6.7.1935
Mein Lieb!
Du mußt ja gewaltig bös sein, da ich bis heute noch keine Antwort auf meinen Brief vom 28.6. habe, trotzdem Rommel schon diesbezüglich Nachricht von Dir hat. Genützt haben Dir ja die drei kräftigen Flüche auch nichts. Na, aber wenn es Dir Erleichterung brachte, soll’s mir recht sein.
Nun, ich sehe dagegen immer mehr ein, daß es gut war, daß ich nicht früher fahren kann. Denn ich wäre bis zum 10. nicht einmal mit all der Lauferei fertig geworden. Der Paßreferent auf dem Kommissariat machte mich gleich aufmerksam, daß ich ein Ausreisevisum brauche und um dieses zu erlangen eine Bestätigung des zuständigen Steueramtes, daß ich (es ist direkt zum lachen) keine Steuerrückstände habe. „Den Paß bekommen Sie erst am Dienstag abends, besorgen Sie sich das am Steueramt lieber gleich in der Zwischenzeit, damit Sie dann gleich zum Paßamt gehen können, um das Ausreisevisum.“ So seine Worte.
Ich ging also gleich den nächsten Morgen in die Seidengasse. Da hieß es: „Ja, ham S’ a Gesuch? Da miassn S’ a Gesuch bringen mit an Schillingstempel und anahalb Schilling Stempel beilegen.“ Auf meine Frage, wie lang das dauern wird bis zur Erledigung erhielt ich die wenig liebenswürdige Entgegnung: „Des waaß i net.“ Ich ging also zu Stapler in der Kirchengasse, weil etwas umzutauschen war, dann zu Mutter, das Gesuch schreiben und am Rückweg gleich einreichen.
Da teilte mir Mutter mit, daß an dem Tag (es war vorgestern) in der Zeitung stand, daß man die Steuerbestätigung nur bei einer Reise nach Jugoslawien braucht. Ich ließ mir trotzdem von Trude das Gesuch schreiben und ging wieder in die Seidengasse. Dort hatte sich die Situation in der Zwischenzeit, ca. eineinhalb Stunden, so weit geändert, daß die eineinhalb Schillinge nicht mehr beizulegen waren. War nur gut, daß ich die Stempel noch nicht gekauft hatte.
Ich machte den Beamten nun aufmerksam, daß ich nach Bulgarien fahre, nicht nach Jugoslawien, ob ich die Bestätigung trotzdem brauche. Die wieder sehr liebenswürdige Antwort war: „Se kennan’s ja probieren, ob S’ es so kriagn, i bin ka Prophet.“ Daraufhin reichte ich das Gesuch ein, es wurde gestempelt retourniert und ich damit in ein anderes Zimmer gewiesen. Natürlich überall ein endloses Warten. Doch wurde ich dort wenigstens mit liebenswürdigem Humor empfangen. Nur fand der Beamte uns nicht eingetragen, da der Stichtag der 31. Mai 1934 war. Er meinte zwar, ich werde die Bestätigung so nicht brauchen, riet mir jedoch, zur Vorsicht beim Paßamt telephonisch anzufragen.
Dies tat ich nun heute, weil ich die Leutchen erst wollte etwas zur Ruhe kommen lassen, um eine halbwegs vernünftige Antwort zu bekommen. Leider hieß es, ich brauche den Schein doch, so daß ich gezwungen bin, Montag nach Purkersdorf zu fahren. Eine ganz verrückte Geschichte, wenn man bedenkt, daß ich ja überhaupt nicht steuerpflichtig bin. Ich glaube, wenn Dir alle diese Dinge untergekommen wären, Du wärst schon längst aus der Haut gefahren. Ich habe aber immerhin eine gesunde Dosis Humor (wenn Du mir den auch immer abstreiten willst), mit der läßt sich solch Ungemach leichter ertragen.
Wenn ich nun Dienstag den Paß bekomme, kann ich Mittwoch auf den Deutschmeisterplatz gehen. Dort soll das Anstellen so ungefähr 6 bis 8 Stunden dauern. Muß natürlich nicht wahr sein, ist aber vorstellbar, wenn man weiß, wie lange man schon auf dem Kommissariat sitzt. Donnertag gehe ich dann abermals zur Schiffsgesellschaft. Und wenn die ganze Paßgeschichte bis Sonntag den 14. geregelt ist, kann ich noch von Glück sagen.
Donnerstag wird Fritz auch die 5000 Lewa von der Firma bekommen. Er dachte es schon heute zu haben, doch war’s natürlich auch nichts, als ich hinkam. Dafür aber sind schon die 500 S vom „Saturnus“ gekommen.
Nun schlaf wohl, mein Lieb! Weißt Du, was mich am meisten ärgert? Daß wir just am Montag morgens in Russe ankommen.
Morgen, wenn das Wetter halbwegs annehmbar ist, fahre ich mit Robert nach Kritzendorf. Heute regnete es häufig und ist die Temperatur auf 17 Grad gesunken. Wenn ich alljährlich an meinem Geburtstag 500 S bekäme, das wäre fein!
Viel, viel Busserl!
Gretel
Russe, den 6.7.35
Mein Liebes!
Heute früh habe ich Deinen Brief vom 2.d.bekommen. Robert soll mit Wenty fahren, ich bin damit vollkommen einverstanden. Warum Dir die Firma den Überschuß nicht bezahlte, ist mir nicht verständlich. Bin neugierig, was man Rommel sagt. Nun, das mit dem Paß ist wirklich zum schießen. Bin ja froh, daß nicht durch diesen Unsinn Deine Fahrt vereitelt wurde, da hätte ich mich erst geärgert. Hoffentlich hast Du die 500 S schon bekommen, oder sie kommen Montag.
Wenn Du denkst, daß Spielsachen passender für die Kinder sind, dann bring sie. Ich weiß nur nicht, mit was die Kinder hier spielen. Bälle haben sie. Ja, Kind, heute ist Dein Geburtstag und ich sitze hier allein und morgen ist wieder Sonntag, wo man nicht weiß, was anfangen. Das war wohl das letzte Mal, daß ich so weit fort auf Montage gehe. Es steht wirklich nicht dafür. Es ist schon wegen der vielen Torten.
Hier kann man sich gar nicht vorstellen, daß bei Euch noch so wenig Obst ist, oder was wahrscheinlicher ist, daß es so teuer ist. Bei uns ist jetzt Marillenzeit, sie kosten von 20 bis 30 g per Kilo.
Robert schreibt mir, ob mir seine Bilder gefallen. Ich habe, ganz zufällig, nur das Bild von Werner gefunden. Besser wäre gewesen, wenn Ihr die Bilder gesondert in ein Papier eingeschlagen hättet. Es ist möglich, daß sie in dem Kuvert geblieben sind, es ist ja schade darum, umsomehr als ich schon einmal gebeten, daß Ihr mir Bilder von Euch schicken möchtet. Für den Brief danke ich Robert und wünsche ihm viel Schönes. Beim Radfahren soll Robert immer vernünftig sein. Wo ist denn der Zirbitzkogel?
Auch Fredy wünsche ich einen guten Aufenthalt in Rottenbach. Beide Buben sollen uns hier herunten nicht vergessen und manchmal schreiben.
Wegen der Kombines mache Dir keine Sorgen, kauf eben, was Du bekommst.
Viele Busserln
Robert
Wien, 7.7.1935
Mein lieber Schatz!
Vor einer halben Stunde sind wir von Kritzendorf beziehungsweise von Nußdorf gekommen. Draußen geht alles so weiter wie immer; Mutter Slavitinsky wie auch Mitzi sehen ganz gut aus. Konitzky Mitzi und Rosi waren auch da. Übermorgen bringt mir Frl. Mitzi das Kleid für Fini und die Guitarreschule. Näheres dann in 14 Tagen.
Am Rückweg waren wir bei Richard, besser gesagt eigentlich bei seiner Schwiegermutter. Sie hat uns sehr nett aufgenommen; wir mußten nämlich fast eine Stunde auf Richard warten. Er war mit Gretel und dem Buben spazierengegangen. Erwartet haben wir sie dann aber doch noch. Sie lassen natürlich herzlich grüßen.
