für mich. An Fritz schrieb ich, daß er meinen Märzgehalt und den Überschuß am Ende dieses Monats abheben soll. Das wird ca. S 200.- ausmachen.

Der Kurs des Schillings ist nun auf 1.50 = 1 RM festgesetzt, so daß wir ca. 400 RM haben. Der Gehalt wird wahrscheinlich angeglichen, mit 1.50 gerechnet, würde sich ein Gehalt von RM 280.- ergeben; im Verhältnis zu den Berliner Löhnen recht tief.

Bitte erkundige Dich am Paßamt und am Konsulat wegen Paßgültigkeit und Visum recht bald.

Lieb, mein Süßes, ich umarme Dich recht fest.

Robert

Wien, 22.3.2938

Mein Lieb!

Heute ist der erste ordentliche Schultag. Gestern hatten die Kinder eine Feier. Bei Robert ist die Leitung geändert und leider auch Dr. Zorn weg. Prof. Marboe ist noch hier, soll aber gegangen werden. Fredy glaubt, es ist nichts geändert, nur Herr Messerschmied ist Oberlehrer einer Volksschule geworden. Und Werner freut sich, weil Herr Keibl an seiner Schule nun Oberlehrer ist. Das wären vorläufig die Schulneuigkeiten.

Nun aber eine freudige Nachricht. Freitag um 11 Uhr kam Fritz und holte Trude zum „sofortigen Antritt“ im Propagandabüro. Fritz sagte mit 150 S Monatsgehalt doch hat Trudes Chef das nach Erkundung der Familienverhältnisse auf S 200 erhöht.

Wohl ist das nur ein Provisorium, doch hofft man allseits, Trude bei Erweisung ihrer Tüchtigkeit definitiv übernehmen zu können. Sehr viele Kräfte wurden nämlich aus Betrieben, auch von Siemens übernommen und müssen dahin zurück. Also hoffen wir das Beste.

Leider gibt’s ja auch umgekehrt Fälle. Schw. Körbler glaubt, daß ihr Chef bestimmt außer Landes gehen wird. Wentys Firma liquidiert. Auch er steht also vor dem Nichts.

Frau Wenty war am Mittwoch mit Trude da. Sie tut mir sehr leid, denn sie ist ganz gebrochen. Nicht wegen der bevorstehenden Arbeitslosigkeit ihres Mannes, sondern wegen der „Charakterlosigkeit der Menschen“.

Und vergißt dabei, daß 4 Jahre zwischen einst und jetzt liegen und daß eben damals diese Menschen eine schwere Enttäuschung erlitten haben. Daß man aber in der Zeit etwas Neues suchen mußte, das zum Heil dienen kann.

Olga, die auch eben kam, vor Begeisterung glühend, brachte eine lange Predigt an, erreichte aber nur, daß Frau Wenty zu weinen begann.

Schwarz ist ebenso niedergeschlagen. Ich sah ihn gestern zum ersten Mal, als ich meinen Karton holte. Arbeit ist ja jetzt nicht so viel, daß sie mich brauchen. Leider, denn mein Haushaltsbudget steht heute auch nur mehr auf 32 Groschen und diesmal habe ich nichts zuzusetzen.

Es nützt ja alles nichts, das Leben ist teurer geworden und die Kinder größer im Laufe der Jahre. Nehme ich aber für den Haushalt mehr, so kann ich eben das andere Nötige nicht bestreiten.

Wegen der Bluse für Deine Hausfrau werde ich mich erkundigen. Gesehen hab’ ich noch nichts dergleichen. Aber wenn ich Dir so viele teure Sachen mitbringen soll, komme ich zum Schluß auch mit den 200 S nicht aus. Na, wir werden ja sehen. Übrigens weiß ich noch nicht, wie das mit Fritz und dem Geld wird, da er bis nach der Wahl nicht im Geschäft sein wird.

Montag war ich in Kritzendorf. Fritz bedauert sehr, daß Du damals die Berliner Montage nicht übernommen hast. Er meint, daß man Dich nun sicher zum Berliner Werk übernommen hätte, zu unserem materiellen Vorteil. Im übrigen wird man nach seiner Meinung in Hinkunft im Wiener Werk nur mehr kleine Artikel im Großen fabrizieren und die Montagen von Berlin übernehmen. Na, ich schrieb Dir ja schon im vorigen Brief „abwarten“.

Wenn Hitler mich auch mit seiner letzten Reichstagsrede (vom 18.d. M.) voll und ganz gewonnen hat, so heißt es immer noch abwarten. Es ist noch keine Sache über’s Knie gebrochen worden.

