Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


[up] [CV] [Holydays] [1920] [1921] [1923] [1925] [1926] [1928] [1929] [1930] [1931] [1932] [1934] [1935] [1936] [1937] [1938] [1939] [1940] [1941] [1942]


* Not translated yet * Only german version available *


Wien, 27.4.1937

Mein Liebstes!

Vielleicht sollte ich Dir jetzt nicht gleich antworten, aber ich werde mich bemühen, nicht auch so bitter zu werden wie Du.

Lieb, wir sollten einander doch nicht auch noch quälen, ist’s doch genug an dem, was wir an der langen Trennung und an der Sorge um die Kinder zu tragen haben. Meine Bemerkung über Russe war doch nur eine kleine Neckerei, meiner guten Laune entsprungen. Lege also bitte den Worten einen anderen Ton unter als den, den Du herausgelesen.

Willst Du mir aber trotzdem auch die Schattenseiten Deines Aufenthaltes mitteilen, soll’s mich nur freuen. Wenn ich Dir auch nicht helfen kann, so ist’s Dir vielleicht doch eine Erleichterung, Dich ein wenig auszusprechen.

Ich mußte Dir ja leider das Unangenehme von daheim auch mitteilen, trotzdem ich Dir’s zehnmal lieber verschwiegen hätte.

Fredy werde ich Deinen Brief übergeben. Ich habe ihn diesmal in keiner Weise gestraft, außer daß ich ihn nicht zu den Pfadfindern gehen lasse. Sonst will ich einmal versuchen, in Güte auf ihn einzuwirken. Die schlecht geschriebenen Hefte ließ ich ihn nachschreiben. Und wenn ich ihn nicht aus den Augen lasse, schreibt er auch schön. Die Schrift ist ja die Hauptsache, die in der Schule beanstandet wird. Sie trug ihm in der Deutschschularbeit ein Nichtgenügend ein, trotzdem der Stil nach meiner Beurteilung sehr gut und auch die Orthographie schlechtestens auf ein Genügend zu taxieren gewesen wäre. Doch hatte er dreieinhalb Seiten geschrieben und folglich erbärmlich. So trug die Arbeit den Vermerk: „Wenn die Arbeit nächstens wieder so hingefetzt ist, korrigieren ich sie überhaupt nicht.“ Samstag hatte Fredel ein deutsches Diktat mit 3 wirklichen Fehlern und 6 Fehlern, weil er Latein- statt Kurrentbuchstaben verwendete. Note 2-3 und der Vermerk „Schrift muß noch besser werden“. Donnerstag abends ist Sprechtag, da werde ich dann auch den Deutschlehrer sprechen. Heute war ich wieder beim Klassenvorstand, doch meinte er, die Zeit seit meinem letzten Besuch sei zu kurz um eine Auskunft zu geben.

Sonntag (es hat natürlich wieder geregnet) war ich mit Werner auf dem Ring. Aber erst gegen 12 Uhr, so daß wir von der Parade nicht mehr viel sahen. Robert war schon um halb 9 mit Lowak gegangen, war aber nachmittag so müde, daß er „nie mehr hingeht“. Nachmittag wollte ich mit den Kindern per Rad zu Wentys fahren, doch kamen sie, eben als wir abfahren wollten.

Wenty läßt Dich sehr herzlich grüßen, aber er ist böse auf Dich, weil Du ihm noch nicht geschrieben hast. Samstag kam er erst um 4 Uhr nach Hause, weil Herr Stelzig und noch ein anderer seltener Gast da war. Im Sommer geht Wenty an die Adria. Frau Wenty würde gerne mit uns zusammen auf Urlaub gehen.

Frau Scheiber schrieb mir übrigens einen sehr netten Brief, doch muß ich ihn erst beantworten.

Robert hat wohl weniger Lust zu dem Praktikum als Pflichtgefühl. So wird er sich für alle Fälle anmelden. In seinem Schulleben gibt es auch zwei Klippen. Mathematik und techn. Freihandzeichnen. Doch wird er heute noch in Mathematik geprüft und ich will den Brief erst absenden, wenn ich das Ergebnis weiß. Am 7. Mai ist Sprechtag bei Robert, dann kann ich Dir wohl Näheres berichten.

Zu Hause sind die Kinder ziemlich brav, vertragen sich auch leidlich.

Olga wollte oder sollte Freitag kommen, doch blieb sie aus, wohl des Regens wegen. Es ist immer am besten, man bleibt daheim.

Gestern war ein schöner Tag, so ging ich mit Werner spazieren. Fredy hatte Schule. Wir gingen über den Türkenschanzpark, Döblinger Friedhof, Sievering, Kaasgraben, Kahlenbergerstraße. Dort stiegen wir ein und fuhren nach Hause. Es war wunderschön draußen, alles in Blüte, aber, trotzdem die Sonne schien, kalt. Wir müssen auch noch ständig heizen. Heizt man einen Tag nicht, so ist’s den nächsten Tag nicht auszuhalten.

Wenn’s Dich freut, will ich Dir schreiben, daß ich für Schwarz nichts arbeite. Er hat ja nun einen Ersatz für mich gefunden. Leider ist dadurch auch Hansi nur mangelhaft beschäftigt. Schon seit Ostern geht es so schlecht. Sie hat zwar in dem neuen Geschäft auch Arbeit bekommen, doch ist das sehr schlecht zugeschnitten und immer nur 2 bis 3 Stück.

Wenn ich meine Schrift betrachte, denke ich immer an das Nichtgenügend Herrn Lehrers Witak.

Gestern bekam ich von Festus wieder eine Karte. Ich sehe, wenn er Zeit hat, schreibt er mehr. Übrigens träumte mir in der Vorwoche, daß wir Fredy zu ihm nach Amerika geschickt haben. Zu unser aller, auch des Buben Erleichterung. Es war eben ein Traum.

Fortsetzung morgen.

Konnte gestern nicht mehr fortsetzen, weil Roberts Prüfung erst heute war. In Mathematik ist er durch. Zu meiner großen Erleichterung. Es war für mich doch auch eine große Sorge. Nun können wir doch hoffen, daß er uns durchkommt.

Robert muß am 1.5. auf dem Ring aufmarschieren, am 2. zur Feier ins Stadion. Kannst Dir denken, wie er sich freut.

Gestern nähte ich Trudels Kleid fertig. Am 30.d. M. ist Frühlingsfest. Eigentlich habe ich Trude versprochen zu kommen, bin aber jetzt gar nicht in Feststimmung.

Nun Schatz, sei mir bitte nicht bös, wenn ich Dir in meinem letzten Brief wehgetan. Es war gewiß nicht so gemeint.

Ich wollte, ich könnte Dir alles Unangenehme aus dem Weg räumen, doch bin ich ja leider ohnmächtig dazu.

Leb wohl, mein Lieb!

Deine Gretel

Lieber Vater!

Wir schreiben schon kurrent. Viele Busserl,

Dein Werner

Samokoff, den 30.4.37

Mein Schatz!

Ich sitze an dem Fenster meines Zimmers. Vor mir tut sich die herrlichste Alpenwelt auf. Schneebedeckte Gipfel, deren höchster ein 3000er ist, reihen sich in einer Kette zu einem wunderbaren Panorama. Es ist das Rila- und Rhodopengebirge.

Du wirst Dich wundern, wieso ich da her komme. Es sind jetzt die bulgarischen Ostern und da haben wir schon ab heute, Freitag frei. Nun wollte ich nicht die 4 Tage in Sofia bleiben und da heute früh herrlicher Sonnenschein war, so wagte ich es trotz des jetzt hier herrschenden Aprilwetters, und fuhr per Autobus hierher. Selbstverständlich war bei diesem ein riesiger Andrang wegen der Feiertage, aber ich bekam Platz und noch dazu einen Fensterplatz. Jedes Billett ist zugleich eine Platzkarte, eine gute Einführung. Auf diese Weise hatte ich auch Gelegenheit, die Strecke während der Fahrt gut zu sehen.

„Samokoff“ bedeutet „Selbstschmiede“ und hat seinen Namen von der Eisenindustrie, die es früher hier gab. Es waren hier Erzlager, die aber, wie ich von einer Seite hörte, schon abgebaut sein sollten, andere sagen, daß durch die Einführung der Eisenbahnen das ausländische Eisen sich bedeutend billiger stellt, weil die Ausbeutung hier im Kleinen betrieben wurde. Jeder, der Erz grub, hatte selbst seinen kleinen Hochofen und verarbeitete das Roheisen selbst. Samokoff dürfte eine Stadt sein, ist vielleicht halb so groß wie Russe. Sie liegt selbst in einem Tal, das aber einerseits vom Hochgebirge, auf der anderen Seite von Hügelland umgeben ist. Samokoff ist 60 km von Sofia entfernt und dürfte im Winter auch gut besucht sein, denn eine Skischanze von recht schöner Ausführung ragt in den Frühling hinein. Alles ist in Blüte und so erlebe ich die Baumblüte heuer schon zum dritten Mal.

Die Fahrt hierher war recht schön. Schon einige Kilometer von Sofia kommt man an die Isker, an deren linker Seite die Straße führt. Die Straße ist gar nicht so schlecht, wie ich es für die Autofahrt fürchtete. Freilich, geschüttelt und gerüttelt wird man ordentlich und manchmal fährt der Autobus neben 20 - 30 m tiefen Schluchten und es ist ganz gruslig, wenn man unten die schäumende Isker sieht. An einer Stelle ist es besonders gefährlich und man sieht dort auch neben dem S-Kurvenzeichen einen Totenkopf. Schade ist nur, daß auch während der Fahrt die Wälder fehlen. Hier in Samokoff gibt es schon solche und weiter im Tschamkurier, wo ich morgen sein werde, soll es sogar Hochwälder geben. Schön ist die Ausfahrt von dem Iskertal ins Hügelland, weil man auf einmal die ganze Gebirgskette vor Augen hat. Der Autobus fuhr um halb 9 Uhr von Sofia ab und war um 10 Uhr hier. Bei einer Zwischenstation, der einzigen übrigens, waren da viele Kinder, von 5 Jahren aufwärts, die ihre Blumen loswerden wollten. Ich habe dort eine Aufnahme gemacht.

