Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


[nach oben] [Lebenslauf] [Urlaube] [1920] [1921] [1923] [1925] [1926] [1928] [1929] [1930] [1931] [1932] [1934] [1935] [1936] [1937] [1938] [1939] [1940] [1941] [1942]


2.5.1935

Du, mein Liebstes!

Gut Ding will Weile haben, aber hoffentlich bist Du mir deswegen nicht böse. Jedenfalls ist’s wirklich besser, wenn ich den Brief heute beende anstatt vorgestern. Es hatte mir ein Schlüssel der Wohnung gefehlt, so konnte ich die Skizze erst heute machen. Und da ich den Brief ohne der Skizze nicht absenden wollte, wartete ich bis heute.

Außerdem aber war ich vorgestern so müde, daß ich kaum mehr fähig war zu schreiben. Ich war mit dem Rad hineingefahren, bis zu Hansi. Von dort gingen wir zum Albertplatz. Dann zu Rudolf, weil ich ihn fragen wollte wegen des Streichens der Möbel. Er meint nun freilich, ich soll erst streichen, wenn wir in der neuen Wohnung sind. Vielleicht nicht mit Unrecht. Dann ging ich mit Hansi in die Renngasse zur Krankenkasse und weil ich schon dort war, holte ich mir von Wenty den für Mai bestellten Stoff. Er freut sich sehr über Deinen Brief.

Darauf kauften wir in der Judengasse einen Mantel für Hansi. Von dort gingen wir gleich ins Dorotheum, wo ich wirklich gleich etwas fand. Ich erstand einen Bücherkasten und einen kleinen Kasten für die Küche fürs Geschirr. Den Geschirrkasten will ich ja als zweiten Wäschekasten lassen und die beiden Laden in den weißen Kasten den großen Buben zur Benützung einräumen. Auch einen großen Kleiderkasten hatte ich mir gleich vermerkt und heute gleich gekauft. Kostet in summa 291 S. Kleider- und Bücherkasten sind Nußholz, politiert. Transport habe ich gleich dazugerechnet. Dazu muß ich morgen wieder hinein. Hoffentlich kann man doch mit dem Rad fahren. Heute war’s unmöglich, Sturm und zeitweise Schnee, auf jeden Fall eisig kalt.

Ja, noch etwas: Olga war gestern wieder da und brachte mir die Nachricht, bevor ich noch etwas kaufe (ich hatte schon gekauft, trotzdem sie mir Sonntag schon sagen ließ, ich soll damit warten, bis Du kommst), also bevor ich noch etwas kaufe, Herr Pfister verkauft sein lichtes Schlafzimmer, weich, aber politiert, um 270 S. 2 Betten, Einsätze (unsere Matratzen sind jedenfalls zu schmal. Ich müßte also wenigstens einen Keil einsetzen.), 2 zweitürige Kasten, 2 Nachtkasteln, eine Psyche. Na, ich sagte ihr natürlich, ich werde mir die Sache ansehen. War auch heute bei Bernhard um die Adresse von Pfisters, doch hat er mir eine falsche Adresse gegeben, so daß ich die Sache nicht besichtigen konnte.

Notwendig brauchen wir’s ja nicht gerade, aber immerhin wär’s ganz schön, wenn sie schön sind, die Möbel. Nur müßte ich Dich bitten, mir, falls ich wirklich in dem Monat kein Geld von der Firma bekomme, vielleicht von Fritz noch diese 300 S auszuborgen. Ich habe jetzt von den 780 S von Mutter, die 170 S Wohnungsspesen, 291 S Möbel und voraus 300 S für den Monat genommen. Da ich aber in dem Monat über 100 S schon allein für den Zins brauche, genügt dies nicht einmal (33 S Wenty, 30 S mein Mantel). Ich bin nur froh, daß die Auslagen für mich bald ein Ende haben. Zur Fahrt brauche ich noch Hut und Handschuhe. Schluß.

Ich mache nun auch Schluß, Schatzerl. Jemand im Radio singt just ein Lied von Herz und Schmerz und Sehnsucht! Das ist gar nicht gut. Na, hoffentlich nimmt auch die Trennungszeit einmal ein Ende! Wenn’s so eine Hetzerei ist, wie die letzte Zeit, spürt man’s ja weniger. Umgekehrt kommen so viele Entscheidungen, wo ich Dich gern als Assistenten hätte, trotzdem ich einen Großteil meiner Energie wieder gefunden habe, als ich ihrer bedurfte.