In Kritzendorf erfuhr ich auch, daß Störs wirklich in Varna sind. So bist Du Armes nun ganz allein und ich kann nicht bei Dir sein. Dafür habt Ihr aber schon wieder eine Festlichkeit. Vielleicht wird Dir da doch die Zeit etwas vergehen.
Na, ich bin schon neugierig, wie warm es bei Euch ist. Guttun wird’s mir wahrscheinlich, trotzdem mir hier meine Beine erst zweimal wehgetan haben. Da eine Mal, als ich nach Weidlingau fuhr und das andere Mal vor einem heftigen Gewitter.
Nun für heute wieder Gute Nacht. Ich habe sehr Kopfschmerzen (übrigens auch selten jetzt) und lege mich nieder. Morgen möchte ich noch die Post abwarten, ehe ich den Brief befördere.
8.7.
Habe die Post abgewartet, doch nichts bekommen als einen Brief von Schw. Huber. So lieb und nett, daß es mich wieder ein wenig tröstet darüber, daß von Dir nichts kam.
Also leb wohl mein Lieb! Jetzt fahre ich nach Purkersdorf. Hoffentlich nicht wieder umsonst. Leider muß man ja fast jeden Weg doppelt oder dreifach machen.
Auf baldiges Wiedersehen!
Gretel
Ja! Die Zeugnisse der Kinder sind gut. Fredy hat nur in Schreiben 2. Robert hat 5 Zweier und in Englisch 3.
Russe, den 11.7.35
Lieber Schatz!
Aus Deinem Schreiben vom 6./7./8.d. Mts. ersehe ich, daß ein Brief von mir, ich glaube von 2.7.35 verloren gegangen sein muß. Böse war ich ja tatsächlich über Dein Nichtkommen, aber daß ich Dir deswegen nicht schreibe, das sollst Du mir eigentlich nicht zutrauen. Auch bist ja nicht Du die Ursache, sondern die Schiffahrtsgesellschaft. Da hast Du auch wahrscheinlich meine Geburtstagswünsche auch nicht bekommen, gerade diesmal, wo ich nicht vergessen habe.
Nun hoffe ich, daß Deine Paßangelegenheit noch rechtzeitig fertig wird, damit Du wenigstens am 19. abfahren kannst. Wenn ich Deinen Bericht über all die Rennereien lese, so bekomme ich Angst, ob Du überhaupt fertig wirst.
Eine Besorgung mußt Du noch machen, mein Lieb. Meine Hausfrau hat mich auch gebeten, daß Du ihr eine Kombine mitbringst. Einen Zettel lege ich bei. Strümpfe und Kombine sollen ganz gute Qualität sein. Letztere soll auch einen schönen Einsatz haben (vorne bei der Brust). Bitte wasche das Zeug aus, damit Du keine Schwierigkeiten bei der Zollkontrolle hast. Ziehe vielleicht die schönste Kombine an.
Die Firma schrieb mir, daß sie an Rommel S 429.92 für Dich auszahlte. Da Du auch vom Saturnus S 500.- bekamst, so könntest Du vor Deiner Abfahrt noch einiges anzahlen, damit das Geld nicht zuhause bleibt. Auch soll Robert über seine Ausgaben Buch führen! Und alle zwei Wochen schreiben!
Rommel hat auch bei Slavitinski’s erzählt, daß er Dir S 150.- gegeben oder geborgt hat. Da Du diesbezüglich nichts schreibst, weiß ich nicht, wie sich dies verhält. Wenn Du kommst, können wir dies besprechen, Stör kennt sich auch nimmer aus. Solltest Du die Schuld an Stör zurückzahlen, so bitte NUR AN ROMMEL.
Vorgestern war ich auf der Saturnus. Habe mir dort ein Nußdorfer Bier gekauft und dabei das Schiff besichtigt. Wirklich fein. Freue mich, daß Ihr’s so schön haben werdet. Raste Dich nur gut aus. Zwei Liegestühle werde ich voraussichtlich nächste Woche leihweise bekommen, das ist gut so, denn nach Hause nehmen kann ich sie ja doch nicht.
Habe eben nochmals wegen des Kombines angefragt. Es soll dies ein Hemdrock sein, nicht Hemdhose. Vielleicht könntest Du auch für Finny ein oder zwei Paar Strümpfe mitbringen, es wäre dies eine kleine Revanche für ihre Arbeiten, die sie hier für mich macht.
Und jetzt mache ich Schluß, weil ich den Brief noch befördern will, damit Du ihn noch Samstag bekommst.
Auf Wiedersehen!!!
Robert
Wien, 15.7.1935
Mein herzliebster Mann !
Heute habe ich zwei Briefe von Dir zu beantworten. Hoffentlich bist Du nicht schon bös geworden. Brief ist keiner verloren gegangen, er kam nur einen Tag später, als ich den Meinen abschickte.
Deine Geburtstagswünsche sind ganz rechtzeitig angekommen; Du hast sie nämlich schon vor dem Brief vom zweiten geschickt, während dieser selbst erst am 6. von Russe abgegangen ist. Na, ist übrigens belanglos.
Also, Schatzerl, morgen hole ich die Schiffskarte. Alles andere ist jetzt erledigt. Wie, werde ich Dir dann erzählen. Ich habe heute zum letzten Mal gewaschen vor der Reise und bin ziemlich müde. Obzwar das Waschen natürlich kein Vergleich ist, mit dem in Weidlingau.
Ich hoffe nur, ich vergesse keinen Deiner Aufträge. Daß Du Fini ausgerechnet Strümpfe geben willst, als Revanche, kommt mir zwar sehr sonderbar vor, doch - Dein Wunsch ist mir Befehl. Vielleicht sind meine Ansichten veraltet.
Der Auftrag für Deine Hausfrau ist mir gar nicht angenehm. Denn erstens verstehe ich das Wort „garsse“ nicht und zweitens nicht, was sie sich unter „ganz gute Qualität“ vorstellt. Strümpfe gibts ja von 2 bis 30 S. Auch die Größe der Kombination ist nicht angegeben. Ich werde halt kaufen, was mir gut dünkt, nicht?
Wegen des Zolles habe ich eigentlich keine besondere Angst. Denn wenn man in ein solch mondänes Bad fährt, braucht man auch die entsprechende Wäsche.
Über alle Geldangelegenheiten werden wir dann sprechen. Ich habe von Rommel nichts geborgt, doch weiß ich, wie die Sache mit den 150 S ist.
Solltest Du leihweise keine Liegestühle bekommen, dann laß es. Wir sind ja nicht sooo erholungsbedürftig.
Eben schlägt es 10. Es freut mich nur, daß Dir meine spätere Ankunft nun günstiger erscheint. Im Übrigen, Schatz, hätten wir auch anderenfalls am 4.oder 5. August erst nach Varna fahren können. Mir ist das doch gleich. Wenn ich nur bei Dir bin, Liebstes; alles andere ist Nebensache.
Von Fredy habe ich wohl aus Linz Nachricht, aber noch keine aus Rottenbach.
Heute in 8 Tagen sind wir schon bei Dir! Dann Fortsetzung! Grüße Fini und Fritz. Ich freue mich schon, wenn ich Finis Handtuch erblicken werde.
In inniger Liebe
Gretel
Russe, 25.7.1935
Mein lieber Bub!
Nun bin ich erst den vierten Tag in Russe und doch scheint es mir schon sehr, sehr lange.
Das Städtchen ist recht nett gelegen. Vorne die Donau; im Hintergrund liegen Hügel. Eben schreit wieder jemand. Ich verstehe nur „Iiiia“. Ob das Wort auch Mitlaute hat, weiß ich nicht, auch nicht, was es bedeutet, doch höre ich jeden Tag das Schreien.
Für Euch Buben würde es wohl einiges Interessantes hier geben. Die Türken mit ihren Eseln. Die Tiere sehen übrigens alle schrecklich verhungert und verwahrlost aus. Sie bekommen nichts zu fressen als das Gras und die Disteln, die sie am Wege finden. Mit den Pferden ist es genau so. Außer ein paar Militärpferden, die tatsächlich sehr gut gepflegt sind, sehe ich nur solche „Krepierln“. Sie werden im allgemeinen sehr schlecht behandelt.