Hier war vormittags großes Treiben in der Stadt. Bazar. Aber meistens wurden Ferkel und Lammerln verkauft, das gab ein Geqieke und Geplärr und es taten mir die armen Tiere leid. Aber mittags habe ich doch Lammkoteletts gegessen. Ich suchte mir ein Zimmer und streifte durch den Ort. Da der Boden Granit und Quarz sein dürfte, gibt es hier verhältnismäßig wenig Kot, die Straßen sind angenehm sauber. Die meisten Bewohner tragen die ortsübliche Tracht, die Männer die graubraunen Hosen und Rock, Pelzmütze und Opanken, die Frauen einen sehr farbenreichen Rock und Schürze, goldbestickte Leibchen mit halbkurzen Ärmeln, darunter weiße Blusen. Bei dem Rock steht ein 8-10 cm breiter weißer Rand aus Seide und mit Flitter benäht vor. Das soll das Hemd sein, doch sagte man mir, daß dieser Streifen nicht breiter als 15 cm sei und an dem Rock angenäht ist. Also auch nur eine Imitation.

Ich fühle mich immer wohl, das weißt Du ja, wenn so viele Menschen beisammen sind und ich drängte mich daher beinahe 2 Stunden durch die Menge, machte Aufnahmen und Beobachtungen.

Danach ging ich essen, es gibt ein schönes Restaurant hier und nachher in einen nahen Wald, wo ich mich sehr, sehr wohl fühlte. Die Finken schlugen so schön, eine Amsel sang, die Sonne schien warm durch die Bäume und die wunderschönen weißen Berge vor dem blauen Himmel, ich bildete mir ein, ich wäre daheim. Von der Ferne hörte ich Kuhglocken und ging dem Klang nach. Von einer freien Halde sah ich an dem gegenüberliegenden Berg eine große Kuhherde. Hier breitete ich meinen Mantel aus, legte mir den Rock unter den Kopf, zog auch meine Schuhe aus und sonnte mich. Ich habe wohl längere Zeit dort geschlafen als ich, vielleicht durch ein ganz fernes Hundegebell, aufwachte. Und mit geschlossenen Augen stellte ich mir vor, daß sich vielleicht so ein Biest anschleichen könnte, wie damals in Dragolefsky und mich in die Kehle beißt. Und sonderbar, ich mußte aufstehen und mich anziehen, ich hatte durch den dummen Gedanken keine Ruhe mehr. Ich verließ daher diesen Ort und setzte mich auf eine Bank. Da hörte ich zum ersten Mal den Kuckuck heuer.

Und so besah ich mir die Welt von oben. Dann stieg ich herab, schlenderte ein wenig durch die Gassen und kehrte in das Hotel zurück. Das Zimmer kostet Lw.30.-, also ist es hier billig.

Die Berge haben sich oben in Wolken gehüllt, ich will nun die Zeit benützen um noch allerlei zu sehen. Bis abends!

Tscham-Kurier, am 1. Mai 37

Mein Lieb!

Gestern habe ich mich gleich nach dem Nachtmahl schlafen gelegt. Heute vormittag schlenderte ich durch den Ort, weil der Autobus hierher erst um 11 Uhr fährt. Das war natürlich nicht so einfach, es gab zwischen den Touristen, die heute von Sofia ankamen und dem Autobusbesitzer ein Feilschen, so daß es mir schon zu dumm ward und ich beinahe nach Sofia zurückgefahren wäre. Schließlich einigte man sich zwischen Lw 20.- und 15.- auf Lw.18.- und endlich um halb 12 Uhr ging es doch ab.

Morgens waren die Berge sehr rein und klar, aber schon vormittags trübten sie sich ein. Die Fahrt hierher führt erst zwischen Feldern, bald aber fängt richtiger Nadelwald an. Meist sind hier Tannen, weniger Fichten. Hier glaubt man wirklich, man wäre zu Hause. Tscham Kurier liegt schon 1200 m hoch und besteht nur aus Hotels und Villen, eine kleine Kaserne für die Soldaten, die das Zarenpalais bewachen. Ich suchte mir vor allem ein Zimmer, das kostet hier schon das Doppelte, Lw 60.-, und aß zu Mittag. Tschei, Wurst und Butter. Um 1 Uhr stieg ich dann auf, nachdem mir vorher eine Dame, der ich ein Aspirin gab, einen schönen Ausflug von 4 Stunden sagte.

Der Weg führt zuerst auf der Straße bis zum Zarenschloß, dann geht er als Saumpfad weiter. Ich wanderte in der guten Luft und in dem schönen Wald. Der Kuckuck rief fortwährend, und mir kam so vor, als wäre ich am Schneeberg auf dem Weg zur Sparbacherhütte. Fortwährend hörte ich das Brausen der Gebirgsbäche. Später kam Schnee, nur stellenweise. Ein Schneehuhn sah ich, ich fand den Weg nach der Erklärung sehr gut, und bald war ich bei der Aussicht angekommen. Die hätte sein können, doch waren die Nebel so hoch, daß ich nur wenig von oben sah. Es war erst 3 Uhr und ich wollte eigentlich noch weiter gehen, weil ich dachte, vielleicht kommt doch noch die Sonne heraus. Ich war ja schon oben über 2000 m. Aber es trat gerade das Umgekehrte ein, es fing an zu regnen und auch hörte ich aus der Ferne ein Gewitter. Da machte ich doch lieber kehrt und stieg herab. Der Regen wurde aber immer ärger, meinen Hut hatte ich klugerweise im Hotel gelassen, und ich kam ziemlich naß zurück.

Bei der Kaserne hatte ich schon wieder eine Hundeattacke. Ich weiß wirklich nicht, warum diese auf mich so losgehen. Macht das die Knickerbocker, oder aber, weil ich ohne Stock gehe? Oder aber spüren die Hunde es schon, daß ich doch eine gewisse Furcht habe?

Ich komme aus dem Wald heraus, da läuft mir so ein Kerl nach und bellt und fletscht die Zähne und ist nicht zum wegjagen. Dabei sind es große Hunde, beinahe so groß wie Bernhardiner. Ich gehe doch weiter, aber er fällt mich von hinten an. Glücklicherweise lag grad im Wald ein großer starker Stock. Wie ich mich bücke, läuft der Köter wohl davon, doch kommt winselnd und heulend ein zweiter die Straße auf mich zu. Natürlich ermuntert dies den ersten und beide gehen auf mich los. Ich kann nichts machen als mit dem Stock rings um mich herumschlagen. Wie der Stock kommt, weichen die Hunde zurück, aber kommen gleich immer näher heran. Mir fängt die Sache an gruslich zu werden und nun ziele ich und treffe auch hie und da. Die Hunde weichen aber nicht. Da habe ich das Glück, daß ich dem einen gerade auf die Schnauze haue. Der nimmt Reißaus und hinter ihm der andre. Na, ich habe aufgeatmet. Die Beiden verleiden mir direkt meine Ausflüge.

Wenn das Wetter so schlecht anhält, fahre ich morgen nach Sofia zurück. Mit vielen Küssen

Dein Robert

Wien, 30.4.1937

Mein Lieb!

Trotzdem ich den letzten Brief erst gestern aufgegeben habe, muß ich Dir doch heute schon wieder schreiben. Diesmal aus einem angenehmeren Anlasse.

Habe gestern beim Sprechabend erfahren, daß Fredys Sache gar nicht so trostlos steht, wie mir Herr Angst es vor 8 Tagen schilderte.

Ich war erst bei Herrn Lehrer Witak (Deutsch, Geographie, Geschichte). Er tadelte zwar seine Schmiererei, die ihm, wenn es nicht anders wird, eine Nichtgenügend in Deutsch eintragen könnte, weil er die Aufgaben einfach nicht korrigiert. Doch lobt er sein ruhiges Benehmen und seine Aufmerksamkeit, die eigentlich im Widerspruch zu der Schrift stehen. In Geographie hat er sehr gut, desgleichen in Geschichte. In Deutsch steht er allerdings auf einem schwachen Genügend, à conto seiner unleserlichen Schrift, doch hoffen wir alle drei, daß sich das beheben läßt.

Dann war ich bei Herrn Pecher (Naturgeschichte), das ist ein jüngerer sehr jovialer Herr. Auch er ist mit Fredy sehr zufrieden. Auch in Naturgeschichte hat er sehr gut. „Und wann amal was is im Benehmen, na da kriegt er halt an Beutler. Sittennoten gib i kane, weil des könnt ihna im Leben schaden. I muß die Buben selber in der Hand haben, dann denk i aa an meine eigenen Jahr z’ruck“. Das hörte ich, als er es zu einer Frau vor mir sagte.

Über Fredl sagt er: „A großer Schmierer is er, aber des tangiert mi ja net. Die Hauptsach ist, daß er was leist. Er ist sehr guat. A im Benehmen kann i gar nix sagn.“

Daraufhin ging ich nun doch auch zu Angst. Da war auch da die Sache gar nicht so trostlos wie das letzte Mal. Er war auch nicht so kurz angebunden wie am Dienstag.

Er hatte Fredy gestern in der Freistunde (Religion) geprüft. Er hat in Rechnen genügend, in Naturlehre sehr gut.

Alles in allem steht die Sache also gar nicht so schlecht und wird sich, denke ich, schon noch ins richtige Geleise bringen. Der Wille ist bei dem Buben da. Ich habe es gestern wieder gemerkt, wie erwartungsvoll er mich ansah, als ich heimkam. Und als ich ihm dann sagte, er sei gar nicht so schlecht, nur müsse er sich die Schmiererei abgewöhnen, hat er mir ganz von selbst einen Kuß gegeben.

Und dann konnten wir lange nicht schlafen alle beide und er hielt mich wieder heiß umschlungen. Es scheint, ich habe nun doch den Weg zu ihm gefunden.

Etwas aber sag ich Dir heute Schatz, wenn wieder etwas Unangenehmes in der Schule ist - egal bei wem - ich schreibe Dir’s nicht mehr. Hätte ich das letzte Mal geschwiegen, hätte ich Dir viel Kummer erspart.

Und Liebstes, wenn Du heimkommst, dann bitte gib auch Du Dir Mühe, nicht zu „richten“, sondern in der Hauptsache zu „helfen“. Nicht fürchten sollen Dich die Buben, auch wenn sie etwas angestellt haben (tun wir denn immer, was richtig ist?), sondern liebhaben. Dann wird vieles besser sein. Fürchte ich doch selbst manchmal, wenn ich Dir etwas sagen muß, denn wenn Deine Blicke einen wütend zu verschlingen drohen, ist das äußerst unangenehm.

Draußen regnet es wieder, trotzdem besseres Wetter prophezeit wurde.

Was aus Roberts Pfingstausflug wird, weiß man auch noch nicht. Da drei Parteien sind, eine Salzburg, eine Mazocha, eine Budapest, kann es sein, daß sie überhaupt nicht wegfahren.