Nun, Liebes, leb wohl und wundere Dich nicht so sehr über meine momentane Verschwendungssucht; ich möchte es eben so schön als möglich haben. Dann heißt es ja wieder doppelt sparen.

Ich umarme und küsse Dich sehr heiß,

Deine Gretel.

Werde Dich betreffs der Schlafzimmermöbel verständigen, sobald ich sie sah.

Weidlingau, den 6.5.35

Lieber Vater!

Die neue Wohnung gefällt mir sehr gut. Ich war Freitag mit Mutter drinnen und Hansi kam auch hin. Wir 3 warteten auf den Möbeltransport aus dem Dorotheum mit dem Bücher-, Küchen- und Garderobekasten. Sie sollten schon um 2 Uhr dort sein, kamen aber erst um 4 Uhr an. Der Bücherkasten gefiel mir von allen am Besten. Die beiliegende Skizze zeigt ihn Dir im Maßstabe 1:20. Auf Deine Frage, ob Gas, Licht und Wasser in der Wohnung ist, kann ich nur ja sagen. Das Closet allerdings ist auf dem Gang.

Wie geht es Dir und Frau und Herrn Stör? Hoffentlich geht es Euch so gut wie uns. Bitte schreib mir bald und schicke mir einige Ansichten von Russe.

Viele Busserl,

Dein Robert

Lieber Vater!

Bei uns waren in der letzten Zeit sehr viele Nachtfröste, daß die Weinhauer sehr viel Arbeit hatten. In der Nacht hatte es bei uns auf der Cottage -4 Grad.

Am Ostermontag war ich mit Robert in Aspern am Flugfeld, wo wir viele ausländische Flugzeuge sahen. Wir fuhren über Tulln nach Hause. Wir dachten gar nicht, daß der Weg so weit ist. In Königstetten ging mir die Luft im Hinterrad aus. Wir kamen erst um 23.15 Uhr nach Hause.

Dienstag war ich sehr müde, na, Du kannst Dir ja denken, wenn man 97 km gefahren ist, wie man dann müde ist. In der Früh des Dienstag fuhr die Mutter nach Wien, um wieder eine Wohnung zu suchen. Als sie am Abend nach Hause kam, sagte sie, sie habe eine Wohnung gemietet. Wir waren alle sehr erfreut und gestern sah ich sie mir an. Sie hat ein Vorzimmer, eine Küche und 2 große Zimmer. In dem einen Zimmer sind vor dem Fenster Holzladen und ich dachte mir, diesen Raum könntest Du zum Entwickeln brauchen, denn wenn man die Holzladen zumacht, ist es ganz finster. Die Mutter hat aus dem Dorotheum einen Bücherkasten, einen Küchenkasten und einen Kleiderkasten gekauft, die sehr schön sind.

In der Schule geht es mir gut. Vorige Woche hatten wir Rechenschularbeit. Auf der letzten Schularbeit habe ich eine 1 bekommen und ich hoffe auch, daß ich auf dieser Schularbeit auch eine 1 habe, denn ich habe alle Aufgaben richtig.

Bitte schicke mir wieder eine Karte.

Viele Grüße,

Fredy

Weidlingau, 6.5.1935

Mein lieber Mann!

Nun ist Fredy endlich mit seinem Brief an Dich fertig. Es ist fast 9 Uhr und ich hatte mich ein wenig zu Werner gelegt, um ein wenig zu schlafen in der Zeit, da Fredy schrieb. Mir ist nämlich schon 2 Tage ganz miserabel. Wenn’s nicht ausgeschlossen wäre, könnte ich denken, es kommt was Kleines.

Es ist aber nur ein Göderlspeckbrot, welches ich Samstag abends aß, daran schuld. Auch Robert hat in der vergangenen Nacht so gebrochen, daß ich ihm das ganze Bett abziehen mußte und den Fußboden rund um den Diwan aufwaschen. Er hat nämlich nicht nur Speck gegessen sondern auch Gras und ist außerdem gestern 6 Stunden Kahn gefahren, auf der Hochramalm.