Gegessen haben wir bis jetzt im Gasthaus, doch koche ich ab heute selbst. Auf die Dauer tut’s mir doch nicht gut und Zeit hab’ ich ja genug. Nach Varna oder besser gesagt nach Svate Konstantin fahren wir erst am 4. August. Im Großen und Ganzen ist’s mir auch gleich. Für Vater wird die Ruhe gut sein. Trotzdem ich finde, daß er sehr gut aussieht.
Heute kommt der Chef der Berliner Amtsmontage. Da gibt es wieder Repräsentationspflichten, das heißt, bis weiß ich wann im Gasthaus sitzen. Jetzt ist es gut, daß ich Werner mit mir habe, da kann ich doch nach Hause gehen.
Eine Einladung hatten wir gleich am Dienstag zu dem hiesigen Postmeister Herrn Ing. Nikoloff. Herr Nikoloff spricht etwas deutsch, Frau Nikoloff gar nicht. Beinahe fürchtete ich die Unterhaltung. Es ging aber besser als ich dachte. Herr Stör spricht ziemlich gut französisch, Herr Nikoloff desgleichen, so ging es in dreierlei Sprache leidlich. Wir haben sogar sehr viel gelacht.
Die Kinder unserer Hausfrau sind sehr nett, besonders die Kleine. Aber sie gefällt einem wohl nur besser, weil sie hübscher ist. Lieb sind sie alle beide sehr. Und riesig gefällig. Auch alle anderen Kinder scheinen nett zu sein. Ich habe während dieser Tage in ganz Russe noch niemand raufen gesehen. Kannst Dir denken, wie wohl mir das tut.
Ihr seid nun wohl mit der Bahn gefahren, denn Freitag morgens hat es ja greulich geregnet. Bei unserer Fahrt bis nach Bratislava. Dann hat es sich ausgeheitert und abends fuhren wir bei sternhellem Himmel auf das hell erleuchtete Budapest zu. Da hat’s mir wirklich leidgetan, daß Du nicht dabei sein konntest. Die Illumination ist direkt großartig. Wohl alles auf Fremdenverkehr berechnet.
An und für sich waren die ersten zwei Tage Fahrt ziemlich eintönig; so ungefähr wie zwischen Kritzendorf und Tulln. Der dritte Tag war dafür umso schöner. Davon werde ich Dir noch erzählen.
Als wir Montag früh gegen Russe kamen, ging eben hinter den Häusern die Sonne auf. Da gefiel es mir sehr gut und als Vater und Frau Stör vom Bahnhof aus kräftig winkten, winkte ich ebenso kräftig zurück. Wie sie mir dann erzählten, dachten sie aber schon wieder, ich käme nicht, und das winkende Wesen sei ein Schiffsoffizier. Na, dafür war die Freude dann umso größer. Vater hat Werner gar nicht erkannt.
Hoffentlich bekommen wir bald Nachricht von Dir, wenn Du vom Zirbitzkogel zurückbist. Bitte, laß Tante Olga den Brief auch lesen, sonst muß ich alles drei Mal schreiben. Trude soll berichten, wie es ihr im Geschäft geht. Und wie fühlt sich Großmama?
Viele Busserl an alle!
Mutter
Vienna, the 17 of august, 1935
Dear Mother,
I thank you very much for your nice card, which I receives this week. I hope you, father and Werner are quite well, and had a fine time on the sea.
On monday I made a trip. I came through LAXENBURG-TRAISKIRCHEN- PFAFFSTÄTTEN-BADEN-HEILIGENKREUZ-ALLAND-KLAUSENLEOPOLDSDORF-PRESSBAUM-REKAWINKEL-PURKERSDORF-WEIDLINGAU-VIENNA. In Laxenburg I went to see the park of the castle. This was splendid. There I saw some squirrel, one wood-pecker, three hares, and one roe. At Baden i stoped the second time. I bought a quarter pears, for it was just market-day. After a ride of one and a half hour I reached Heiligenkreuz, from where I came to Alland over a little montain. Tell father, the smithy, where he let repair his steelhorse, is adapted now. Between Alland and Klausenleopoldsdorf I took a bath in the river there. In Klausenleopoldsdorf I had my lunch, which contained of soup, meet and salad, only for the price of S 0,70. Over Hochstraß it went to Preßbaum. At 4 o’clock I arrived Weidlingau, and at 8 o’clock I was at home again.
Good night! Sleep well!
[Anfang fehlt]
18.8.35.
Bericht vom Zirbitzkogel, Fortsetzung. 6. Tag, Freitag, 26.7.
Alle, außer Herr Wenty und ich, gingen nach St. Wolfgang einkaufen. Wir beide gingen an diesem Tag auf Granatensuche aus. Das Ergebnis war: 23 Steine (Granaten von ein halb bis dreieinhalb ccm und Herrn Wenty’s als Meißel verwendetes gebrochenes Messer. Wir gingen um 8 Uhr von der Hütte fort. Entlang eines der vielen Bäche, die es dort gibt, zu einer, von uns schon vorher aufgesuchten Granatenstelle, wo wir auch wirklich viele fanden. Von dort gingen wir noch auf dem Oberbergkogel, wo ich beinahe abgestürzt wäre. Das war so: Der Weg war dort nur 30 cm breit und ging steil hinunter. Auf einmal lag ein großer Stein am Weg und ich rutschte und hielt mich gerade noch an einem Grasbüschel fest. Ich dachte mir nämlich, daß es da mindestens 2 m tief hinuntergehen müßte. Zum Glück sahen wir dann, daß es in Wirklichkeit nur ein Viertelmeter war. Nachher kamen wir über eine Schneemulde wirklich in die Hütte. Abends kamen auch die anderen von Wolfgang herauf. Sie erzählten uns, wie schön es war.
7. Tag, Samstag, 27.7.
Heute ging es auf den Kreiskogel. Wir brachen um 6 Uhr auf, denn wir dachten uns, daß es ein sehr weiter Weg werden würde. Wir gingen über die Frauenlacken, wo die jungen Grasfrösche wie Heuschreckem umherhüpften. Dann ging es ein wenig steil zu dem Vorläufer des Kreiskogels. Dort fanden wir wieder sehr viele Granaten, aber nicht in Steine eingeschlossen, sondern lose am Weg liegen. Wir sammelten natürlich fleißig, bis wir alle Säcke vollgestopft hatten. Auch sahen wir stark verwitterten Gneis, welcher wie Kalk aussah. Auf dem Kreiskogel warfen wir Kieselsteine auf den unter uns liegenden Ochsenbodensee. Wir sahen auch oben die Einschüsse der Artilleriegeschütze, welche vor uns hier waren und Übungen abhielten. Dann gingen wir in das Winterleitenschutzhaus auf eine Jause. Von dort ging es dann heim.
8. Tag. Sonntag verbrachte ich die ganze Zeit in der Nähe der Hütte.
9. Tag. Wir gingen über die Schmelz zur Savaty-Alm. Dort kamen wir um 10 Uhr hin. Wir aßen dort zu Mittag, dann ging es wieder heim.
10. Tag. Da es ein 8 Stunden langer Weg gewesen wäre, blieben Frau Wenty, Trude, noch zwei Leute und ich in der Hütte. Wir gingen Erdbeeren suchen und fanden auch 2 Liter.
11. Tag. Abstieg von der Seetalerhütte nach Judenburg. Wir kamen um 11 Uhr nach Judenburg, um 12 Uhr 30 ging unser Zug. Bis St. Michael ging es im Triebwagen, dort mußten wir ein halbe Stunde warten und dann ging es weiter nach Bruck. Dort mußten wir 4 Stunden auf Anschluß warten. Wir sahen uns mittlerweile die Stadt Bruck an. Sie hat einen ähnlichen Glockenturm wie Graz. Um halb zwölf Uhr nachts kamen wir in Wien an. Am nächsten Tag ging ich zur Großmama.
30.8.35
Liebe Mu!
Nun wurde der Bericht vom Zirbitzkogel endlich fertig. Vorigen Samstag war ich mit Tante Olga auf der Wallbergerhütte. Wir gingen durch den Tiergarten. Zum ersten Mal sah ich dort eine Bache frei. Sie kam, als sie uns sah, näher, denn sie dachte wahrscheinlich, daß wir ihr etwas mitgebracht hätten. Dann ging es beim Dianator hinaus und über die Wallbergerhütte, Baunzen, Weidlingau, Eden zum „Sanften Heinrich“. Morgen gehen wir wieder fort. Wahrscheinlich auf die Sophienalpe.