Wird wohl auch aus unserer geplanten Fahrt nach Ternitz nichts werden, denn wenn’s nicht regnet, stürmt es, und wenn’s nicht, stürmt ist Regen, so ist das Rad außer Frage.

Für die Bahn aber habe ich, da ich nichts arbeite, auch kein Geld. Sonst wäre ich mit der Bahn ganz gerne gefahren, denn für Werner ist die Tour wohl auch zu weit, und wie die Umstände jetzt sind, könnte ich ihn auch nicht zu Hause lassen.

Mutter geht es allerdings besser, doch allein lassen kann man sie nicht und das Kind drüben haben, möchte ich nicht.

Was wir heuer im Sommer machen werden, wenn Du wirklich nicht kommst, weiß ich auch nicht. Allein fortzugehen freut mich gar nicht. Ich komme mir, trotz der Kinder, so verloren vor. Kind, Du fehlst mir doch so sehr!

Ich dachte schon, es sei das Klügste, daheim zu bleiben und täglich, wenn Schönwetter ist, irgendwo hinauszufahren. Wir würden das, was man durch die mittägige kalte Kost mehr braucht, an Miete sparen.

Vorgestern war ich mit Schw. Körbler in der Kleinbühne am Bennoplatz (Freikarten). Es ist sehr gut gespielt worden und auch das Stück war gut, wenn auch sehr traurig.

Heute abend gehe ich nun doch zum Frühlingsfest. Ich glaube, ich schrieb Dir schon, daß Anny tanzen wird.

Nun recht viele Busserl, mein Lieb,

Deine Gretel

Werde den Brief per Luftpost senden, vielleicht kannst Du dann Deinen Sonntag etwas fröhlicher verbringen.

Sofia, am 2.5.37

Mein Liebes!

Beinahe hättest Du den Brief nicht bekommen, oder aber nicht direkt von mir, denn vor knapp 2 Stunden ging es nahe dem Tod vorbei. Erst vorgestern schrieb ich Dir, wie die Fahrt durch das Iskertal ist und heute bei der Rückfahrt hätte es um ein Haar ein Unglück gegeben. Beim Durchfahren einer Kurve versagte die Lenkung und unser mit 16 Personen besetzter Autobus fuhr einem 20 m hohen Abgrund zu. Nur das langsame Fahren und ein Randstein waren unser Glück. Da fuhr das Auto an, brach beide Vorderräder und blieb 30 cm vor dem Abgrund stecken. Du kannst Dir vorstellen, wie uns war, als wir vor der Mauer standen. Alles ging so schnell, daß es bis auf ein weinendes Kind, das vom Sitz gefallen war, ganz ohne Aufregung vor sich ging. Aber danach dachte wohl jeder, daß wir ein riesiges Glück hatten, denn wenn das Auto in die Isker gefahren wäre, dann wäre bestimmt niemand lebend davongekommen.

Lieb, da sieht man wieder, daß man doch mit dem Glück zufrieden sein muß, das man noch immer hat.

Für heute küsse ich Dich innigst, beinahe wären meine gestrigen Küsse, die geschriebenen, die letzten gewesen. Ängstige Dich nicht, denn so etwas kommt im Leben nur einmal vor!

Robert

Sofia, 3.5.37 (bulg. Ostersonntag)

Mein Herzlieb!

Ich bin froh, daß ich heute vormittag ins Büro ging, denn dadurch habe ich Deine beiden lieben Briefe schon heute erhalten. Ich danke Dir mein Lieb, daß Du so schnell geschrieben hast, besonders freute ich mich über den Luftpostbrief, weil ich daraus Deine Liebe ersehe.

Zwar habe ich ihn mit einigem Herzklopfen aufgemacht, war aber bei dem Lesen der ersten Zeilen schon beruhigt.

So steht es mit Fredy doch nicht so schlecht. Es heißt halt doch immer abwarten. Ja Kind, es wäre wohl sehr sehr schön, wenn es Dir gelingen möchte, den Weg zu den Herzen der Buben zu finden. Meine Meinung bei Fredy ist und war ja immer, daß sein Benehmen eine mehr krankhafte Ursache hat. Vielleicht gelingt es Dir, diesem Übel näher zu kommen.

Wegen des Schreibens muß halt Fredy alles daran setzen, auch hier sich zu bessern, denn auch ich glaube, daß er im Stil gut ist.

Robert ist ja auf sich selbst angewiesen und daß er in Mathematik durch ist, freut und beruhigt mich auch. Bei Robert ist es jetzt so, daß er nicht nachgeben darf und auch die kleinen Versäumnisse selbst bei sich nicht dulden soll. Besonders in den Gegenständen, wo er schwach ist. Schließlich dauert die Schule ja nicht das ganze Leben und danach hat er selbst den Vorteil vom Lernen.

Wie lange dauert das Praktikum?

Ich hatte eben die Kinder hier, Weska und Ivan (die Kleine und den Buben). Sie alle drei, Katja war auch dabei, brachten mir einen großen Fliederstrauß, der jetzt mein ganzes Zimmer mit Duft erfüllt.

Meine Hausleute sind recht nett. Gestern abends wurde ich wieder zu ihnen geladen, schon vor meiner Abfahrt bekam ich Ostereier und einen Osterkuchen. Dafür brachte ich wieder den Kindern rote Papiereier, mit Bonbons gefüllt, mit. Die hatten darüber große Freude und Weska, die ein Teuferl ist, hätte beinahe in ihr Bett einen Nagel eingeschlagen, um das Ei, das ein Schlingerl hat, dranzuhängen.

Eine Bekannte meiner Hausleute hat auch zwei Kinder, die oft herkommen, ein Mädel mit 10, ein Bub mit 5 Jahren. Die Frau spricht ausgezeichnet deutsch und das Mädel besucht auch die Deutsche Schule. Es erinnert mich sehr an Fredy, denn trotzdem sie Vorzugsschülerin ist, will sie weder daheim noch mit anderen deutsch sprechen. Und die Mutter will dies so gerne, doch Lilli antwortet halt auf Bulgarisch. Das Gleiche, wie mit dem Singen bei Fredy.

Wenn nur halbwegs die Zukunft klar wäre, ob ich im Sommer kommen kann oder wie alles die nächsten Monate wird. Der Termin für Russe ist der 22. Juni, wo wir mit dem Rohrverlegen fertig sein sollen. Der Termin für Sofia für diese Arbeit ist der 22. August. Zwischen diesen beiden Terminen wollte ich mir gerne wenigstens einen Teil des Urlaubs nehmen.

Du sollst aber, wenn ich wieder zurückmuß, doch auf’s Land, Du brauchst ein Ausspannen!

Zu Pfingsten fahre bestimmt mit Werner per Bahn nach Ternitz. Vielleicht kannst Du dann draußen gleich eine Sommerwohnung finden, doch eine richtige, nicht wieder etwas halbes, wo Du Dich doch nicht ausrastest. Du kannst schon rechnen, daß wir bis dahin ’was ausgeben können, denn wir ersparen uns ja doch etwas. Wenn Du für die Bahn das Geld nicht hast, so leihe Dir’s einstweilen aus. Ich würde gerne 500 Lewa per Brief senden, doch weiß ich nicht, ob es nicht doch gewagt ist und schließlich sind dies über S 30.-. Auch mit dem Einwechseln dürften derzeit Schwierigkeiten sein.

Was würden Robert (falls er nicht fährt) und Fredy zu Pfingsten machen? Hat Lina schon geschrieben? Wie steht denn diese Angelegenheit? Wegen der Paßbesorgung müßten auch die nötigen Schritte gemacht werden, vielleicht braucht Fredy meine schriftliche Bewilligung.

Heute habe ich die Aufnahmen von dem Autounfall bekommen und ich ärgere mich, daß ich das Bild aus größerer Entfernung gemacht habe. Man sieht gar nicht den Abgrund, wohl aber, wie sich die Eisentraverse nach dem letzten Stein gebogen hat. Diese war eigentlich unsere Rettung, denn dadurch ist das Auto wieder der Straße nach gerichtet worden. Na, ein großes Glück war dabei!

Ich kaufte mir jetzt ein Album für die Bilder, damit ich diese in Ordnung habe, sonst liegen sie immer herum. Und wenn einmal die Sonne scheint, würde es mich freuen, wenn Ihr eine Aufnahme von Euch machen würdet, denn ich habe gar kein Bild. Zum Schluß vergesse ich noch, wie Ihr ausseht. Vielleicht macht Wenty einmal eine Aufnahme. Schickt mir dann das Negativ davon.

5.5.37

Mein Lieb! Morgen ist große Parade und Feiertag, St. Georgstag. Ich habe eine Eintrittskarte für die Parade bekommen, wenn es aber so weiterregnet, wie die letzten Tage, so wird es wahrscheinlich kein Vergnügen sein.

Heute abend war Zapfenstreich und eine Totengedenkfeier für die Gefallenen. Morgen ist natürlich wieder frei, aber bei solchem Wetter, brrr.

Mit vielen 1000 Küssen,

Dein Robert

Wien, 6.5.1937

Herzlieb!

Noch kann ich über den Gedanken nicht wegkommen, was gewesen wäre wenn …

Als ich gestern Deinen Brief erhielt, war eben Frau Wenty bei mir. Das war recht gut so, denn obwohl ich dachte, ich rege mich gar nicht auf, waren mir die Füße doch etwas schwach und der Gedanke, was für Nachrichten ich von Deinem Bulgarienaufenthalt noch bekommen werde, verließ mich nicht. Sag mir jetzt nichts; alle Einwände, die Du machen könntest, habe ich längst selbst gemacht. Das ungute Gefühl aber und die Herzschmerzen verlassen mich nicht. Lieb, wenn ich Dich nur ein bisserl im Arm halten könnte!! Dann wär mir wohl leichter.

Frau Wenty hat gestern Werner mitgenommen. Fredy und ich holten ihn heute wieder. Wenty hat mich wieder angestänkert, Deinetwegen. Bitte schreib ihm doch endlich. Er ist schon ganz gekränkte Leberwurst.

Fredy meint, Du könntest Dir eine Flaubertpistole anschaffen zum Schutz gegen die Hunde. „Wenn der Vater dann nach Haus kommt, kann ja ich damit schießen.“

Na, aber etwas solltest Du wirklich dagegen tun. Wenigstens nie ohne Stock gehen. Sonst freuen mich Deine ganzen Wanderbeschreibungen nicht mehr, wenn ich Dich immer in Gefahr weiß. Es kann auch einmal schlecht ausgehen. Allein bist Du ja auch immer.