Aus Berlin erhielt ich von Frieda eine sehr freudige Karte. Aus Aschau immer noch nichts. Ich bin mir aber nicht bewußt, irgend etwas Unrechtes geschrieben zu haben.

Bittner hat mir wieder seine Nichte geschickt. Sag, was ist denn los mit der Sache? Ich sagte ihr, ich werde die Geschichte nach Möglichkeit bereinigen, wenn ich zu Dir fahre.

Aus Rottenbach liegen diverse Nachrichten vor. Hinter den Altären lagen Waffen, im Tabernakel die „schwarze Liste“, laut der Huber Hans als erstem nach der Schuschnigg-Abstimmung der Prozeß hätte gemacht werden sollen.

Was man so hört, entlockt einem immer wieder ein „Gott sei Dank“, daß es anders kam. Wenn einem auch andererseits manches das Herz schwer macht. Es wird ja doch besser werden für die Allgemeinheit.

Nun Liebstes, sind meine Nachrichten erschöpft. Meine Sehnsucht nach Dir bleibt aber unerschöpflich, wenn sie auch von dem Weltgeschehen ein wenig verdrängt wurde. Diesmal sind es nur mehr vier Wochen bis zu unserem Wiedersehen! Kannst Du meine Freude ermessen?

Dein Fotograf brauchte nur 23 S. Der Rest kam zurück. Robert habe ich in der Vorwoche einen Mantel um 35 S gekauft und Werner um 7 ½ S eine Hose.

Du, mein Liebstes, ich küsse Dich innig und heiß!

Deine Gretel

Sofia, den 23.3.38

Liebe Gretel!

Wie mir Herr Djakoff, der in den letzten Wochen in Wien und Berlin war, mitteilte, soll Herr Schedlbauer mit ihm besprochen haben, auf welche Art man mich von Bulgarien frei machen kann, da infolge der geänderten Verhältnisse in Österreich das Wiener Werk voll beschäftigt werden wird und man mich voraussichtlich dort benötigt.

Bitte unternimm daher solche Vorbereitungen zu Deiner Reise, die mit Geldauslagen verbunden sind, noch nicht. Ich werde noch heute an das Werk schreiben und um Auskunft über diese Angelegenheit bitten.

Da ich aber noch nicht weiß, was daran richtig ist, so sage anderen einstweilen noch nichts.

Viele Busserln

Dein Robert

Sofia, den 25.3.38

Liebste!

Dein lieber Brief kam diesmal um zwei Tage früher, eine angenehme Überraschung. Er wurde postamtlich geöffnet, doch danach wieder verschlossen und mit einem Vermerk versehen. Deine Mitteilung über Trudels Stellung ist wirklich sehr erfreulich und es ist recht lieb von Fritz gewesen, daß er gleich an sie gedacht hat.

Wenty und auch Frau Körbler werden wohl auch wieder eine Stellung finden, wenn im allgemeinen alles besser sein wird. Und daß dies zutrifft, glaube ich ja auch bestimmt. Wegen der Annahme der Berliner Arbeiten konnte ich damals nicht anders, weil ich mich, wie dies auch verlangt wurde, hundertprozentig dieser Arbeit widmen sollte. Wer hätte also MEINE Arbeit gemacht? Ich meine, wenn auch Berlin die Montagen in Zukunft übernimmt, so werde ich bestimmt im Werk Beschäftigung finden. Oder glaubst Du, daß ich bis in mein Alter so herumzigeunere?

Im allgemeinen bin ich jetzt in Erwartung, was Wien sagt. Diese Unsicherheit ist natürlich sehr unangenehm und ich möchte schon bald die Antwort haben.

An Fritz schrieb ich heute, schon Trudels wegen. Trudel wird schon ihre Sache dort gut machen.

Olgas Begeisterung und der Umstand, daß Du nun ganz gewonnen bist, sind wohl zwei Parallelerscheinungen, die ja in solchen Fällen bei Frauen meist auftreten. Aber wie Du richtig sagst: „Abwarten“.

Wenn ich nun länger heruntenbleibe, dann sind wir in 4 Wochen schon beisammen. Ja, das wird schön sein!

Gestern war ich in einem sehr schönen amerikanischen Film, „Frühlingslied“. Ich liebe die amerikanischen Filme eigentlich nicht, weil diese so sehr sentimental sind, doch war ich gerade von diesem sehr angenehm enttäuscht. Sehr schöne vielseitige Musik und auch die Handlung recht schön und ergreifend. So daß ich nachher ziemlich still bei meinen Hausleuten gesessen bin. Da ich vorher Deinen Brief las, glaubten die Leute, daß dieser die Ursache meiner Depression wäre. Vielleicht hat er auch ein wenig dazu beigetragen, manchmal ist das Alleinsein doch nicht leicht.