Bei uns ist das Wetter sehr unsicher. Heute regnete es den ganzen Vormittag und jetzt um 4 Uhr ist es wieder sehr schön.
Viele Busserln an Euch alle drei
Euer Robert
30.8.35
Liebe Tante und Onkel!
Über Deinen letzten Brief haben wir uns sehr gefreut, weil er sehr interessant war. Sehr erstaunt warten wir über die billigen Lebensmittel- und Marktpreise. Mir imponiert am meisten der billige Honig. Schade, daß man da keinen mitbringen kann. Hier ist es heuer mit dem Einkochen nichts, das Obst ist viel zu teuer. Marillen sind unter einem Schilling überhaupt nicht zu bekommen gewesen. Vielleicht wird es aber noch etwas mit Zwetschken. Jetzt kosten sie -.35.
In der Wohnung ist alles in Ordnung. Die Betten nehme ich auch auseinander. Hab 2 „Stücker“ bis jetzt gefunden. Vorgestern habe ich den kleinen Trog in den Hof gestellt und ihn mit Wasser angefüllt. Natürlich ist er nicht ganz dicht gewesen. Aber ich ließ ihn auch über Nacht stehen, da hat es geregnet und nun rinnt er nicht mehr. Ich geb ja sowieso immer das nasse Ausreibtuch darüber.
In der Schule geht es mir gut. Auf die letzte Schularbeit hatte ich 1 bis 2, also eine „sehr gute Arbeit“. So sagte nämlich meine Lehrerin. Heute haben wir wieder eine Schularbeit. Hoffentlich geht es ebenso gut. Alle Bekannten spanne ich ein zum Diktieren.
Nur wollen sie nicht alle. In Deutsch und Mechanik brauche ich auch jemanden zum Überprüfen. Nun, da opfert sich Schw. Körbler. Morgen wird sie mich in Grammatik prüfen. Ich hoffe, ich kann etwas, denn sie ist sehr streng, wenn ich nichts kann. Im allgemeinen bin ich mit mir zufrieden. Wenn’s die Prüfungskommission auch sein wird, dann ist alles gut. Tante, ich freue mich schon sehr, wenn Du kommst. Nun muß ich in die Schule.
Lebt wohl, alle Drei, und noch recht eine schöne Zeit! Grüße an Familie Stör. Viele innige Busserl
Eure Trude
Lieber Onkel und liebe Tante!
Ich habe immer gewartet, bis Robert endlich fertig geschrieben hat, nun ist’s seit Freitag so weit, aber da ich glücklicherweise seit zwei Wochen wieder Arbeit habe, kann ich erst heute meinen „Tee“ dazugeben. Gestern war ich bei Siemens, Frl. Strauß hat mir das Geld gegeben, da Herr Rommel vorgestern auf Urlaub ging, dann schickte mich Ing. Kretschmar, zu Herrn Markus ins Personalbüro wegen der Arbeitgeberbestätigung für Roberts Bücherbogen; letzterer Herr ist recht hochmütig und ließ mich unnötig lang warten, ich wäre bald aus der Haut gefahren vor Ungeduld.
Morgen schicke ich das Geld für Fredl, da er schon 10 Jahre alt ist, muß er die ganze Karte bezahlen und es kostet im Personenzug S 13.70 von Linz bis Wien, für das Rad ist per angefangene 5 kg S 0.50 zu zahlen, so wird es also samt den 2 S für Fredls Verfügung mit S 30 ausgehen. Ja, Tante, das wollte ich Dir auch schreiben, Anny hatte bei der eintägigen Schiffahrt von Budapest nach Wien jetzt 7 Stunden Verspätung. Wenn Du bei den normalen 5 Tagen Fahrt auch jeden Tag so 6 bis 7 Stunden später dran bist, geht’s mit dem Schulanfang gar nicht mehr aus.
Frau Hochberg kann ich nun nicht besuchen, aber Emma geht jetzt fleißig zu ihr ins Spital und kocht für Albert und den Stiefvater. Jetzt tut ihr die Mutter doch leid, die Arme hat auch Gebärmutterkrebs und kann, weil sie zuckerkrank ist, nicht operiert werden. Eine Neuigkeit: Die zwei Schwestern Przybyla haben am gleichen Tag entbunden, und zwar am 17.8., Adele einen Buben, Steffi ein Mädel. Lustig, was? Am selben Tag geheiratet und nun auch dies. Rosa läßt herzlich für die schöne Karte danken und läßt Euch herzlich grüßen.
Der Marktbericht hat mich sehr gefreut und der Mund wässerte mir. Pflaumen kosten jetzt 35 g, Trauben 80 g, Birnen und Äpfel ca 40 bis 50 g. Also, das geht ja auch schon an.
Seid herzlich gegrüßt von
Eurer Hansi und Großmama
Russe, den 8.9.35
Mein Herzlieb!
Unser Abschied wurde ja durch die anderen Leute leichter. Es war dies ja wirklich sehr lieb von ihnen. Herr Mildner und Rahn wollten mich noch in ein Kaffeehaus mithaben, doch lehnte ich ab.
Ich ging dann über den Weg beim Kasinogarten nach Hause und sah noch Euer Schiff, dann, nach 10 Minuten verschwand es hinter den Bäumen unserer Insel.
Zu Hause war es wohl recht einsam, aber es war ja spät und ich schlief gut bis halb 8 Uhr. Ich gab die Tasche mit den Weintrauben zurück, aß natürlich auch viel davon und Butterbrot mit Honig und ging dann zur Post, wo ich Fritz traf und später mit ihm spazieren ging. Mittag gab’s, wie Du ja weißt, Paprika mit Paradeissauce. Und danach schliefen wir bis 4 Uhr, ich in Finnys Bett. Das war sehr gut, denn ich hatte schon den ganzen Tag Kopfweh, trotz 2 Aspirin. Dann schauten wir uns „100 Tage Napoleon“ an. Mir gefiel es ausgezeichnet. Fritz war natürlich weniger begeistert, weil er alles von der deutsch-nationalen Seite ansah. Nachher gingen wir bis zum Ende der Allee und durch den Park, wie wir vor 2 Wochen, wieder zurück. In der „Slaca Gruscha“, wo wir gestern abends waren, haben wir Nachtmahl gegessen und jetzt, um halb 10 Uhr, bin ich schon zu Hause.
Das Zimmer schaut recht leer aus, da der Diwan schon fort ist.
Mein Liebes, Du. Ihr werdet wahrscheinlich schon schlafen. Hoffentlich war Euch heute nicht zu kalt, denn bei uns war es sogar in der Sonne kühl. Wenn Ihr nur auch weiter bezüglich des Übernachtens Glück habt.
Schreib mir, mein Schatz, wie alles war.
Viele 1000 Küsse
Russe, den 12.9.35
Mein Schatz!
Du bist, wenn die Fahrt nicht zu viel Verspätung hatte, nun schon daheim. Das wird wohl eine große Freude gewesen sein!
Ich wollte Dir schon früher schreiben, damit Du, wenn Du nach Hause kommst, schon einen Brief hast, aber es ging nicht. Wir haben jetzt närrisch viel zu tun, da die Netzabnahme im vollen Gange ist. Und dazu noch die weiteren Verpflichtungen abends. Montag kam der Abnahmebeamte, abends Markoff bis 12 Uhr. Dienstag Dr. Widl, Markoff und Bulgaris, 2 Uhr. Mittwoch der Generaldirektor von Sofia, Markoff, Bulgaris, 4 Uhr. Heute kam Dir. Thieß von Berlin, Gott sei Dank ohne Markoff. Wenigstens einmal wieder ausschlafen.
Deine Karte vom Lom erhalten, schönen Dank dafür, muß nach der Karte sehr schön gewesen sein. Bin schon recht neugierig auf den Bericht und wie Ihr auf dem kleinen Schiff untergebracht wart.
Mittwoch früh kamen Hr. u. Fr. Tank, Frau Lindner und noch andere Rumänen zurück. Vielleicht habt Ihr sie gesehen.