Montag war Hella da und abends Mauzi und Fritz (Stör). Fritz hat mir wieder das Geld für die Speisemarken gebracht. Ich hab’s vorläufig weggelegt. Noch weiß ich nicht, ob ich nicht etwas davon nehmen muß. Leider habe ich mir Sonntag bei Störs einen Zahn ausgebissen und noch leiderer denselben am Dienstag mit Spinat und Brot verschluckt. Nun muß ich mir die Sache doch machen lassen und möchte auch gerne Fredys Zähne in Ordnung bringen lassen.

Nun für heute „Gute Nacht“ mein Liebstes. Morgen ist bei Robert Sprechtag.

7.5.1937. Also viel Neues gibt’s bei Robert nicht. Im allgemeinen ist man ja nicht unzufrieden mit ihm, doch hat er in Geographie und Chemie bei der Prüfung versagt. Ergo heißt es tüchtig anziehen, um zum Ende durchzukommen. Professor Zorn meint ja, er hat gar keine Angst, daß der Bub es nicht macht, er soll sich nur tüchtig auf die Hosen setzen und lernen. Im Betragen hat er diesmal sehr gut, wird auch allgemein als lieber braver Bub gelobt, bei Zorn extra noch „als ganz gescheiter Kerl“.

Lowak und Robert stehen so ziemlich gleich. Beide sind in zwei Gegenständen wacklig. Doch ist es bei Robert nur eine Frage des Fleißes, bei Lowak eine Intelligenzfrage. Bei ihm hapert es nämlich in Projektionslehre und Deutsch. Die Lehrer sind der Ansicht, daß die Buben, speziell Lowak für diese Schule zu jung sind. Na, ich denke, Robert schafft es doch. Frau Lowak will ihren Buben eventuell den Jahrgang wiederholen lassen. Nach meiner Ansicht hinausgeworfenes Geld, doch vielleicht irre ich. Nun Roberts Noten: Deutsch gut, Mathematik genügend, Physik genügend, Chemie nicht genügend, Laboratorium gut, techn. Zeichnen genügend, Handfertigkeit gut, Erdkunde nicht genügend, Stöchiometrie gut, Projektionslehre genügend. Alles in allem nicht hoffnungslos, doch muß er jedenfalls noch fleißiger lernen als bisher.

Morgen wollen die Buben kahnfahren am Heustadlwasser, wenn ihnen das Wetter nicht einen Strich durch die Rechnung macht. Es sieht beinahe aus, als wollte es den Muttertag verregnen. Großmama habe ich einen Rosenstock gekauft.

Eben las ich im Hausflur die Parte Herrn Redleins (Xandls und Hermas Vater). Die Leute tun mir sehr leid, aber vielleicht ist’s so besser, als wenn es zur Gerichtsverhandlung gekommen wäre.

Nun blüht bei uns der Flieder, bei Störs auch die Maiglöckchen, aber kalt ist’s immer noch.

Störs haben übrigens die Kleine nicht zu Hause gehabt sondern in St. Pölten im Kinderspital Dr. Molls, damit sie essen und schlafen lernt.

Also weißt, etwas hab ich Fini ohnehin gesagt, doch hielt ich mich noch zurück, um nicht Unfrieden zwischen uns zu säen. Mit Frau Slavitinsky hat sie sich der Sache wegen ohnehin ganz zerstritten. Die Mutter sagte nämlich, Fini soll sich schämen, daß sie das Kind weggibt, wenn sie’s absolut nicht behalten kann, soll sie’s zu ihr geben. Daraufhin kam natürlich das Übliche… u.s.w. Na, angeht’s mich ja nichts, aber verstehen kann ich es eben nicht.

Kind, mein Herz ist so übervoll von Liebe zu Dir und ich kann’s Dir so gar nicht zeigen. So lieb ich die Kinder habe, Ersatz bietet es doch nicht.

Viel tausend heiße Küsse, von Deiner

Gretel

Wien, 12.5.1937

Mein Liebstes!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief, den ich vorgestern erhielt. Ich bin so froh, daß die Mißstimmung zwischen uns beseitigt ist. Und wenn ich denke, daß Dein vorvorletztes kaltes Schreiben vielleicht das letzte hätte sein können (den Brief von Ostern hätte ich ja nicht bekommen können), dann bin ich doppelt froh.

Hoffentlich hast Du mir nicht vom letzten Sonntag wieder eine Hiobsbotschaft zu senden.

Gestern war ich auf dem Paßamt. Bitte schreibe eine Erklärung:

„Bestätige hiermit, daß meinem minderjährigen Sohn (Name) ein Reisepaß nach Deutschland und Cechoslovakei ausgestellt werden kann. Unterschrift, Stempel der Gesandtschaft.“

Und schicke das bitte so bald als möglich, denn die Sache wird noch einige Zeit dauern. Mit Lina möchte ich einen Termin erst vereinbaren, wenn die Sache im Reinen ist. Geschrieben hat Lina noch nicht. Wartet wohl auch ab, was geschehen wird.

Wenn ich zu den Feiertagen nach Ternitz fahre, mache ich vielleicht doch einen Abstecher nach Gloggnitz. Doch weiß ich noch gar nichts bestimmtes. Sonntag, Montag, Dienstag war herrliches Wetter, heute ist es ziemlich umzogen. Und Samstag ist Sophie, die so sehr gefürchtete. Wenn ich fahre, nehme ich das Geld von dem Speisemarkengeld. Es werden ja auch die Buben etwas brauchen. Fredy will einen Pfadfinderausflug machen, allerdings nur mit Heinz und Walter.

Robert möchte eine Radtour ins Waldviertel machen und schauen, wo es für einen Sommeraufenthalt schön wäre. Wenn er etwas findet, kann ich ja dann später hinfahren. Frau Wenty hat mir wieder so zugeredet, mit ihr gemeinsam zu fahren. Auch Robert würde sich darüber freuen. Und Trude und Werner sind unzertrennlich. So wäre schließlich allen Teilen geholfen und mir ist doch alles egal, wenn Du nicht da bist. Am liebsten wäre ich wohl daheimgeblieben. Da habe ich weniger Zeit über unser Getrenntsein nachzudenken. Und doch Schatzerl, beinahe fürchte ich es, wenn Du vielleicht auf kurze Zeit kommst. Denn dann ist es wieder noch schwerer zu ertragen. Aber ich soll uns wohl beiden das Herz nicht schwer machen, es ist ja doch an der Sache nichts zu ändern.

Gestern nachmittag war ich mit Fredy beim Zahnarzt. Fredy hat 5 Zähne zu richten, davon einige an 2 Stellen. Dr. Pick meint, es wäre schade, das in einem zu machen, d.h. die ganze Kaufläche auszubohren, weil Fredy ein selten gutes, starkes Zahnmaterial hat. Nur leider zu dicht gedrängt stehen die Zähne.

Meine Zähne wird er mir heute machen. Ich muß das Stück um 10 Uhr hinübertragen und bekomme es abends. Sehr anständig.

Ich denke, bei Fredy wird sich die Behandlung ohnehin bis anfang Juni hinziehen, so wird sich die Sache mit dem Geld schon deichseln lassen. Heizen muß man jetzt doch nicht mehr.

Küsse Dich einstweilen recht heiß, denn jetzt muß ich zum Zahnarzt gehen.

Na also, nun hab’ ich wieder einmal gehört, daß mein Gebiß schlecht sitzt und ich mir soll ein Neues machen lassen. Das wüßte ich ja auch, aber es wird auch so gehen.

Im Radio gibt es große Verkündigung der „Krönungsfeierlichkeiten“.

Gerade kommt Fredy schwarz wie ein Mohrl aus der Schule. Sie haben im Freien geturnt in der Pfeilgasse vis-a-vis des Pifflheims.

Robert hat auf seiner letzten Deutschschularbeit (Die Welt ohne Kohle und Erdöl) ein sehr gut.

Sonntag war ich mit den beiden Kleineren in der Sonntagsschule, wie schon öfter. Mußte einen Vortrag über die Mutter halten. Ist auch leidlich gegangen. Als mich doch das Lampenfieber packte, habe ich einfach Schluß gemacht.

Nachmittag waren wir beim Heustadlwsser. Bis hinunter fuhr ich mit den Kindern, doch war mir dann schon nicht mehr gut, so stieg ich unterwegs aus und setzte mich zu Hansi, die mit war, auf die Wiese. Da Firmungszeit ist, sahen wir sehr viele Blumenwagen und -autos.

Es war ganz nett, doch war ich abends sehr müde. Montag hatte ich von 3 Wochen Wäsche, weil in der Vorwoche die Dachdecker da waren. So habe ich die Müdigkeit heute noch nicht losbekommen. Aber trotz des Großwaschtags ging ich drei Mal Deinen Brief wieder zu lesen. Du mein süßes Lieb!

Robert hat schon vor einiger Zeit Aufnahmen von uns gemacht, leider im Zimmer. Natürlich ist nicht viel daraus geworden. Gestern haben wir nun Aufnahmen im Hof gemacht. Wenn Fredy nicht immer Unsinn machen müßte, wären die gut. Ich schicke Dir die Negative. Was Du dann denkst, kannst Du Dir ja machen lassen. Von Fredy werden wir auch Paßbilder brauchen. Am besten wär’s, wenn man den Kopf von dem Gruppenbild vergrößern könnte. Sonst lasse bitte zwei andere Bilder machen.

Für meinen Zahn mußte ich 8 S 20 g bezahlen. Dabei spüre ich schon, daß auf der Gegenseite auch einer locker ist. Bitte schreibe Robert ein paar Zeilen. Er ist schon ziemlich gekränkt, daß Du nur an Fredy und Werner geschrieben hast.

Viel tausend Busserl von Deiner

Gretel

Sofia, den 17. Mai 1937

Mein lieber Robert!

Sei nicht böse, wenn Du etwas länger auf die Antwort Deines lieben Schreiben warten mußtest. Eigentlich hatte ich Dir den Brief aus Tscham-Kurier zugedacht, ihn dann aber doch an Mutter gesendet, sonst hätte Mutter warten müssen.

Über die Nachricht bezüglich Deiner Noten war ich ein wenig erstaunt. Ich glaube aber, daß Du Dich im letzten Vierteljahr zusammennimmst, damit Du durchkommst. Ein Jahr im Leben eines Menschen kann sehr viel ausmachen. Also ziehe tüchtig an, damit Du dann die Ferien in Ruhe verbringen kannst und auch mit Dir zufrieden bist.

Wie ich hörte, bist Du über die Pfingstfeiertage ins Waldviertel gefahren. Wo warst Du denn überall und wie und wo hat es Dir gefallen?