Lina schrieb mir anfangs des Monats, ich werde ihr wahrscheinlich heute antworten. Draußen ist alles beim alten, d.h. Irma ist seit Februar in Prien in Stellung. Lina glaubte übrigens auch, daß sie zu Weihnachten irgend etwas Unrichtiges schrieb, weil wir so lange nichts von uns hören ließen. Bis dann Dein Brief kam.

Die Antwort von Wien wegen meines Hierbleibens kann erst Mitte nächster Woche einlangen und ich werde Dir dann gleich per Flugpost Nachricht geben.

Übrigens hast Du in Deinem Schreiben gar nichts von den Kindern erwähnt, außer den Schulveränderungen.

Ich habe heute Kurs zu halten und will vorher noch die Briefe zur Post tragen.

Bis Mittwoch oder Donnerstag glaube ich, kann ich Dir schon bestimmt Nachricht geben.

Viele Busserln

Dein Robert

Wien, 29.3.1938

Mein lieber Schatz!

Also nach immer keine Gewißheit über die Zukunft. Ich werde auch schon froh sein, wenn das vorüber ist. Daß Du Dein Leben lang herumzigeunern wirst, hab’ ich nicht gedacht und möchte ich auch nicht, mich erfüllt nur die Sorge, wie bestreiten wir alle notwendigen Bedürfnisse mit dem normalen Gehalt!

Ich sehe ja leider wie schlecht es geht. Aber ich will Dir nichts vorraunzen, es hat ja keinen Zweck. Weder Du noch ich können die Dinge ändern. Und nun ist doch wenigstens die Aussicht auf ein sorgenloses Alter, weil ja die Kinder sich selbst werden versorgen können. In 5 Jahren können die beiden Großen schon so weit sein. Mit Werner allein kommen wir dann leicht durch.

Ich weiß nicht, ob ich Dir schon schrieb, daß Roberts Schulgeld wieder auf ein Viertel ermäßigt wurde. Wir bezahlen also für das zweite Halbjahr 44.50 S. Muß natürlich bei der Absendung in Mark umgerechnet werden.

Nun muß ich Frühstück kochen. Na, jetzt ist’s ein wenig spät geworden zum Weiterschreiben. Aber Schw. Körbler hat mir wiedereinmal Gerli zur „Aufbewahrung“ überbracht, weil Br. Körbler zu Siemens-Schuckert ging sich vorzustellen. Na, hoffentlich wird’s etwas. Die Kleine habe ich jetzt öfters, wenn sie nicht wissen, wohin mit ihr. Die Großeltern liegen doch nicht so am Weg (Stilblüte!) und Mitzi ist für einen Monat zur Postsparkasse einberufen, so kann sie auch nicht kommen.

Trude ist immer sehr müde, aber sonst geht es ihr gut. Sie glaubt der Gefahr der Postenlosigkeit endgültig entronnen zu sein. Wenn man sie im Reichsdienst auch nicht behalten sollte, so hat sie anderweitig schon Aussichten. Wahrscheinlich aber wird sie behalten. Seit einigen Tagen hat Trude abends um 6 Uhr Ablöse durch ein Fräulein Pfeiffer von Siemens. Zu Trudes „großer Freude“ war auch Frl. Gree einmal bei Fritz drinnen. Fritz ist Betriebszellenorganisator und teils in der Arbeiterkammer, teils im Parlament beschäftigt.

Gestern war Frau Wenty wieder da, nachdem wir sie sonntags nicht daheim trafen. Ich denke, sie ist schon wieder etwas getröstet. Wenty erwartet zum Ersten seine Kündigung. So ist er eigentlich noch bis Anfang Juli gesichert. Bis dahin kann sich manchen finden. Ich sagte schon, am besten wär’s, sie würden ihn mit zur Untersuchung der österr. Bodenschätze nehmen. Das wäre dann wenigstens etwas, das ihn freuen würde.

Was soll ich Dir aber außer den Schulveränderungen von den Kindern schreiben? Diese selbst sind unverändert. Robert hat leider auch im Dritten Reich wegen allzu frechen Benehmens eine Ohrfeige kriegen müssen. Manchmal geht’s nicht anders. Im übrigen ist er bei der Hj. und muß heute um 5 Uhr ausrücken. Sonntag vormittag machte er einen Ausflug, es waren zwar alle Mitglieder da, doch die Leitung fehlte. Da muß sich der Drill wohl auch erst Bahn brechen.