Liebes Kind, mir fallen schon die Augen zu, gute Nacht!
Viele Busserln an Euch
Vater
13.9.35, 7 Uhr früh
Liebes Kind!
Oh, das ist fein, wenn man ausgeschlafen ist! Will schnell noch ein paar Worte schreiben, denn die halbe Seite leer lassen, das geht doch nicht. Dann geht’s zur Post. Heute kommt um 9 Uhr Dir. Thieß, eine große Persönlichkeit von Berlin, in Bezug Montage. Hoffentlich geht auch da alles gut. Heute ist zwar der 13. und noch dazu Freitag, aber abergläubisch bin ich nicht.
Grüß die Kinder mit vielen Busserln
Vater
Wien, 13.9.1935
Mein Liebstes!
Nun geht also die Schreiberei wieder los. Lieber wär’s mir, es wäre geblieben, wie es war. Andererseits aber fühle ich mich doch wieder wohl in meinen vier Pfählen. Die Kasten sind wirklich sehr schön geworden und auch so ziemlich passend. Allerdings etwas dunkler als die Originalmöbel.
Hansi und Robert haben mich abgeholt. Und wir sind mit dem Taxi nach Hause gefahren. Tut mir eigentlich sehr leid, denn die Geschichte kostete 6 S. Aber nun ist es schon geschehen. Budapest kostete mich auch ca. 6 S. War aber eine sehr ausführliche Rundfahrt. Dreieinhalb Stunden. Ich glaube, es gibt sicher nichts Interessantes mehr, das man nicht gesehen hätte. Außer einigen Gebäuden wie Parlament, Fischerbastei u.s.w. sieht es wohl so ähnlich aus wie in Wien. Nur ist der Ring kaum halb so breit, die Oper bei gleicher Bauart halb so groß wie hier. Was Budapest so schön macht, sind die steil neben dem Donauufer aufragenden Hügel. Zwei großartige Badeanstalten haben wir auch innen besichtigt. Die Stadt hat nämlich eine Menge Heilquellen. Die wärmste hat eine Temperatur von 86 Grad.
Mein Bett am „Jupiter“ war beide Nächte frei. Auch auf der „Budapest“, auf der wir weiterfuhren, gehörte ich zu denen Ausnahmen, die Kabine hatten. Zwar das Oberbett, aber es ist leidlich gegangen. Für die Mehrzahl der Passagiere wurden abends im Speisesaal Notbetten aufgeschlagen. Kannst Dir den Rummel abends und morgens vorstellen! Die beiden ersten Tage hatte wir sehr kalten Wind; am dritten Tag regnete es. War natürlich noch kälter. Dafür war man am vierten Tag ganz überrascht, Schönwetter anzutreffen, sogar verhältnismäßig warm. Und ja näher wir Wien kamen, desto wärmer wurde es. Angekommen sind wir mit einer Verspätung von 20 Minuten.
Die Zollgeschichte wickelte sich ziemlich glatt ab. Natürlich aber sehr langsam. Die Trauben haben sich zum Großteil gehalten.
Ja, etwas wollte ich Dir schreiben. Der Herr, der auf dem Schiff mit uns am Tisch saß, war von Siemens-Schuckert, Berlin. Seit 5 Jahren lebt er in Salzburg, 28 Jahre war er bei der Firma.
Auch daß ich mit Frl. Käthe (unserer Hausfrau) nach Hause fuhr, war vielleicht ganz gut. Man wurde dadurch etwas näher bekannt. Sie findet ja, daß unsere Kinder sehr gut erzogen sind. Jedenfalls die bravsten vom ganzen Haus, was sagst Du nun?
Die Kinder alle vier sind sehr erfreut über ihre Geschenke. Wegen Roberts Schulbüchern ist eingereicht. Ich war noch am Abend des Ankunftstages beim Fürsorgerat, weil er Auskünfte wollte. Viel Hoffnung hat er mir ja leider nicht gemacht.
Fredy hat am 16. nur Einschreibung in die Klasse. Am 18. ist erst Kirchengang. Wegen Werner weiß ich gar nichts. Die Spielschule auf der Josefstädterstraße ist vorläufig gesperrt. Bei der Kirche die Spielschule ist, wie ich vermutete, katholisch und von Schwestern geleitet. Robert muß nun wirklich in die Zeltgasse gehen.
Wie ist es Euch ergangen bei der Netzübergabe? Wahrscheinlich ja gut. Bin aber doch neugierig, wie lange es gedauert hat. Wieviele Gelage Ihr hattet. Wer von Wien kam.
U.s.w.
Zwei Filme haben wir zum Entwickeln gegeben. Bin schon neugierig, wie sie werden. Hauptsächlich ja Dein Bild.
14.9.
Nun haben wir die Filme schon. Sie sind im allgemeinen gut. Du machst ein sehr liebes Gesicht. Von der Strecke Kazan - Russe und Beograd - Kazan habe ich Aufnahmen gekauft, je 10 Stück zu S 1.50. So gut und billig kann man sie ja selbst gar nicht machen.
Trude bekam gestern die Verständigung, daß sie am 28. zur Prüfung zu kommen hat. Damit natürlich nicht alles glatt geht, sagte man ihr vorgestern auf der chirurgischen Klinik, daß sie einen mehr als fingerlangen Bruch hat (Leistenbruch). Muß natürlich operiert werden. Hoffentlich werden die Schmerzen jetzt nicht gar zu arg, so daß man die Operation wenigstens bis nach der Prüfung aufschieben kann.
Schw. Körbler hat nun wirklich Aussicht, was Kleines zu bekommen. Ist schon drei Monate schwanger. Selbstredend ist das strengstes Geheimnis.
Fredy ist leider derselbe geblieben, der er war. Wenn er nicht gerade Robert oder Werner neckt, sitzt er irgendwo und findet etwas zum Weinen. Und ich kann nicht entdecken, was der ewigen Heulerei zu Grunde liegt. Im Frühjahr dachte ich, er wird sich über den Sommer erholen. Robert macht eben ein Bild von Dir, Fredy und ihm. Ich werde es gleich beilegen.
Nun, Schatzerl, leb wohl! Grüße Störs und alle anderen Bekannten. Unsere Mädels ganz besonders. Sag Frau Kallinova, ich werde dieser Tage wegen Gummihandschuhen schauen.
Viele 1000 heiße Busserl, von Deiner
Gretel
Russe, den 17.9.35
Lieber Schatz!
Vor 14 Jahren, mein Lieb, waren wir in Weingart! Das war doch wunderschön, wie wir denn nach Grimmenstein, Prigglitz und am Schneeberg gewandert sind. Weißt noch, Liebes, unsere Übernachtung in Grimmenstein? Das Fenster aufs Dach heraus, der Mond hat ein wenig geschienen. Und wir beide waren so glücklich. Schön war’s. Aber wir sind uns in diesen Jahren noch viel lieber geworden und das ist das Allerschönste. Gelt, Schatz! Vielleicht in 5 Wochen bin ich schon bei Dir und den Kindern.
Die Bilder und den Brief bekam ich heute. Freue mich, daß Du und Werner es auf dem Schiff halbwegs gut gehabt habt. Um das Geld für Budapest braucht Dir wohl nicht leid zu sein. Ich bin froh, daß Du so viel davon hattest. Seid Ihr in Adda Kaleh ausgestiegen? Von Taufs hörten wir, daß Eure Schiffe in Belgrad nebeneinander gestanden sind. Hat Werner bei Dir geschlafen, auf der „Budapest“? Die Kopien Eurer Aufnahmen sind nicht sehr gut. Es wäre vielleicht gut, wenn Ihr mir die Negative senden würdet. Auch wenn sonst noch Kopien zu machen sind.
Unsere Abnahme geht gut vonstatten. Morgen oder übermorgen werden wir fertig. Diese Woche, Dr. Widl ist Sonntag weggefahren, bin ich wieder solide und gehe zeitig schlafen. Gestern war ich sogar nicht mit Störs im Kino. Beide wollten im „Royal“ „Ball im Savoy“ sehen, doch kostete der Balkonplatz Lw.21. Da sind sie lieber ins Freiluftkino gegangen.