Ich wäre gerne zu den Feiertagen nach Hause gekommen um wieder einmal mit Euch zu wandern und nicht immer allein wie hier

Es ist ja in Sofia so ganz schön, es sind hier manch schöne Gärten mit sehr vielen Rosen, die zum Teil schon vor 8 Tagen geblüht haben. Der größte davon, der Boris-Garten, wird besonders gut gepflegt und liegt sehr schön. Im Vordergrund sind die hellgrünen Rasen- und Rosenanlagen, dazwischen stehen Laubbäume und darunter Birken, deren Stämme sich hübsch von dem blauen Himmel abheben. Weiter hinten ist ein dunkler Föhrenwald und als Hintergrund der Gebirgszug. Oben liegt viel Schnee, wieder ein schöner Kontrast zum Himmelblau.

Und auch Kirschen und Ananaserdbeeren gibt es schon, freilich sehr teuer. Erstere kosten S 2.- die Ananas S 3.- pro kg. Aber schon in 8-10 Tagen werden sie so billig sein, daß man sie kaufen kann

Die Fotos sind im allgemeinen ganz gut geworden. Doch bei Zimmeraufnahmen müßt Ihr Zeitbelichtung machen. Du kannst ja den Apparat dabei auf einen Sessel stellen. Habt Ihr selbst Bilder oder soll ich Euch solche senden? Fredy mit seinen Dummheiten hat natürlich 2 Bilder verpatzt.

Hast Du, wie Du ins Waldviertel fuhrst, bei Störs übernachtet? Das wäre eine Stunde Zeitersparnis gewesen.

Nun lieber Robert danke ich Dir nochmals für Dein Schreiben und wünsche Dir und uns, daß es Dir im letzten Vierteljahr in der Schule gut geht.

Viele Küsse, Dein Vater

Sofia, den 17. Mai 1937

Mein Liebes!

Dein lieber Brief trifft mich eigentlich bei schlechtem Gewissen an, weil ich die vorige Woche nicht geschrieben habe. Dies hat aber auch seinen Grund. Ich dachte nämlich, ich könne vielleicht selbst kommen. Dienstag habe ich aus den Lieferdokumenten von Berlin ersehen, daß die wichtigsten Rohrtypen für die Montage erst in der ersten Juniwoche geliefert werden, so daß der Beginn der Rohrmontage erst dann anfangen kann. Da hier die Vorarbeiten größtenteils schon erledigt sind, so schrieb ich flugs an Schedlbauer, ob es nicht möglich wäre, daß ich bis dahin nach Wien kommen kann, freilich fürchtete ich im Stillen dabei, daß die Bearbeitung des Offertes für die Nationalbank mir einen Strich durch meine Rechnung machen könnte. Und so war es auch. Ich hatte mir auch schon die schönsten Ausmalungen über die Fahrt gemacht, vielleicht wäre ich doch mit der Lufthansa geflogen, kostet zwar um 1600 Lewa mehr, doch wäre ich einen Tag früher zu Hause gewesen. Um 9 Uhr fliegt das Flugzeug ab und um 12.50 kommt es in Wien an. Na, es ist ja gleich, weil doch nichts daraus wurde.

Die Negative, für welche ich Dir danke, ließ ich kopieren und die Bilder wurden eigentlich blasser als ich dachte. Natürlich mußte Fredy sein eigenes und das Bild von Dir und Werner verpatzen, das eine sende ich gleich wieder mit, damit es als Paßbild verwendet werden kann und an der deutschen Grenze die Leute gleich wissen, was für ein Dummerl sie da bekommen. Robert habe ich auf dem Negativ nicht erkannt und ich dachte, daß es der Ausseer Robert wäre. Der neue Rock steht ihm gut. Auch Werner ist gut und wenn ich auch von Dir ein so großes Bild hätte, würde ich mich freuen. Schade, daß Du auf dem einen Bild mit Robert und Werner so im Schatten stehst, daß man Dich gar nicht recht sehen kann.

Was Deine Zähne betrifft, habe auch ich mir schon da herunten gedacht, daß Du Dir ein neues Gebiß machen lassen solltest. Also bitte, frage einmal danach, was ein solches kosten würde. Jetzt hat man ja schon bedeutend haltbareres Material, so daß der Gaumen viel dünner gemacht werden kann, was natürlich auch viel angenehmer ist. Aber eines bitte ich Dich, setze nicht wieder Deinen Kopf auf und lasse Dir bei dem oberen Gebiß auch das Zahnfleisch dazu machen. Denke Dir nicht, daß Du, wie Du einmal sagtest, wie ein Affe aussiehst. Im Gegenteil, das wird viel schöner sein als jetzt, weil bei Deiner kurzen Oberlippe derzeit doch immer der Zwischenraum zwischen dem Gebiß und dem natürlichen Zahnfleisch zu sehen ist. Wenn es Dir schon einerlei ist, so mache dich bitte mir zu Liebe schöner. Gelt mein Schatz?

Wie die Verhältnisse hier jetzt stehen, so sieht es nicht danach aus, daß ich zu den Ferien hinaufkommen kann, weil wir wahrscheinlich durch die verspäteten Lieferungen den Fertigstellungstermin für Russe (22.6.) doch nicht halten werden, so daß meine Voraussetzungen, danach auf ein paar Wochen hinaufzukommen wahrscheinlich falsch waren.

Und da ich ja doch Pläne machen muß, auch wenn Du das nicht ganz verstehen kannst, so dachte ich schon darüber nach, ob Du nicht doch herunterkommen könntest. Bis Anfang September dauert es hier ja jedenfalls. Mit oder ohne Werner, per Schiff oder Bahn, darüber sollst Du Dir ein wenig den Kopf zerbrechen. Sofia ist ja nicht Russe und wenn der Sommer auch heiß sein soll, so ist das Gebirge in der Nähe und auch sonst ist es hier mehr Großstadt. Ich hätte ja sehr gerne Robert herunten gehabt, vielleicht wäre dies zu machen, wenn Ihr entweder 3. Kl. Bahn oder 2. Kl. Schiff fahren würdet, oder aber irgendwie anders. Eine Woche könnte ich mir hier doch Urlaub nehmen, sodaß wir auch ein wenig die Städte Plovdiv, Tarnowa, Burgos u.s.w. ansehen könnten. Spinne aber allein darüber nach und schreib mir, wie Du davon denkst. Damit sich nicht vielleicht Robert oder Werner freuen und es dann doch nichts daraus wird.

Zwar lächelst Du mir auf dem Bild, das vor mir steht, zu, aber damals wußtest Du ja noch nicht meine Gedanken.

Mittwoch fahre ich wieder nach Russe, bleibe aber nur bis Sonntag dort. Ich möchte mir doch Plovdiv ansehen und wie ich höre, ist Montag Feiertag.

Die Bestätigung wegen Fredy werde ich Dir von Russe aus senden, weil ich vor meiner Abfahrt hier nicht Zeit habe, aufs Konsulat zu gehen.

Daß heute Pfingstmontag ist, kommt mir hier sonderbar vor. Ob Du wohl in Ternitz warst?

Wegen des Urlaubs hängt es jetzt natürlich von Dir ab, ob Du herunterkommst. Wie lange bleibt Frau Wenty auf Urlaub?

Hast Du den „Lokum“ bekommen und hat Euch dieser geschmeckt? Hast Du Zoll zahlen müssen? Das nächste Mal sende ich Euch Halwa, das Süße, das ich mitbrachte.

Der gestrige Sonntag verging ohne weitere Zwischenfälle, vielleicht habe ich mich dabei ein wenig verkühlt, weil mir das Kreuz oder die Nieren weh tun. Aber das ist wieder bald vorbei, ich wanderte ca. 5 Stunden auf dem Plateau der Witorka.

Nun mein Liebes sende ich Dir den Brief per Flugpost (wenn ich schon selbst nicht geflogen bin), damit Du ihn noch am Mittwoch bekommst.

Viele Küsse,

Dein Robert.

Dienstag früh. Ich glaube, es ist doch besser, Du kommst allein. Viele innige Busserln.

Wien, 20.5.1937

Herzlieb!

Brauchst gar kein schlechtes Gewissen haben, Du siehst, ich antworte auch erst, nachdem heute Dein lieber Brief eingelangt ist. Ist eigentlich für Flugpost sehr lange gegangen.

Kind, ich denke nun seit 9 Uhr (Postzeit) bis jetzt, es ist 17 Uhr, darüber nach, was ich Dir auf Deinen Vorschlag antworten soll. So sehr es mich zu Dir zieht, mein Lieb, es überströmt alle Sehnsucht die Frage: „Was mache ich mit den Kindern?“

Fredy wäre ja für ein paar Wochen außer Frage, aber die beiden anderen? Robert könnte eventuell eine länger andauernde Radtour machen. Ich weiß, es ist dies sein heimlicher Wunsch, wenn er ihn auch nicht allzu laut werden läßt, weil er denkt, es kostet zu viel. Nun aber zu Werner. Leider kann ich ihn zu Julie nur eine Woche schicken, denn vom 15. bis zum 30. Juli haben sie Urlaub und fahren in die Schweiz, Hermine heimzuholen. Von Anfang August aber bis Dezember arbeitet Julie in der Gummifabrik. Sie sagte mir das alles, ohne daß ich selbst noch eine Erwähnung machte.

Wie Du aus dem obenstehenden ersehen wirst, war ich mit Werner in Ternitz und freue mich, daß ich fuhr. Das Wetter war herrlich, der Schneeberg so klar und rein, daß ich am liebsten oben gewesen wäre.

Geschlafen haben wir bei Julie. Wir drei im großen Bett, Hans in der Küche. Wir wollten Samstag um halb 10 Uhr von Wien abfahren, doch hörten wir auf der Bahn, daß wir erst die Züge ab 12 Uhr mit der Weekend-Karte benützen dürfen. Nun dachte ich, wir gehen zu Wentys in der Zwischenzeit, doch liegt Trude mit Scharlach zu Hause und darf natürlich kein Mensch hinein.

Wenty wohnt bei seiner Schwester. Mit Frau Wenty konnte ich nur vom Gang aus sprechen. Kann Dir also auch bezüglich ihres Urlaubs keine Auskunft geben, denn das Hauptgesprächsthema war natürlich der Scharlach.

Um 12.07 fuhren wir dann ab. Bei wechselnd wolkigem Wetter. In Neustadt regnete es. Gingen gleich zu Julie, da ich annahm, sie auf jeden Fall noch zu treffen. Es war auch so. Wir wurden sehr herzlich und gastfreundlich aufgenommen. Bald darauf kam Regine mit Mann und Kind. Fredel ist ein sehr lieber Bub und hat sich trotz seines „hohen Alters“ sehr gut mit Werner unterhalten.