Deine Fragen betreffs der Wohnung hat Dir Robert sehr lakonisch beantwortet. Also, Kind, ich dachte eigentlich, es sei selbstverständlich, daß Gas und el. Licht eingeleitet sind. Allerdings ist die Lichtleitung kollossal stümperhaft außen gelegt, nur ein Steckkontakt ist eingemauert. In beiden Zimmern ist je in der Mitte die Lichtleitung, im Vorderzimmer an der rechten Seitenwand (wohl beiderseits der dort gestandenen Betten) je ein Steckkontakt. Im Hinterzimmer auch 2 Steckkontakte, je einer an der rechten und linken Seitenwand. Der linke ist der eingemauerte. Ich meine links also an der Seite, wo die Tür vom Vorraum in das Zimmer führt. Ob Du das nach der Skizze ohnehin gewußt hättest, weiß ich nicht. Die elektrische Klingel ist oberhalb, nämlich seitwärts oben bei der Tür, die ins Hinterzimmer führt, auf der Zimmerseite und kann auch von unten bei der Tür des Stiegenaufganges sowohl als auch von der Mitte der rechten Seitenwand des Hinterzimmers (am Fußboden) betätigt werden. Sie geht so laut, daß sogar Hansi sie ohne Mühe hört.

Wo in der Küche die Wasserleitung ist, habe ich Dir ohnehin eingezeichnet; das Gasrohr läuft an derselben Wand und geht ungefähr in der Mitte der Wand herunter.

In den Zimmern ist Parkettboden, gut erhalten, in der Küche und im Vorraum Bretterboden aus ca 10-12 cm breiten Brettern, auch gut; ehemals gestrichen, aber stark abgetreten. Vor dem Herd eine Reihe Steine. Die Form des Parketts ist im Vorderzimmer so (Zeichnung), im Hinterzimmer so wie gewöhnlich. Der Kachelofen im Vorderzimmer ist weiß, aus ganz glatten Kacheln, nur die Ränder sind mit Gold verziert. Ein mit einer Türe verschlossenes Fach zum Wärmen ist auch drinnen. Ausgeputzt braucht momentan nicht werden. Es ist noch sehr schön, wenn auch nicht frisch geputzt. Das Vorderzimmer in Blau mit Gold. Das Hinterzimmer ist ein sehr gelbliches Drap mit Braun. Die Küche weiß-blau, der Vorraum weiß-schwarz. Das Closet ist zwei, wirklich nur zwei Schritte vor der Tür auf dem Gang mit gut funktionierender Wasserspülung, doch ziemlich klein. Natürlich für uns allein, da ja sonst gar keine Partei auf dem Gang ist. Dem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daß der Gang ohne Beleuchtung ist und die Stiege nur eine Petroleumlampe hat. Unten auf dem Gang ist allerdings noch elektrisches Licht. Na, dem Übel wäre wohl bald abgeholfen, wenn’s notwendig wird.

Ja, die Wohnung liegt im 1. Stock. Mehr Stöcke hat das Haus ja nicht. Kennst Du’s nicht? Es ist in der Ecke bei dem „besonderen Stadtamt“; zwei Säulen sind vor dem Haustor.

Ehe ich darangehe, die Wohnung zu reinigen, möchte ich für alle Fälle ausschwefeln. Man hat mir zwar versichert, es sei rein. Man sieht auch nichts, aber ich gehe lieber auf No. Sicher. Zu reinigen ist hübsch viel, in Ofen und Herd liegt der Ruß und Schmutz, die Türen und Fenster schmutzig, daß man schwarz wird, wenn man ankommt, die Zimmer sind nicht einmal gekehrt.

Habe ich Dir jetzt genug geschrieben von der Wohnung? Schatzerl, ich wollte, ich hätte dort schon alles in Ordnung und könnte Dich erwarten. Ich hoffe ja so sehr, daß es Dir gefallen wird. Das Äußere des Hauses wirkt zwar nicht so vornehm wie bei Rudolfs, doch sind dafür die 2 Zimmer mindestens so groß wie 3 von Rudolfs Format. Und ein schönes Viertel inmitten der Stadt. Und Kinder darf man haben, was bei Rudolf ja auch nicht der Fall ist.

Also, Sturm habt Ihr nicht schlecht. Hoffentlich werdet Ihr nicht auch noch verweht und wenn ich komme, kann ich Euch womöglich irgendwo am Meeresstrand suchen. Über Eure vereitelte Donaufahrt mußte ich eigentlich ein bißchen lachen, trotzdem Ihr Euch sicher geärgert habt. Na, hoffentlich gibt’s mehr Passagiere, wenn ich hinunterfahre, sonst muß ich noch die Bahn benutzen und ich freue mich doch schon so auf die Ruhe auf dem Schiff. Ich werde sie nach all dem Rummel sehr nötig haben. Habe mich nach Jahren gestern wieder einmal gewogen und wiege samt Winterkleidern und Mantel 61 kg. So wenig habe ich nicht gehabt, so lange ich zurückdenken kann. Werner hat 19 kg. Wie ist es, mit den Rädern zu fahren? Ist gut, daß Ihr Euch schon braten lassen könnt in der Sonne. Bei uns ist’s nach wie vor kalt zum Einheizen. Doch scheint seit drei Tagen wenigstens die Sonne, das ist doch ein Fortschritt.