Meine guten Vorsätze, das Nachtmahl zu Hause zu essen, sind beim Teufel. Solange Du da warst, habe ich eine ganz andere Vorstellung vom Daheim-Alleinsein gehabt. Aber jetzt freut’s mich nicht, außer wenn ich Dir schreibe, so wie heute. Da Du Fini gesagt hast, daß ich abends mir selber etwas kaufen will, hat sie sich gar nicht getraut, mir zu sagen, ob sie für mich auch das Nachtmahl nehmen soll. Morgen Mittag gibt übrigens eine Ente, weil Fritz Geburtstag hat. Und da erinnere ich mich eben, daß wir vor drei Jahren auf der Hohen Wand waren.
Noch einmal die Bilder. Fredy ist furchtbar. Bitte nehmt ihn nochmals auf. Aber laßt doch früher die Haare trocknen. Und ein bißchen lachen könnte er auch.
Schade, daß Du nicht doch die ganzen Weintrauben mitgenommen hast. Vielleicht wären sie doch bis Wien gut geblieben. Sie kosten im übrigen noch immer Lw.2 bis 2,5. Gemüse wird schon ein wenig teurer.
Herr Schmidt muß nun doch in Sofia bleiben. Es ist dies natürlich beiden nicht recht, doch was soll man denn machen. In Sofia wird es doch auch ein Sanatorium geben. Frau Weiß geht es ein wenig besser. Samstag fahren Durschmied, Beciste und Weiß nach Hause.
Wir werden mit unserem Amt schon fertig, so daß, wenn am 1.10.die Kommission kommt, wir am 12. bis 15.10. fertig sein könnten. Ob es da bis zu meinem Geburtstag ausgeht, weiß ich nicht bestimmt, aber wenn’s auch einige Tage später ist, gelt, das macht schon nichts mehr aus. Wir sollen im übrigen ab 1. November einschalten, so daß mein Urlaub nicht ganz ausgenützt sein wird.
Ich fahre jedoch offiziell nach Wien, da ich doch bei der Firma verschiedenes erledigen will. Auch könnte man mich ja doch sehen, das würde nicht gut ausschauen.
Du hast recht, das Briefschreiben ist nicht das Richtige, doch was soll man sonst machen, um mit dem Liebchen zu plaudern. Schreib mir bald das Maß vom Robert.
Grüße und küsse die Kinder, dem Werner noch extra eine „Lego Noscht“.
Viele Busserln
Robert
Wien, 17.9.1935
Herzlieb!
Weißt Du, was heute ist? Der erste Hochzeitstag, den ich ohne Dich verbringen muß. Und mir ist doch so bang nach Dir. Ich wußte ja, daß es doppelt schlecht wird, nachdem ich wieder spürte, wie schön es mit Dir ist.
Dank für Deinen lieben Brief, den ich gestern erhielt. Du armer Kerl! Konntest ja fast die ganze Woche nicht schlafen. Jetzt wo Du Dein Bett wieder so alleine hättest. Da ist es ja mir noch besser gegangen.
Na, hoffentlich war auch am Freitag den 13. alles gut. Ich warte schon wieder sehr auf weitere Nachricht.
Werner ist in der Spielschule aufgenommen. Doch fangen die neuen Schüler erst nächsten Montag an. Die Schule ist wenigstens dem Aussehen nach Montessori-Schule. Alles sehr nett. Es ist wöchentlich ein Beitrag von 1 S zu bezahlen. 50 gr Besuchsbeitrag und 50 gr für Kakao. Außerdem jeden ersten Montag des Monats 50 gr Elternbeitrag. Bin schon neugierig, wie es ihm gefällt. Erst wollte er ja gar nicht gehen, als wir aber dann einschreiben waren, gefiel es ihm scheinbar sehr gut.
Nun gute Nacht, mein Lieb! Ich bin so schläfrig.
18.9.
Liebstes! Wieder nur ein paar Zeilen. Robert bekommt die Bücher von der Schule. Es ist heute bereits der Bescheid eingelangt. Mit Fredy gehe ich morgen kaufen. Kann sein, daß er auch einige Sachen aus der Schülerlade entlehnen kann, doch weiß ich’s noch nicht.
Morgen kommen Deine Leute. Allerdings ohne die Richards. Richard und Annerl sind weg. Bernhard war gleich Freitag da; den ganzen Tag wie gewöhnlich. Die Zig. an Frl. Strauch habe ich noch nicht abgeliefert.
Dieser Tage fiel mir ein, daß ich den Ziegel aus Messemvria vermisse. Erinnerst Du Dich, daß wir ihn neben der Bank hinlegten? Wahrscheinlich hat ihn doch Frau Kallinova, als unnütz, befördert.
Es ist erst 10 Uhr, aber ich schlafe schon wieder halb. Ich weiß nicht, macht das jetzt die Kälte? Es ist nämlich erbärmlich kalt. Vorgestern regnete es den ganzen Tag. Gestern war’s schön, heute ist’s veränderlich, mit sehr kühlem Wind. Ich friere ständig.
Schlaf gut, mein Lieb, ich geh ins Bett!
Sei innig und heiß umarmt
von Deinem Weib
19.9.35
Mein lieber Mann!
Unsere Gäste sind eben weggegangen. Es war ganz nett. Ich glaube, so viel auf einmal habe ich noch nie geredet. Olga, Bernhard und Rudolf sind unverändert. Mitzi ist so dick wie ein Faß.
Heute habe ich Fredys Bücher gekauft. Wir haben alles antiquarisch bekommen, bis auf den Atlas und das Sprachbuch. So kommt die Sache jetzt auf 48 S. Natürlich nur die Bücher. Was nun noch an Heften und sonstigen Dingen kommt, weiß ich nicht. Als Freigegenstand wird bei Fredy Handarbeit, Gemischter Chor und Kirchenchor gerechnet. Für die beiden ersten Gegenstände ist er angemeldet. Französisch ist 5 Stunden in der Woche.
Jedenfalls kommt mir vor, daß sie nicht allzuviel Unterricht haben. Drei Mal pro Woche bis 12 und dreimal bis 1. Die Freistunden sind noch nicht eingeteilt.
Roberts Stundenplan ist noch nicht fix.
Weißt Du, daß während meiner Abwesenheit der schlechteste Teil unseres Hauses (die Veranda oberhalb der Säulen) ganz so gestrichen wurde, wie ich’s immer im Sinn hatte. Mit Ölfarben in dem Ton wie das Apollo. Die Fensterrahmen auch frisch weiß, so schaut’s jetzt ganz nett aus.
Ich habe Frl. Käthe gefragt wegen des Maria-Theresien-Schlössls. Sie erklärte mir die Sache so: Es stand hier in der Nähe ein Schlössl. Ihr Großvater hat es gekauft und mit denselben Ziegeln im selben Stil hier wieder aufbauen lassen. (Natürlich, nachdem es demoliert war.)
Mir scheint, ich muß aufhören. Ich mache vor lauter Schlaf schon einen Fehler nach dem andern.
Morgens werde ich immer zu früh wach, und schlafe ich nochmals ein, verschlafe ich mich. So muß ich eben wach bleiben.
Nun muß ich Fredys wegen wahrscheinlich nochmals ins Geschäft zur Bestätigung des Gehaltes. Es ist wegen des Schulgelds einzureichen. So wird vielleicht Frl. Strauch eher zu ihren Zigaretten kommen.
Viele Busserln
Gretel
Wien, 24.9.1935
Mein Liebling!
So erfreut wie Dein letzter Brief hat mich schon lange nichts. Daß Du doch an unseren Hochzeitstag gedacht hast! Und wie recht hast Du, Kind, daß wir einander nur immer lieber bekommen. Je länger wir einander haben, desto weniger kann ich mir vorstellen, daß es einmal anders sein könnte. Heute nacht habe ich von Die geträumt und diesmal warst Du auch im Traum sooo lieb. In mir wird alles so eng, wenn ich daran denke.
Aber heute kann ich beinah nicht schreiben. Fredy ist heute wieder so ausgelassen, daß man aus dem Lachen nicht herauskommt. Wenn er eben nicht weint, dann lacht er ohne Ende. Ist mir jedenfalls lieber.