Muß jetzt mit Bleistift weiterschreiben, weil die Kinder die beiden Tinten brauchen.

Samstag nachmittag gingen wir dann gemeinsam zu Seppel-Onkel, der zu allem anderen Übel auch noch Gelbsucht hat. Abends dann zu Richters. Kathie-Tante ist wohl schlecht, aber doch körperlich bedeutend wohler als Großmama. Geistig allerdings längst nicht so frisch wie Mutter.

Sonntag fuhren Meyerhofers mit dem Motorrad nach Steiermark und ich blieb mit Werner allein in der Wohnung. Ging einkaufen, dann gleich zu Martina, dann einen Sprung zu Richters und zu Hans. Von dort in den Wald und wieder nach Haus, zu kochen. Wir machten uns Naturschnitzel und waren so gut bei Appetit, daß wir zwei 52 dkg Fleisch aufaßen. Um 1 Uhr gingen wir dann mit Regine und Fredel auf die Gfieder-Warte. Abends noch in den Ternitzer Prater, dann brachte ich Werner zu Bett und plauderte noch eine Zeit mit Regine.

Montag waren wir dann mit Meyerhofers auf der Flaatzerwand und sind zu Werners großem Vergnügen einen versicherten Steig heruntergegangen.

Werner wäre am liebsten gleich draußen geblieben und hat auch in der kleinen Frieda (die sich vor 6 Jahren nicht wollte fotografieren lassen) eine liebe Spielgefährtin gefunden. Es tat uns allen leid, daß wir, der Fahrkarte wegen, schon Dienstag früh heimfahren mußten. Samstag in 8 Tagen will Julie mit Hans kommen, bin neugierig, ob’s diesmal stimmt.

Wegen der Zähne kann ich Dir den Preis gleich schreiben, weil Dr. Pick ihn mir gleich sagte. Es ginge nach Kassentarif und kostet pro Zahn 4 .40 S. Wären also ca. 130 S. Das ist doch ein bisserl viel. Ich dachte, es würde genügen, nur das obere Gebiß neu zu machen. Der Arzt meint aber, es ist das untere die Ursache, daß das obere so schlecht sitzt. Ich verstehe die Sache ja nicht. Jedenfalls, Kind, müssen wir doch eher als alle unnützen Ausgaben zu machen, an Roberts Schulgeld denken, das von Jahr zu Jahr höher wird. Das Zahnfleisch aber ist Sache des Zahnarztes. Ich habe keinem etwas dreingeredet.

Den Lokum haben wir bekommen, uns auch alle sehr gefreut, doch mußte ich 1.85 S Zoll bezahlen, zum Wert der Ware wohl kein Vergleich. Ich denke, wir warten lieber bis Du kommst.

Übrigens hatte ich am Dienstag Pläne gemacht. Und zwar, daß wir, wenn ich Werner in der ersten Ferienwoche nach Ternitz schicken kann, Fredy per Rad nach Oberösterreich begleiten könnten.

Werde mich aber jedenfalls noch weiter mit Deinen Plänen beschäftigen und Dir erst später ernstlich meine Antwort schicken. Ohne Werner läßt sich die Sache glaube ich kaum machen. Die übrigen Dinge, die Du anführst, sind mehr oder weniger belanglos, denn ich käme doch zu DIR, mein Lieb, und nicht zu Russe oder Sofia.

Hoffe, daß Deine Schmerzen wieder gut sind. Ich habe gestern das vordere Zimmer ganz geputzt und konnte die Nacht vor Arbeitsschmerzen nicht schlafen. Jedenfalls bin ich ziemlich kaputt und ärgere mich darüber. Aber man kann nichts machen.

In inniger Liebe küßt und umarmt Dich

Deine Gretel

Sofia, den 24.5.37

Mein Liebes!

Knapp vor meiner Abfahrt von Russe hat mir Stoiloff Dein liebes Schreiben übergeben. Ich war so froh, daß ich es noch dort erhielt, denn sonst hätte ich es wohl erst morgen oder übermorgen bekommen.

Diesmal war ich ja nur zweieinhalb Tage in Russe und habe nicht viel Zeit für private Dinge gehabt. Frau Kallinowa besuchte ich aber, sie war daheim und auch Etzi. Katja war in der Schule bei einer Feier. Etzi kam grad aus dem Garten und sah mich ganz entgeistert an. Sie ist nicht viel größer und gleich lieb. Auch Frau Kallinowa hat sich nicht viel verändert. Herr Baranoff ist vor drei Monaten gestorben und war auch schon vorher 1 Jahr lang nicht dort. Er hatte Blutzersetzung, was wahrscheinlich auf sein vieles Trinken zurückzuführen war. Seine Krankheit dauerte 8 Monate. Frau Kallinowa läßt Dich, auch Etzi natürlich, und Werner recht schön grüßen.

Bei Marinoffs war ich einmal, doch waren wir alle zusammen im Kino. Dabei habe ich den Film „Moderne Zeit“ mit Charly Chaplin gesehen und viel darüber gelacht.

Sonntag mittags fuhr ich dann ab, weil ich heute im Büro noch Arbeit habe (heute ist hier wieder großer Feiertag, Cyrill und Method), doch sehe ich eben, daß die Vorarbeiten, welche mir Nikoloff machen sollte, nicht erledigt sind. Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich doch noch über Plovdiv gefahren.

In Russe war es fürchterlich heiß und ich habe, da ich bei der Rückfahrt allein im Abteil war, eine lange Zeit geschlafen. Die schöne Strecke durchs Gebirge natürlich nicht, denn das wäre schade gewesen. Vor Sofia gab es gerade Überschwemmungen und ich hörte schon in der Bahn, daß nachmittags ein großes Gewitter niedergegangen sei. Als ich nach Hause kam, erfuhr ich, daß beinahe alle Straßen in Sofia unter Wasser waren, 20 bis 30 cm hoch. Die Strecke Belgrad Sofia ist unterbrochen, der ganze Bahnkörper mit den Schienen ist teilweise überhaupt abgeschwemmt, teilweise unterwaschen, so daß die Schienen mit den Schwellen in der Luft hängen. Der Orient-Expreß steht seit gestern nachmittag 5 Uhr dort. Erst bis heute mittag hofft man, daß die Verbindung wieder hergestellt ist. Und ich hatte während der ganzen Fahrt strahlend heißes Wetter.

Morgen kommt Hr. Djakoff aus Berlin und Wien zurück und da wird es sich entscheiden, ob ich nicht doch vielleicht im Juli auf 4 Wochen nach oben kommen kann.

Wenn ich Dir manchmal durch mein Schreiben Deine Gedanken durcheinanderbringe, so darf Dich dies nicht beirren. Weißt, es ist halt nicht so leicht hier. Hätte ich Dich hier, so wäre ja alles anders, ich denke mir ja auch dabei immer, daß wir die Fahrtspesen für andere Dinge brauchen (wenn Du mit der Bahn fährst, sind dies doch immerhin S 250.-), doch was nützt dies alles, wenn ich Dich doch auch ein wenig haben will.

Mein Alter ist gerade schlecht für das Alleinsein. Zu den Jungen paßt man nicht mehr, die lieben mehr das Lautsein, Trinken und dergleichen. Und die Älteren hier haben selbst ein Daheim und meist Familie.

Danka traf ich einmal zufällig, als wir beide ins Büro gingen. Ich ließ es aber bei dem einem Male und habe sie nachher nur noch einmal telefonisch gesprochen, das war gleich zu Anfang im März. Auch das ist besser so, denn wenn sie ja sonst ein ganz vernünftiger Mensch ist, so habe ich Dich doch, mein lieber Schatz, viel zu gerne.

Und so wird es denn doch am besten sein, wenn ich hinaufkommen kann, wir es uns um dieses Geld oben gut gehen lassen, wenn möglich zusammen, und dann dauert es ja vielleicht nur bis August oder Anfang September, dann kann ich wieder ein paar Monate zu Hause sein. Die Vernunft ist immerhin praktischer, wenn auch nicht immer schön.

Deine Zähne sollst Du Dir machen lassen. Das Geld dazu (ca. S 130.-) habe ich mir ja doch schon erspart. Wegen des Zahnfleisches mußt Du den Zahnarzt aufmerksam machen, sonst macht er Dir dies natürlich nach dem alten Gebiß. Diese Sache ist notwendig und muß daher gemacht werden.

Ich bin froh, daß Du nun in dem Dir (und auch mir) lieben Ternitz warst und daß Ihr’s schön hattet. Wenn ich nach oben kommen kann und ich in der ersten Ferienwoche Urlaub bekomme, so wäre es sehr fein, wenn wir zwei diese Woche ohne Kinder für uns hätten. Das ließe sich doch machen, was denkst Du?

Wir könnten dann per Rad, oder auch, wenn Du Dich ausruhen willst, per Bahn wohin fahren. Na, es ist nur wieder ein Vorschlag, ein ganz gesponnener.

Sorgen mache ich mir nur um Robert, daß er nicht durchkommt. Schaue bitte danach, daß er fest dahinter ist. Wegen seiner weiteren Radtour läßt sich ja reden. Wohin will er denn fahren? Und allein? Er wäre wohl gut, es fände sich noch jemand dazu, jemand vernünftiger.

Ich habe mir hier schon 6 Hemden gekauft, so daß ich für eine Zeit wieder versorgt bin und Du Dir die Arbeit des Nähens ersparst. Auch ein paar gelbe Schuhe. Die schwarzen drücken mich jetzt gar zu sehr, weil ich zwischen der Kleinen und der anderen Zehe am linken Fuß ein Hühnerauge habe. Nichts Angenehmes, das mich schon die ganze Zeit quält.

Sonst geht es mir mit den Schmerzen schon besser, wenn auch nicht ganz gut. Meiner Verdauung habe ich mit Rhizinusöl und …blättertee tüchtig nachgeholfen und ab heute scheint sie wieder regelmäßig zu sein. Ich werde mich jetzt auf mehr Obst und Gemüse umstellen, da ich glaube, daß das viele Fleisch schadet.

Beim nächsten Schreiben hoffe ich Dir schon Näheres sagen zu können. Mit 1000 Küssen

Dein Robert

Wien, 28.5.1937

Mein lieber Schatz!

Dein heutiges Schreiben hat meine Gedanken über die Bulgarienreise etwas zur Ruhe gebracht. Es heißt also wieder einmal abwarten. Mir wär’s ja natürlich um Vieles lieber, wenn Du doch kommen könntest, und auch für Dich müßte es angenehmer sein, aus dem Arbeitsrummel und der Hitze ein wenig los zu kommen.

