Sonnenblumenepitaph
* Not translated yet * Only german version available *
Sunflower epitaph in the church of SteyrEntnommen aus: „Sonnenblumen der kläglichsten Tage“ – Die Pockenepidemie 1703 in Steyr und der Sonnenblumenepitaph aus der Gruft der Stadtpfarrkirche
In: Denkmal heute. Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft der Denkmalfreunde/Bundesdenkmalamt. Ausgabe 1 / 2001.
"Sonnenblumen der kläglichsten Tage" - Die Pockenepidemie 1703 in Steyr und der Sonnenblumenepitaph aus der Gruft der Stadtpfarrkirche




Gerettete „Denkmale“ lohnen den in sie investierten
Aufwand nicht selten dadurch, daß sie erst im Zuge der
konservatorischen Bearbeitung ihre Geschichte und die dahinter
stehenden menschlichen Schicksale offenbaren. Dies trifft in
besonderer Weise auf alle mit Sterben und Grabkult zusammenhängenden
Werke zu. Unter diesen wieder gehören die Kirchengrüfte zu den bisher
oft vergessenen Gattungen - wie etwa die Westgruft unter der
Stadtpfarrkirche von Steyr.
1990 kam der große
Sonnenblumenepitaph, der sich in der Gruft befand, in die Werkstätten
des BDA. Trotz des schwerst korrodierten Zustandes (mit
Schmutzkrusten, Rostpusteln, Blechrissen, Farbschollen ect.) war eine
Datierung in das Jahr 1703 erkennbar. Der erste Konservierungsschritt
bestand in mechanischer Entfernung der groben Rostauflagen auf allen
unbemalten Rückseiten und mit erhöhter Vorsicht auch vorderseitig. Die
Eisenkorrosion wurde dann etappenweise chemisch mit zweifacher
Kompressenauflage behandelt zur Rostreduzierung und Passivierung mit
ammoniakalischer Zitronensäure. Bei von Rost unterwanderten
Malschichten (alle Blumen u.a.) wurde eine Mischung aus Bleioleat mit
Stearat eingeschmolzen, um weitere Feuchtereaktionen des Eisens zu
verhindern. Die Retuschen der Fehlstellen erfolgten in Ölfarben im
jeweiligen Farbton. Flächige Farbrekonstruktion der grünen Blätter
oder des braungrauen Stammes konnte sich auf die stärker korrodierten
unteren Teile und Randbereiche beschränken. Textlich ungeklärte
Fehlstellen wurden nicht ergänzt und nur farbig angepaßt.
Deutung
Beim Sonnenblumenbaum (Gesamtgröße 234 x 230 x 15
cm) fehlt die Inschrift der zentralen Mittelblume, diejenigen der 6
kleinen Blumen sind unleserlich) und nur die Inschriften der 5 großen
Blumen sind zu entziffern (Reihenfolge von rechts nach links): Anno
1703, den 20ten October um 9 Uhr Nachts die der kläglichsten Tage nach
sich ziehet fanget die Sterbens Reye an Max Sigmund Vorrig von
Hochhaus, der den 13ten May zuvor das 13te Jahr zurückgelegt. - Anno
1703, den 25 October um 9 Uhr sturbe Anna Maria Johanna, die alß ein
Waissen ohne Vatter gebohren worden Ihres Alters 1 Jahr 4 Monat. -
Anno 1703, den 28 October wurde in das Himmlische übersetzt Maria
Catharina Constanza um 1 Uhr Frühe Ach ihrer ver... betrübten Mutter
all zu frühe im 14 Jahr 6. Monats ihres Alters. - (170)3 den ....Tag
des schmerzlichen Monats October nahme der .....Gottsen (?) gelichem
umb 9 Uhr Nachts den Überrest (?) meiner Tochter Franciscam Aloysiam
Elisabetham mit 7 Jahren 12 Monat. - Anno 1703, den 27 October folgete
ihrem Bruder durch das Sterben Maria Clara Emerentia welche den 7ten
selbiges Monat das 7te Jahr sch(?)iche 7ten Uhr früh.
Steyr, Stadtpfarrkirche, Westgruft, Sonnenblumenepitaph, Zustand
1995
Sonnenblume fur Max Sigmund Vorrig von Hochhaus, nach
Restaurierung Detail, Eisenepitaph mit Sonnenblumen, Zustand 1995
Die Dreiheit mit dem Sonnenblumenbaum erinnert an die Familie
Vorrig von Haushaus, die ebenfalls Stadtpatriziat von Steyr angehörte.
Die Todesfälle werden von den Sterbematriken der Stadtpfarre Steyr
bestätigt. Die Tochter des 1655 gestorbenen Steyrer Bürgermeisters
Schröffel, Katharina, heiratete in zweiter Ehe den Eisenobmann von
Steyr Franz Gottfried Vorrig von Hochhaus. Mit dem 1690 geborenen Max
Sigmund Vorrig von Hochhaus starben demnach sein Vater (dessen Name
wahrscheinlich auf der verlorenen Inschrift der Mittelblume genannt
war) und 9 Geschwisterkinder und die zurückbleibende Mutter stiftete
die Epitaphien. Die Familie der Vorrig von Hochhaus war eng mit der
Leitung des Eisenhandels durch die Innerberger Gewerkschaft verbunden
und die Wahl des Materials Eisen statt Stein für das Gedenken
demonstriert diesen Zusammenhang.
Mit der Kenntnis der
Namensträger ist für den in seiner Art einzigartigen
Sonneblumenepitaph zwar der gesellschaftliche und wirtschaftliche
Hintergrund geklärt, aber noch nicht die Herkunft der Idee und ihrer
poetischen Bilder von Gott als dem großen Gärntner und den
Verstorbenen als Schar großer und kleiner Sonnenblumen. Den
Quellenhinweis liefert dazu die Inschrift auf dem rechten Blatt in der
Wandmalereiversion (analoge Reste auf den Blättern des Eisenbaumes
waren nicht mehr lesbar). Das Buch Hiob ist zweifellos das
eindrucksvollste biblische Zeugnis für verzweifelte Menschenklage und
zugleich gottesfürchtiges Ertragen schuldlosen Unglücks. Sein 14.
Abschnitt beginnt mit dem Bild des Menschenlebens als Blume: „Der
Mensch, von Leib geboren, knapp an Tagen, unruhvoll, er geht wie die
Blume auf und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht
bestehen.“ Wer diese Stelle ausgewählt und das Ganze ausgeführt hat,
müssen erst weitere Quellenstudien klären.
Von den vielen
vergessenen menschlichen Tragödien als Folge dieser Seuche - an der
1711 Kaiser Joseph I. starb und die Maria Theresia 1768 knapp
überstand - erinnert nunmehr der gerettete Sonnenblumenepitaph von
Steyr als „sprechende Denk-Mal“ wieder sowohl an die alte Eisenkunst
in Steyr als auch an die privaten Schicksale ihrer Bürger.
Restaurierwerkstätten für Kunstdenkmale
Letztes Update:
01.12.2001 © Copyright 2001 BUNDESDENKMALAMT
Leider ist der ursprünglich verlinkte Original-Artikel auf der Website des BDA seit langem nicht mehr vorhanden. Die Bilder hat mir Frau Mag. Andrea Bohm vom BDA dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt, aber man hatte dort nur mehr Photographien der gedruckten, aufgerasterten Bilder im „Denkmal“. Für mich ein Beweis, dass das Internet doch nicht nichts vergißt. Seither habe ich begonnen, interessante Dinge wirklich komplett herunterzuladen...