Im Realgymnasium war ich noch nicht. Es sind die Einschreibungen erst am 4. und 5. Juni und werden vorher Anmeldungen nicht entgegengenommen. Doch habe ich gestern mit Schw. Czip gesprochen. Mimi ist konfessionslos in die Mittelschule eingetreten und trägt ihr Zeugnis den Vermerk „Mitgl.der Kirche Jesu Christi u.s.w.“ Das Schulgeld richtet sich nach dem Gehalt und ist bei Czips bei 280 S 7 S pro Halbjahr. Das wäre ja nicht so arg, wenn wir auch vielleicht 15 S pro Halbjahr bezahlen müssen.

Nun Schatzerl, mein liebes, schlafe gut. Ich küsse Dich vieltausendmal und drücke Dich fest und innig!

Gretel.

Bitte schreib den Kindern einmal ein paar Worte separat. Robert ist ziemlich gekränkt, daß Du seine Briefe nicht beantwortest. Grüße mir Fini und Fritz.

7.5., morgens. Mein Liebes! Es fiel mir erst ein! Ich glaube, es ist das Beste, wir lassen die Kinder einfach zu Hause und Mutter und Hansi, ev. auch alle drei, ziehen in der Zeit, wo ich weg bin, auf den Albertplatz. Ich stelle natürlich mein Haushaltungsgeld zur Verfügung, abzüglich Fredys Kostgeld. Werners und Bernhards Zusammensein ist mir durchaus nicht sympathisch. Kannst mir aber noch schreiben, was Du davon hältst.

Sag, Schatz, hab ich Dir den Rat gegeben, zu heiraten? Ich entsinne mich nicht. Wohl aber weiß ich, daß ich mit Fini vielleicht in derartigem Sinne gesprochen habe, auf ihre Fragen, natürlich. Auf Deinen Körper bin ich wohl kaum eifersüchtig, umso mehr auf Deine Seele. Da aber beides nicht gut zu trennen ist, ist’s mir umso lieber, wenn Du allein durchkommst. Ich dachte nur an die Zeit bei Fredy und daß Du mir damals sagtest, ein zweites Mal würdest Du „so etwas“ nicht mehr tun. Nun, und jetzt ist die Zeit ja auch nicht kürzer, Du Armes, Liebes, Du! In heißer Liebe,

Dein Weib.

Russe, den 9.5. 1935

Liebe Gretel!

Ich danke Dir für die rasche Übersendung der Wohnungsskizze. Nun kann ich mir doch ein Bild von unserer neuen Behausung machen. Ich bin so froh, das kann ich Dir gar nicht sagen. Du hast ja alles so gut gemacht, mein lieber Schatz. Auch daß Du gleich die Möglichkeit hast, Neues anzuschaffen, ist fein. - Eines würde ich einstweilen nicht kaufen, das Schlafzimmer, mach’s jedoch, wie Du willst. Es soll ja die Wohnung für Dich eine Freude sein und daß dies bis jetzt der Fall ist, ersehe ich aus Deinem Schreiben.

Natürlich habe ich nach Deiner Skizze gleich eingerichtet. Also ich stelle mir das so vor: Im Vorzimmer, neben dem Fenster kommt eine Vorzimmerwand, eventuell mit kleinem Spiegel. Im ersten Zimmer ein viereckiger Tisch mit 6 Sesseln, zwischen den Fenstern der Spiegel, an der Gegenüberwand die zwei weißen Kästen (möchtest Du sie nicht weiß lassen?), dann im Zimmer günstig verteilt 2 Lotterbetten. Deine Nähmaschine könnte eventuell noch in dieses Zimmer kommen. Und auch der Bücherschrank. Hier werden sich die Kinder aufhalten. Das zweite Zimmer denke ich als unser Schlafzimmer, aber mit aufklappbaren Betten, an der rechten Wand. In die rechte Ecke würde ich die Bank stellen. Später möchte ich bequeme Sessel haben. Dazu ein kleiner Tisch. Links an der Wand die Kästen und in der Mitte zwischen den Fenstern unseren Wäschekasten. Weiters ein Lotterbett für Werner, vielleicht in der Mitte der Kästen.

So beiläufig stelle ich mir die Sache vor. Du brauchst Dich aber nicht dadurch beirren lassen, wie gesagt, mach’ es, wie Du es für gut hältst.