Der Kostenpunkt bliebe sich zwar gleich und eigentlich nur Werners Fahrt erspart. Ich habe da allerdings auch schon wieder anderes in Erwägung gezogen. Körblers und Trude gehen im Juli 4 Wochen nach Weingarth. So meinte Hansi, Werner könnte mit Trude gehen. Das ist mir zwar nicht ganz sympathisch, doch immer noch besser als die lange Bahnfahrt, die dem Buben bestimmt nicht sehr gut tun würde (mit Trude selbst habe ich darüber allerdings noch nicht gesprochen).

Ich allein könnte dann eventuell 3 Kl. Personenzug bis Belgrad und von dort 2. Klasse weiter fahren. Na, vielleicht wird’s gar nicht notwendig.

Wenn Du kommst, werde ich bestimmt lieber per Rad mit Dir herumradeln als in der Bahn zu sitzen. Nur natürlich in vernünftigen Grenzen.

Kind, mache Dir vorläufig nicht zuviel Sorgen um Robert. Er lernt fleißig, kommt er trotzdem nicht durch, so ist das ein Zeichen, daß er’s nicht leisten kann, dann nützt auch alles Sorgen nichts. Aus dem Praktikum ist übrigens nichts geworden. Es waren nicht so viele Stellen da, so wurde der erste Jahrgang am wenigsten (d.h. gar nicht) berücksichtigt.

Ich bin beinahe froh darüber, denn der Bub schaut schlecht aus und braucht daher dringend eine Erholung.

Die Radtour ist auch außer Kurs, weil er ja niemand dazu hat. Er will nun lieber mit Lowak eine Fußtour auf den Zirbitzkogel machen, doch ist das alles noch im Keimen, wenn es reif ist, soll er Dir selbst darüber schreiben. Ich möchte auch erst einmal mit Frau Lowak darüber sprechen.

Von Lina kam diese Woche ein Brief. Sie hat schon 4 Sommergäste, also viel Arbeit. Herta möchte Fredy entgegenfahren. Doch bitte vor allem um Deine Bestätigung, sonst können wir hier gar nichts erledigen. Werde in nächster Zeit mehr auf der Polizei zu tun haben. Am 1. Juni ist die Fahrradsteuer zu bezahlen. Fredy und Werner müssen eine Fahrbewilligung haben, gilt schon seit 1. Mai. Vorigen Sonntag fuhr ich nachmittag mit Werner per Rad zu Großmama, weil ich mit Trude am Naschmarkt üben wollte. Unterwegs wurden wir zweimal angehalten, doch war die Sache sehr gemütlich. Trude fährt jetzt ganz gut, nur dreht sie sich manchmal beim Aufsteigen noch um, wie ehedem Lilli.

Fleischmanns lassen Dich übrigens sehr herzlich grüßen. Ich war heute vormittag dort. Mauzi war Samstag bei mir.

Fritz war auch wieder einmal da und ich mußte mich mal wieder ärgern über die zwei. Er regt sich auf, weil die Kleine nur 8 ½ kg hat, trotzdem sie schon allein läuft.

Das ist doch sicher ein Zeichen, daß das Kind gesund ist. Ich hab Fritz meine Meinung auch gesagt. Im Juni gehen sie auf 14 Tage mit dem Kind auf’s Land. Wenn sie dann noch auf ein paar Tage auf die Rax gehen, würde er mir die Kleine gerne geben, doch wagt er es scheinbar doch nicht, die Schwiegermutter so zu kränken.

Sag, Kind, wenn Dir Dankas Gesellschaft lieb ist, kannst Du doch manchmal mit ihr zusammenkommen; oder meinst Du, daß sie Dir mehr als menschlich nahekommen würde oder wollte? Dein Schlußsatz klingt etwas sonderbar. Aber nichtsdestoweniger mein Lieb, hab ich Dich doch auch SO gerne. Und daß Dir speziell weibliche Gesellschaft fehlt, weiß ich ganz genau.

Wegen meiner Zähne können wir jedenfalls noch warten bis Du kommst.

Es geht mir wieder sehr gut. Ich war etwas zu dick, habe aber innerhalb der letzten zwei Wochen meine normale Figur wieder erlangt und fühle mich sehr wohl.

Wenn Du mehr Gemüse und Obst essen wirst, wird’s gut sein. Bei uns sind Kirschen und Erdbeeren natürlich nur zum Anschauen da. Gemüse wird langsam, sehr langsam, etwas billiger. Einmal haben wir schon Fisolen gehabt und heute gab’s Erbsen. Auch Salat ist jetzt erschwinglich. In dem Monat ist’s mir mit dem Wirtschaftsgeld besonders schlecht gegangen, so daß ich vorigen Montag um 10 Uhr dachte, na, die Woche würde ich dringend Arbeit brauchen. Um ½ 12 Uhr schickte Schwarz 72 Kragerl. Ich muß ihm dringend ein paar Tage helfen. Es wurden insgesamt 140 Stück, die ich heute früh ausgeliefert habe. Nun bin ich aus der Schlamastik heraußen.

Übrigens, Schatz, wirst Du schauen müssen, daß ich im Juni irgendwie Geld bekomme. Fahrradsteuer, Fredys Zahnrechnung u.s.w. wird wohl ein großes Loch in die Kasse reißen. Warte aber ab, bis ich Dir darum schreibe, vielleicht kommt wieder einmal ein Schub von Schwarz.

Daß Du Dir neue Hemden kaufst, ist gut, Robert trägt nämlich Deine bulgarischen. Für Fredy und Werner möchte ich noch ein paar Polohemden kaufen. Muß Fredys Ausstattung jedenfalls in Ordnung haben und sollte ich doch nach Sofia fahren müssen, muß auch meine Ausstattung vervollständigt werden. Wieder etwas, was die Sache verteuert.

Kannst Du Dir das Hühnerauge nicht operieren lassen? Fredy werde ich auch ein Paar Schuhe kaufen müssen, Roberts Schuhe sind zum Doppeln.

Eben erhalte ich Nachricht, daß Julie und Hans diese Woche doch nicht kommen können.

Nun, mein Liebstes, tausend heiße Busserl,

Deine Gretel.

Sofia, den 29.5.37

Mein Lieb!

Es ist nun schon nahezu bestimmt, daß ich am 7.-9. Juli hinaufkomme. Die Firma schrieb mir, daß ich eventuell schon jetzt kommen kann, doch habe ich heute geantwortet, daß dies nicht möglich ist, und daß ich für Juli und eine Woche im August meinen Urlaub nehmen will.

Ich freue mich ja schon so darauf, wieder einmal daheim sein zu können. Freilich, die Abfahrt wird doppelt schwer sein, wenn ich Dich nicht doch vielleicht mit herunternehme. Aber darob zerbrechen wir uns einstweilen noch nicht die Köpfe, denn das läßt sich besser besprechen, wenn wir zusammen sind.

Nur werde ich ja doch vielleicht nur bis zum 10. oder 15. September hier bleiben, also könnten wir ja auch miteinander wieder nach Hause fahren. Aber wie gesagt, die Hauptsache ist, ich komme. Ich werde diesmal doch über Agram zurückfahren, also wahrscheinlich mit der Südbahn ankommen, vielleicht auch in Gloggnitz unterbrechen. Emmy hat mir einen sehr lieben Brief geschrieben, anläßlich des 70. Geburtstages von Fr. Dont.

Sie haben Dich übrigens zu Pfingsten erwartet, da ich ihnen schon vorher schrieb, daß Du vielleicht kommst.

Die Paßbestätigung konnte ich noch nicht senden, da ich den Paß wegen Beschaffung einer Arbeitsbewilligung abgegeben habe. Aber so lange wird wohl die Paßbesorgung nicht dauern. Hast Du von Lina schon eine Nachricht?

Ich habe bis vor drei Tagen mit der Verkühlung zu tun gehabt, bin aber jetzt wieder pumperlg’sund.

Gestern habe ich hier einen Monteur getroffen, der in Cospoli (Konstantinopel) mein Vorgesetzer war. Wir waren gestern abends und heute mittags beisammen und haben alte Erinnerungen aufgefrischt. Auch bin ich bei ihm in Pleven eingeladen, wenn ich wieder nach Russe fahre. Wahrscheinlich am 10 Juni. Hier ist von der Rumänien-Hitze nichts zu spüren, das Klima hier in Sofia ist doch gemäßigter.

Ich habe hier in der Zeitung von der Fahrradsteuer, Anmeldepflicht für die Kinder u.s.w. gelesen. Was wißt denn Ihr davon?

Wie gefällt Dir das Bild von Werner? Ich möchte dies und dann die beiden Großen, die Köpfe aus Prag, die ich hier noch vergrößern lasse, einrahmen lassen. Dies ist zwar gegen das Prinzip, aber ich möchte es doch haben. Ich habe hier schon ein Album voll Aufnahmen und es sind auch ganz schöne dabei. Das ist jetzt mein Vergnügen. Hier kann ich es mir ja leisten. Hebe bitte das Bild gut auf.

Heute ist übrigens Gudis Geburtstag, glaube ich.

Ich will, daß Du den Brief bald bekommst, darum mache ich Schluß. Jetzt sieht man schon lieber in die Zukunft.

Viele heiße Busserln, die ich Dir ja bald selbst geben kann.

Küsse an die Buben.

Robert

30. Juni 37

Mein lieber Schatz!

Habe eben Deinen lieben Brief bekommen, doch erfolgt die Antwort später. Dieser Brief soll ja weg, damit Du Dich freuen kannst.

Jetzt aber zu etwas anderem. Vom Büro heiratet im Juni eine „derzeitige“ Kollegin. Nach ihrer Hochzeit fahren beide gleich nach Reichenberg, weil sie dort Verwandte haben. Dabei kommen sie auch nach Wien und wollen dort einige Tage, 2 oder 3, bleiben. Da sie aber nicht viel Geld haben, machte ich dem Fräulein den Vorschlag, bei uns zu übernachten, freilich schon mit dem Bemerken, daß wir bescheiden leben u.s.w. Die beiden wären natürlich sehr froh, weil sie doch wenigstens das teure Hotel sparen würden. Wie ich eben hörte, fährt sie auch Rad, so daß eventuell Du oder einer von den Buben ihnen den Kahlenberg oder ein wenig von der Umgebung zeigen könnten.

Ich habe da eben wieder einmal selbständig gehandelt, ohne Dich vorher zu fragen, aber bitte, sei einverstanden, da Du doch auch die bulgarische Gastfreundschaft kennst.