Nun, Kind, zu Deiner Beruhigung: Mir ist wirklich nicht leid um das Geld für Budapest. Wer weiß, wann sich sonst wieder Gelegenheit bieten würde, diese Stadt zu sehen. Noch dazu hatten wir fast 4 Stunden für die Rundfahrt, während sie manchmal in 40 Minuten erledigt werden muß.
In Adda Kaleh sind wir natürlich ausgestiegen und war mir nur leid, daß Herr Schmied nicht mehr bei uns war. Es gibt dort sehr viele interessante Ruinen. Viel mehr als in Messemvria. Auch ist manchmal oben darauf gebaut. Einzelne sind auch direkt bewohnt.
Daß das Gegenschiff in Belgrad neben uns stand, wußte ich nicht. Abends bin ich schlafen gegangen bevor wir nach Belgrad kamen und morgens war das andere Schiff wohl schon weg, als ich an Deck kam. Werner mußte leider bei mir schlafen, noch dazu in einem Oberbett. Na, ist ja vorbei.
Unsere Aufnahmen sind durchwegs nicht besonders. Ich werde Dir einige Negative beilegen, ein andermal wieder welche. Der Fotograf meint, die Filme hätten zu wenig Silber gehabt. Das Bild vor der Poststiege freut mich sehr, denn es ist sehr gut.
Nun Schatz, wenn ich Fini von Deinen guten Vorsätzen erzählte, meinte ich bestimmt nicht, daß Du sie noch in der Zeit ausführen würdest, wo Störs unten sind. Das war doch selbstverständlich erst für später gemeint.
Daß die Trauben noch immer so billig sind, freut mich für Euch; bei uns kann man doch keine kaufen, da sie mindestens S 1,30 kosten. Bei Frau Slavitinsky hat der Mehltau viele vernichtet. Ich war Sonntag mit Robert draußen. Leider konnten wir erst nachmittag wegfahren, weil Werner wieder einen Brechdurchfall hatte. Hat aber nicht länger gedauert als in Russe. Nachmittags kam dann Hansi und wir fuhren ab. Als wir gegen 3 Uhr hinauskamen, sagte uns Fr. Slavitinsky: „Die san grad in Wald ganga.“ Frl. Mitzi, Frl. Fleischmann und Hr. Zahlmann nämlich.
Robert ging sie zwar suchen, aber ohne Erfolg. So mußten wir um halb sechs wieder fortfahren, ohne außer Fr. Slavitinsky jemand gesehen zu haben.
Fr. Slavitinsky erzählte mir hauptsächlich von der Krankheit der Katze. Sie werden sie vertilgen müssen. Ich weiß nicht, ob Du Fini etwas davon sagen sollst.
Sonst ist draußen jetzt alles in Ordnung. Rosi hat sich in ihr Amt als Hausmütterchen bereits gefunden und meistert ihren Vater.
Daß Hr. Schmidt nun doch nicht heimkann, tut mir für die beiden leid. Denn wenn es auch ein Sanatorium gibt in Sofia, was wird mit Marlenchen?
Frau Weiß ist ja nun schon in Wien und wird sich hoffentlich hier wieder erholen.
Wenn Eure Kommission nur auch am 1. kommt und nicht wie jetzt um 8 oder 10 Tage später. Wir freuen uns doch schon alle sehr auf Dein Kommen.
Gestern war ich bei Siemens. Habe Frl. Strauch und Fritz gesprochen. Das Fräulein läßt sich natürlich sehr bedanken und will die Zigaretten absolut bezahlen. Na, das könnt Ihr Euch dann ausmachen. Viel hab ich natürlich dort nicht gesprochen. Fritz und Hella werden einmal herüberkommen. Auch gehe ich Montag abend hin. Einen Sprung war ich auch gestern bei Hella. Sie sieht ganz gut erholt aus.
Finis Fußböden hat Mutter sehr schön gestrichen. Auch der umgearbeitete Kasten ist schön geworden, doch sah ich ihn nur ungestrichen.
Unser Honig ist leider, leider zu Ende. Und es geht mir so wie früher zu Hause. Ich möchte etwas und weiß nicht was. Das Gefühl kannte ich in der Honigperiode gar nicht. Und nun las ich seltsamerweise gestern bei einem Honiggeschäft, Honig ist gesund für Kranke und Kinder. Besonders gegen Nervosität und Magenleiden. Vielleicht war’s wirklich gut für mich, denn ich habe in der Zeit sehr wenig Salzsäure gebraucht.
Die Geldverrechnung mit Fritz erfolgt am 1.10. Allerdings hat mir Hella vorläufig 140 S gegeben.
Nun, mein Lieb, leb wohl und schlaf gut! Grüße mir Störs und Kalinows.
Deine Gretel
Russe, 26.9.35
Mein liebes Butzerl!
So schreibunlustig war ich Dir gegenüber schon lange nicht. Ich mache mir schon Vorwürfe, daß Du so lange warten mußt. Je näher die Zeit kommt, wo wir uns wieder haben werden, desto weniger will ich schreiben. Es ist aber auch gar nichts los bei uns. Oder aber doch, denn das Netz ist gut übernommen worden.
Für Fini ist wieder Unterhaltung, denn es beginnen wieder die Turnstunden und Frauenstunden und Nähstunden u.s.w. Störs lassen Dich und alle schön grüßen. Gestern waren wir wieder einmal im Kino, zu dritt sind wir hingegangen, zu viert nach Hause, denn Fini hat wieder eine Wanze, die sie schon im Kino tüchtig gebissen hat, nach Hause genommen. Das Stück war schön, mit Luise Ullrich, ein Wiener Stück, Fritz hat wieder kritisiert - na, Du weißt ja. Man hätte Heimweh bekommen können, wenn die Heimfahrt nicht so nahe wäre.
Ich habe eben ein wenig Wasser in die Füllfeder eingefüllt.
Den Stoff habe ich schon zum Schneider getragen. Bis zum Ersten hole ich ihn. Aber weißt, ich habe eine Hose für Robert, eine für mich machen lassen, macht’s was? Mir gefällt der Stoff sehr gut. Am Ersten kaufe ich mir den schwarzen Stoff und lasse mir den Anzug gleich machen. Die Maße waren richtig.
Obwohl ich selbst ein sehr schlechtes Gewissen habe, warte ich schon sehr auf ein Schreiben von Dir. Trude hat übermorgen ihre Prüfung, schreibt mir gleich wie’s ging. Wie geht’s den Kindern in der Schule? Das ist fein, daß Robert die Schulbücher bekommt. Hätte es mir eigentlich nicht gedacht.
Frau Kallinova und die Kinder und Hr. Baranoff lassen Dich sehr grüßen. Die Gummihandschuhe werde ich dann nach Russe mitnehmen.
Bis jetzt war es bei uns noch leidlich warm, heute nachmittag kamen wieder, das erste Mal nach Deiner Abfahrt, Wolken, es geht ein Wind, na, den Staub kannst Du Dir vorstellen, und abends hat es auch ein wenig geregnet. Ich habe jetzt ein Telephon zu Hause (automatisch) und kann fein aufgeweckt werden, wenn ich mich verschlafe. Bei dem kühlen Wetter ist’s leicht möglich. Und bei dem alleinigen Bett. Aber Kind, ich möchte es gern mit Dir teilen.
Viele 1000 Busserln an Euch
Robert
Wien, 1. Okt 1935
Mein Schatz!
Dein Brief hat uns zwar etwas in Unruhe versetzt, aber nichtsdestoweniger recht herzlich Dank dafür. Weißt Du, daß ich Samstag vormittag wirklich sehr enttäuscht war, als ich heimkam und kein Brief von Dir im Postkasten lag? Just zuvor dachte ich, ich sei immer noch so dumm wie als junges Mädchen. Und dann, als das Erwartete nicht da war, war ich auch ebenso enttäuscht wie ein junges Mädchen; nicht wie eine alte Frau.
Samstag nachmittag war ich mit Werner bei Wentys. Dann gingen wir zu Großmama schauen, ob Trude schon von der Prüfung zurück sei. Da sie noch nicht da war, gingen wir nach Hause und verfehlten die Buben, die mir Deinen Expreßbrief nachgetragen hatten.
Bei Wentys ist natürlich alles im alten Geleise. Wenty selbst war nicht daheim, sondern in Heidenreichstein.