Fredy wird sich der Sache ja wahrscheinlich auch anschließen, doch langsamer, und Werner ist noch zu jung. Ansonsten gibt’s bei den Kindern kaum etwas Neues. Fredy hat scheint es die schlechteste Zeit vorbei und wenn er nicht so schlampig wäre, käme ich mit ihm wohl am leichtesten aus. Momentan ist Werner der Unangenehmste von den Buben, doch sind die Großen viel Schuld daran. Im Allgemeinen aber werden schon alle recht werden, d’rum mein Lieb, kein Kopfzerbrechen darüber!

Also Liebstes, wenn Du nicht heimkommst, bin ich in drei Wochen schon im Zug. Die Fahrt wird mich ja nicht freuen, desto mehr das Ziel. Momentan ist ja leider alles unklar und dadurch die Freude in den Hintergrund gerückt. Doch bricht sie dann bei Erfüllung des Erhofften jedenfalls umso stärker hervor.

Sei über das zerstückelte Papier nicht böse. Es war das letzte.

Großmama ist seit 8 Tagen bei mir, weil sie zu Haus geschwefelt haben und jetzt putzen. Ich weiß nicht, ob ich Dir schrieb, daß Fr. Biber auszog?

Viele Grüße an Deine Hausleute, speziell die Kinder. Und Dir, mein Lieb, die heißesten innigsten Küsse von Deiner

Gretel

Sofia, den 29.3.38

Mein Liebes!

Heute bekam ich von Wien folgenden Bescheid:

„Es ist wohl richtig, daß bei der vorwöchigen Anwesenheit des Herrn Djakoff im Wiener Werk davon gesprochen wurde, daß möglicherweise Ihre Rückberufung wird erwogen werden müssen.

Dies sollte vor allem dann erfolgen, wenn ein stärkeres Ausbauprogramm für die österr.Ämter noch im heurigen Sommer behandelt werden sollte.

Selbst in diesem Falle käme aber Ihre Rückberufung vor Ende Juni keineswegs in Frage. Nachdem wir aber annehmen, daß das Investitionsprogramm nicht vor dem Herbst aktuell wird und wir Sie nicht gerne vor Beendigung der Montage für die Justizbauten zurückholen wollen, können Sie meines Erachtens sogar mit einer längeren Aufenthaltsdauer in Bulgarien rechnen.“

Also bleibt unser Plan aufrecht. Und in drei Wochen bist Du schon auf dem Wege. Du kannst wohl ermessen, wie ich mich freue! Also mach’ bitte alles gut.

Für die Abstimmung ist es notwendig, daß Du mir von Wien einen StimmSCHEIN schickst, nicht StimmZETTEL bitte. Den bekommst Du dort, wo ich in der Stimmliste bin, also wahrscheinlich beim Polizeikommissariat. Bitte vergiß nicht, weil dieser Stimmschein hier gefordert wird.

Ich mußte mich auch schon beim deutschen Konsulat anmelden und habe dort gleich gefragt, ob wegen der Erneuerung der Pässe Vorschriften bestehen. Bis jetzt noch nicht. Es wird aber gut sein, wenn Du Dich vor Deiner Abreise noch erkundigst.

Sonntag war ich in Slivnitza, einer kleinen Stadt, nahe der jugoslawischen Grenze. Als ich dahin fuhr, ich war mit meinen Hausleuten, dachte ich mir, beim nächsten Fahren in dieser Richtung fahre ich entweder nach Hause oder ich hole Dich ab. Nun das erstere wäre mir auch lieb gewesen, aber so mit Dir wieder einmal richtig beisammen zu sein ist noch schöner.

Heute ist noch einmal der Winter zurückgekommen, obwohl schon die Bäume und Sträucher in Blüte sind. Die frühblühenden Obstbäume haben argen Schaden an dem Frost. Und wir hier frieren auch schon mächtig.

Eben traf ich H. Fischer von Russe. Der Arme weiß nun auch noch nicht, was mit ihm sein wird. Wahrscheinlich wird er die Stellung in Russe behalten, und auch die reichsdeutsche Vertretung in Russe haben. Es ist ja zu erwarten, daß zur nächsten Saison auch viele aus dem Reich nach Bulgarien kommen.

Und nun, Lieb, schließe ich mit einem Busserl, das ich Dir aber wirklich erst in 3 Wochen geben kann. Busserln auch an die Kinder.

Robert


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