Das Fräulein Nemetschek spricht natürlich deutsch. Schreibe mir bitte gleich, da das Paar vom 6.-9. Juli schon in Wien eintreffen will.

Das Plus an Geld (denn Geschichten brauchst Du nicht zu machen) werde ich schon erledigen.

Mit vielen Küssen,

Robert

Sofia, den 1. Juni 1937

Mein liebes Butzerl!

Also heute wird gleich Dein lieber Brief beantwortet. Gestern war übrigens ein Festtag für mich. Von Dir kam das Schreiben, von Hansi Brodil kam ein Brief und von Susi aus Russe auch einer. Geradezu international!

An Hansi schrieb ich wegen der Kollegin, die heiratet, ob sie nicht Zeit hätte, dem Paar Prag zu zeigen, da die Leute auch in Prag keine Bekannten haben. Hansi antwortete mir, daß sie selbst im Büro wäre, eine Dame aber sehr gerne den Führer machen würde. Hansi schrieb auch an unsere Hansi und Du wirst ja wissen, daß es Fanny gut geht, sie ist schon verheiratet und ist glücklich.

Susi schrieb mir einen sehr herzlichen Brief und bittet mich, wenn hier Arbeit ist, es ihr zu schreiben.

Nun zur Antwort. Ich bin glücklich, daß es nun doch möglich wird hinaufzukommen. Die Heimat zieht doch mächtig, selbst wenn es noch so schön hier wäre.

Wegen des Kostenpunktes ist es aber gar nicht gleich, denn die Fahrt zahlt ja die Firma. Wir können das Weitere ja dann besprechen, was nach meinem Urlaub sein wird, aber ein bißchen mußt Du mich schon auch Pläne machen lassen.

Wenn wir die Zeit meines Urlaubes zusammen sind, alle, so könnten wir die Buben für den August schon irgendwie anbringen. Fredy könnte ja bei Lina sein, wenn was draus wird. Robert könnte eventuell im August seine Tour machen und wegen Werner wird sich schon auch was finden. Dein Vorschlag bezüglich Körblers ist auch mir gar nicht sympathisch, sage derweil gar nichts.

Und wir beiden könnten per Schiff von Wien nach Lom fahren. Das kostet pro Person S 68.- einfach, also gerade so viel wie meine halbe Fahrt 2. Klasse von Wien nach Sofia. Du kannst Dir ein Bädervisum lösen und meine zahlt ja die Firma. Hier werden wir zusammen bestimmt billiger leben wie ich allein, und auch schöner. Die Heimfahrt, die wir ja jedenfalls auch zusammen machen können, denn vor dem 15. September glaube ich bestimmt hier fertig zu sein, würde 1860 Lewa pro Fahrt kosten. Das würden die ganzen Mehrauslagen sein, denn meine zahlt ja wieder die Firma. So habe ich also gesponnen. Auf alle Fälle wäre es doch wunderschön zu zweit einmal reisen zu können. Schau, wie schön war doch die Gmundner Zeit, wo wir ausnahmsweise zusammen sein konnten!

Wie gesagt, das sind derweilen nur Luftschlösser, aber manchmal wird doch auch aus diesen schöne Wahrheit. Wenn Du aber auch ein wenig daran glaubst, so richte Deine Ausstattung zusammen.

Du schreibst mir, ich soll mir keine Sorgen um Robert machen. Nun Kind, aber was dann, wenn er nicht durchkommt? Du weißt doch wie schwer es heute für einen Jungen ist, wo unterzukommen.

Was schreibt denn Lina wegen des Kostenpunktes?

Mit der Bestätigung ist es jetzt ein Kreuz, denn mein Paß ist bei der Arbeitsinspektion hier in Sofia und ich weiß wirklich nicht, wann die Erledigung erfolgt. Aber es wird schon noch rechtzeitig werden.

Wieviel ist denn die Fahrradsteuer? Vergiß mich bitte dabei nicht! Im Falle Du Geld brauchst, so ist es mir lieber, wenn Du dies einstweilen von Großmama nimmst, weil ich ja so im Juli hinaufkomme und mir im Geschäft dann alles erledigen kann.

Wann geht denn Fritz auf Urlaub? Na, die brauchen noch ein paar Kinder, damit sie die Fadessen verlieren. Bin neugierig, was Gudi für ein Wunderkind werden wird.

Wegen der Marken bist Du mit Deinem Vermerk schon zu spät gekommen, denn ehe ich diesen noch gelesen habe, hat man mir schon die Marken abgebettelt. Beim nächsten Schreiben hebe ich sie aber auf.

Nein, mein liebes Kind, jetzt nach Deinen verständnisvollen lieben Worten bezüglich Dankas Gesellschaft will ich erst recht nicht! Denn erstens habe ich DICH, mein Schatz, gern und zweitens habe ich mich ja doch schon an das Alleinsein gewöhnt, aber es wäre drittens die Gesellschaft doch ein Spiel mit dem Feuer und zuletzt würde dies Geld kosten, das ich wirklich für uns verwenden will. Darum mein Liebling danke ich Dir für Deine Liebe, aber besser ist es so und Dir ist’s auch so lieber, gelt?

Schwarz kann Dich scheinbar ja doch nicht entbehren, so hie und da macht es auch nichts, besonders wenn die Arbeit so gelegen kommt wie diesmal. Vor dem Urlaub und den Ferien wird wohl wieder viel zu tun sein.

Wenn ich jetzt die vielen Erdbeeren und Kirschen sehe, erstere 8 Lw, letztere 10-12 Lw, so tut mir immer das Herz weh, wenn ich an Euch denke. Wenn man wenigstens etwas senden könnte! Darum mußt Du also kommen. Dann gibt es schon Melonen und Weintrauben.

Warum geht Robert grad auf den Zirbitzkogel, den er doch schon kennt? Es gibt doch auch andere schöne Gegenden. Kann Lowak nicht radfahren? Da könnten beide ja mit dem Zelt wandern.

Ich selbst bin wieder ganz hergestellt und freue mich, denn hier krank sein ist nichts Angenehmes. Meine Hausleute sind wohl sehr lieb, doch habe ich mich in diesen Tagen besonders nach Dir gesehnt.

So, mein Liebes, jetzt ist es natürlich tüchtig spät geworden. Jetzt krieche ich allein ins Bett, stelle mir aber vor, wie schön es sein wird, wenn wir’s zu zweien tun können. In 5 Wochen ist es ja so weit, dann hoffentlich bleibt es auch einige Zeit so.

Viele Busserln,

Dein Robert.

Wien, 2. Juni 1937

Liebster!

Den heute empfangenen Brief hatte ich schon sehr sehnsüchtig erwartet. Denn als Mauzi mir Samstag das Geld brachte, sagte sie: „Wissen S’ schon, daß der Herr Schröfl kommt?“ Und erzählte mir dann, daß man Dich schon in den nächsten Tagen erwartet, und brachte mir auch Deine Speisemarken. Und ich freute mich, wie nur selten in meinem Leben.

Nun Schatz, aber wenn Du erst im Juli kommst, ist’s ja noch besser, denn jetzt, während der Schulzeit, hätte ich doch auf keinen Fall abkommen können. So hättest Du, wenn Du bei uns sein wolltest, in Wien bleiben müssen.

Nun möchte ich aber doch verschiedenes mit Dir besprechen. Bis jetzt rechneten wir damit, daß die Kinder gleich zu Beginn der Ferien, vorverschoben auf 3. Juli, ihre diversen Sommeraufenthalte antreten werden.

Wenn es Dir aber nun lieber wäre, daß wir die Zeit gemeinsam irgendwo verbringen, so schreibe bitte. Bei Fredy ist’s ja ohnehin fraglich, ob bis zu der Zeit die ganze Sache klappt. Der Referent sagte mir ja: „Kommen S’ aber so bald wir möglich.“

Vielleicht könnten wir aber gemeinsam Fredy begleiten und gleich eine Radtour machen. Eventuell auch den versprochenen Besuch in Aussee. Wenn Du Dich statt am 7.-9.schon am 3. Juli freimachen könntest, ginge das sehr gut in der Zeit, da Werner bei Julie ist. Robert könnte nach der Heimkehr seine Fußtour mit Lowak machen und wir mit Werner wohin gehen. So hättest Du doch jeden der Buben und doch nicht alle auf einmal, damit Du nicht nervös zu werden brauchst. Bitte schreibe, was Du davon hältst.

Fredy wird wahrscheinlich morgen seine Pfadfinderprüfung ablegen. Auf der letzten Deutschschularbeit hat er: „ziemlich gut; du hast zuviel auf einmal gewollt.“ Morgen kommt die Rechenschularbeit zurück. Und Robert hat morgen Mathe-Schularbeit.

Deine Gäste werden gut aufgenommen werden. Das ist doch nur selbstverständlich. Werde natürlich trachten, mich ihnen so viel als möglich zu widmen.

Ich sehe, ich muß den Brief doch erst morgen beenden. Ich bin heute 17 Stunden beim Waschtrog gestanden und trotzdem es erst halb 11 Uhr ist, so müde, daß mir die Augen zufallen.

Also „Gute Nacht, mein Lieb!“

3.6., morgens.

Und nun einen herzlichen Gutenmorgenkuß!

Das Bildchen von Werner ist sehr gut und wenn die Prager Köpfe gleich gut werden, soll’s mich freuen. Auch wenn sie gegen’s Prinzip eingerahmt werden.

Auch Lina schrieb mir, daß sie nicht damit gerechnet haben, daß Mutter so alt wird. Aber ich denke, Frau Dont ist mehr Raunzen als krank. Vielleicht kommen wir in Deiner Urlaubszeit dazu, in Gloggnitz einen Besuch zu machen.

Wegen der Fahrräder muß ich erst zur Polizei gehen. Vorgestern waren wir bei Hella und gestern war Waschtag. Hellas Wohnung ist sehr hübsch, besonders das Wohnzimmer wird Dir gut gefallen. Sind wieder mit Weisels zusammengetroffen.

Nun schließe ich, sonst geht die Flugpost weg.

Vorläufig noch viele papierene Küsse,

Gretel


[up] [CV] [Holydays] [1920] [1921] [1923] [1925] [1926] [1928] [1929] [1930] [1931] [1932] [1934] [1935] [1936] [1937] [1938] [1939] [1940] [1941] [1942]




We appreciate your comments, please send them to Paul Schröfl (pauli schroefl.com). The usage of this Web Site underlies our usage policy. © 1990- 2024 Paul Schröfl, Lisl Schröfl. Last changes made on december 7th, 2021