Gestern war ich bei Rommels. Fritz gefällt die Bluse sehr gut. Hella durfte sie nicht sehen, weil es ein Weihnachtsgeschenk ist. Die Schuld an Störs ist jetzt restlos beglichen. Fritz gab mir 150 S, das sind die 3000 Lewa, von denen Du mir schon gesagt hast. Außerdem vom 26.9. eine Kontoabrechnung von 101 S und vom 30.9. eine Ausgleichskontoabrechnung von 54 S. Allerdings meint Fritz, daß Du wahrscheinlich tatsächlich ein Minus hast. Na, wir werden schon sehen.
Was ich Dir letztes Mal vergaß zu schreiben: Für Fritz Stör ist das Verbleiben bei der Firma gesichert. Du wirst dann Pendeldienst haben zwischen … und Werlitz. Wie steht es jetzt mit Deinem Kommen? Den Radioapparat habe ich nicht bestellt. Ich denke, es ist am besten, wenn Du das selbst besorgst, da Du nun doch offiziell kommst.
Ja, weißt Du, was Du mitbringen könntest? 1. Wieder 2 Glas Honig. 2. Noch ein Paar bulg. Hausschuhe, aber Nr.40, denn in dem Paar, das ich habe, tut mir meine linke große Zehe weh. Und Robert sind sie gar nicht viel zu groß. (Ich sage aber vorläufig nichts.) Vielleicht, wenn’s Dir nicht zu viel ist, für die Mädels je eine Edelweißbroche wie meine ist. 30 Lewa. Trude hat mich schon in allen Tönen darum angegangen, ihr meine zu schenken und Hansi sagt zwar nichts, aber ich habe schon bei den Armbändern bemerkt, daß ihr auch das zarte Trudes besser gefallen hätte. Olga wäre ja bestimmt eine Gans das liebste Geschenk, nur weiß ich nicht, ob und wie Du sie bringen könntest. Ich sagte Olga bisher nichts, daß Du ihr etwas bringst, denn ich habe sie nur einmal im Beisein von Mitzi gesprochen, bei der Familienzusammenkunft. Da wollt ich davon nicht reden.
Die Handschuhe für Frau Kallinova habe ich bereits gekauft (2 S), bin aber sehr froh, wenn ich sie nicht schicken muß.
Für Schulsachen haben wir im Monat September ca 95 S gebraucht. Wegen Fredys Schulgeld ist eingereicht. Gleich anfangs waren 50 gr Versicherungssumme zu bezahlen. 2 S kostet im Semester die Handarbeit. Robert mußte für Handarbeit eine Schürze haben, da kaufte ich einen Rest und machte Fredy gleich auch eine. Robert lernt heuer politieren. Nun werden hoffentlich die ärgsten Schulausgaben erledigt sen.
Gerade früher habe ich eine Anzeige gelesen, daß morgen im Dorotheum Feldgasse ein kleines Lotterbett (55 S) und zwei moderne Lotterbänke (60 S und 70 S) versteigert werden. Leider hatte ich weder gestern noch heute Zeit hinzugehen und mir etwas anzusehen und nun ist’s wahrscheinlich zu spät. So weiß ich nicht, wie die Dinge aussehen. Eigentlich bin ich ja immer nur auf der Suche nach einer Kohlenkiste.
Heute mittag war Frl. Mitzi hier. Sie war eigentlich die erste, die sich nach dem Preis des Fuchses erkundigte. Ich bin natürlich ausgewichen, um Fini nicht entgegen zu sein.
Was ist mit unseren Kindern? Spielst Du manchmal mit ihnen? Ich sehne mich zuweilen ein bißchen, die beiden plaudern zu hören.
Gib ihnen von Werner und mir ein Busserl und grüße Frau Kallinova und Herrn Baranoff von Herzen wieder. Die Leute sind mir in der kurzen Zeit sehr lieb geworden.
Heute hab ich Zwetschken eingekocht. Fini kannst Du sagen, in puncto einkochen ist für sie gesorgt, wie wenn sie zu Hause wäre.
Nun, die Antwort auf diesen Brief bringt mir wohl schon Deine Nachricht: „Ich komme am … um … Uhr.“ Aber ich hole Dich absolut nicht ab, wozu auch? „Man kann sich doch erst daheim richtig begrüßen.“ So sagtest Du doch?!
Schlaf gut, mein Lieb! Und komme bald! In Sehnsucht
Deine Gretel
Sonntag waren wir bei Czieps, um endlich den versprochenen Besuch einzulösen.
Trudes Zeugnis: Maschinschreiben sehr gut, maschinschriftliche Anordnung sehr gut, kurzschriftliche Aufnahme und Wiedergabe genügend, Maschinenkunde gut, Deutsche Sprache gut
Am Schipkapaß, am 2.10.35
Mein lieber Schatz!
Was denkst Du, wo ich bin? 1300 m am Schipkapaß. Ich habe die freien Tage bis zur Übernahme benützt, um Tirnowo, Gabrowo und den Schipkapaß zu sehen. Es ist herrliches Wetter, jetzt um 5 Uhr abends leuchten die Berge im Abendglanz, es ist wie bei uns in den Voralpen. Man könnte Heimweh kriegen. Der Weg hierher führte durch wundervolle Buchenwälder, er erinnerte mich an den Weg am Richtberg. Ich sitze in einem schutzhausähnlichen Haus, der Wind saust um die Hütte, es ist ganz kalt.
Das Papier ist ein Wegweiser, den mir Fritz gemacht hat und der mir gute Dienste geleistet hat. Ich habe aber kein anderes bei mir und schreiben will ich Dir doch. Gestern mittag bin ich von Russe weggefahren und um halb 3 in Tirnowo gelandet. Das ist eine sehr interessante Stadt. Die frühere Hauptstadt von Bulgarien. Eine Remise war früher das Schloß des ersten Bulgaren-Königs. Die Stadt selbst ist auf einem beinahe kreisrunden Felsen gebaut, der jetzt für ein Tunnel der Bahn durchbrochen ist. Die Stadt früher war wohl eine großartige Festung für diese Zeit. Und heute nimmt sie sich gut aus, durch die terrassenförmige Anordnung der Häuser, besonders abends, wenn die vielen Lichter angezündet sind. Ich bin neugierig, wie die Bilder ausgefallen sind. Gabrowo ist eine Fabriksstadt, aber es liegt sehr schön zwischen Bergen. Vielleicht hast Du hier gehört, wie sparsam diese Leute sind. Ich glaube es auch bemerkt zu haben, denn an Reinlichkeit läßt vieles zu wünschen übrig, trotzdem viel Wasser da ist. Der Weg hierher ist sehr schön, wie bei uns. Hohe Buchenwälder, schöne Aussicht. Abends um halb 5 Uhr war ich hier.
3.10.35
Liebes!
Bin gestern noch zum Denkmal (Befreiung Bulgariens) gegangen, auf dem Berg, wo die große Schlacht mit den Türken war. Auf der Südseite sieht man in ein breites Tal (Rosental Kasanlik). Man sieht dort die kreisrunden Hügel, wo die Soldaten zu Hunderten gemeinsam begraben sind. Nach der Entfernung zu schließen, müssen diese 3 bis 4 Stock hoch sein. Die Sonne ging unter, eine wunderbare Abendstimmung. Auch eine schöne Luftspiegelung habe ich da gesehen. Im Osten waren rosarote Strahlen, wie wenn die Sonne dort aufginge, wahrscheinlich eine Reflexion des Abendrotes. Heute früh habe ich schöne Aufnahmen gemacht. Eine karakal-turk-Familie. Das sind Nomaden, die im Sommer am Balkan, im Winter in Mazedonien leben. Auch ein Mädel mit Spinnrocken habe ich aufgenommen. Fein, wenn sie gut werden.
Heute geht’s nach Gabrowo, oder, da ich noch einen Tag Zeit habe, irgendwo in ein Balkandorf.
Ich werde den Brief aufgeben, ob ich ein Kuvert bekomme, weiß ich nicht. Die Marken sind auch noch eine Frage.
Mein Lieb, leb wohl, ich hoffe daß Du den Brief noch diese Woche bekommst. Viele Grüße an alle und Busserln
Robert
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