Fritz habe ich wegen des Geldes nichts gesagt, weil ich weiß, daß er dies unter Kennwort eingelegt hat. Er hat mir jedoch selbst den Vorschlag gemacht, daß wir sein Gehalt, das er am 1. Juni bekommt, haben können. Er würde dann an Rommel, der sein Gehalt abhebt, diesbezüglich schreiben.

Sag, Schatz, ist die Küche ohne Fenster? Du schriebst mir früher, daß insgesamt 5 Fenster wären. Laut der Skizze sind 2 im ersten, 2 im zweiten Zimmer und im Vorraum eines. Wo ist denn der Abort? Ich hoffe, daß ich morgen von Dir ein Schreiben bekomme mit den näheren Angaben.

Übermorgen früh kommen zwei Frauen per Schiff. Beide von unseren Berlinern, davon eine Mutter mit 6 Monate altem Baby. Ich freue mich schon auf letzteres, mir scheint, ich habe von Dir schon angezogen. Du kannst Dir vorstellen, wie sich die beiden Männer schon freuen. Sie feiern schon seit Samstag alle Abende Abschied von der Strohwitwerschaft.

Bezüglich der Fahrt ist es möglich, wenn auch auf Umwegen, sowohl Fahrpreis von Wien nach Russe als auch Verpflegung bei Ankunft des Schiffes hier in Lewa zu bezahlen. Herr Schmied, einer der Glücklichen, wird mir übermorgen die Berechnung zeigen.

Hier ist nun schon, gestern früh, das dritte Expreßschiff angekommen. Sehr feiner Dampfer. Die Fahrt kostet I. Klasse S 78, hiezu eine Kabine von Wien nach Russe S 88, ein Schlafplatz pro Tag S 11. Nun kannst Du Dir, mein Lieb, aussuchen, wie Du fahren willst, Du sollst es so schön haben, wie nur möglich. Dann bleibst Du ein paar Tage in Russe und dann geht’s ans Meer. Kind, ich werde es ja gar nicht erwarten können.

Ich fahre Ende Mai nach Varna, geschäftlich natürlich. Auch eine ganz schöne Abwechslung. Da kann ich mich gleich um ein Quartier für uns umschauen für unsere Durchfahrt. Von Varna möchte ich, südlich ca. 10 Stunden bis unter Burgos fahren, in eine kleinere Stadt oder ein Fischerdorf. Dort feiern wir dann unser Wiederhaben. Du siehst, im Plänemachen bin ich noch immer unverbesserlich. Es ist auch kein Wunder, habe heute erst die Pläne für die Zentrale fertig gezeichnet. Na, schön wird das dann sein.

Fritz und Finny lassen Dich recht grüßen. Montag waren wir auf der Insel St. Matthäi. Wir hatten hier Feiertag (Georgitag), an welchem jeder Bulgare sein Lamm schlachtet, oder der Arme wenigstens sein Stück Lammfleisch kauft. Es ist hier Tradition, daß man an diesem Tag zur Donau geht und sich dort wäscht. Schon um 5 Uhr morgens war ein Großteil der Bevölkerung an der Donau.

Die Leute nehmen sich dann einen Weidenzweig mit, alles ist aufgeputzt, die Bahn, Autos, Droschken und jeder Einzelne. Auch war eine Parade der Militärs, der Organisationen und Schulen.

[Fortsetzung und Schluß fehlen]

Russe, am 11.5.1935

Mein lieber Robert!

Ich danke Dir für Dein liebes Schreiben und für Deine Skizze vom Bücherkasten. Dieser ist ja nach derselben recht hübsch und auch geräumig. Nun, ich freue mich ja schon auf unsere neue Wohnung sehr. Da haben wir dann alle Platz und können auch sonntags in die Museen gehen oder aber doch auch mit den Rädern fortfahren. Auch Störs freuen sich mit mir.

Heute früh sind die Frauen von unseren zwei Berliner Herren gekommen, da bin ich schon um 5 Uhr aufgestanden, damit ich auch einmal das Expreßschiff ankommen sehe. Die vier Schiffe, die von der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft von Wien bis hierher verkehren, sind sehr geräumig und, wie die Frauen erzählten, innen sehr fein ausgestattet. Die Fahrt kostete von Bratislava bis Russe, I. Klasse und auch Kabine I. Klasse, 3.300 Lewa, das sind ca. S 170. Das Essen kostet pro Tag 15 S. Die beiden Herren haben die gesamten Kosten hier in Lewa bezahlt. Ich schreibe dies, weil es auch unsere Mutter interessieren wird.

Hätte schon sehr gerne, daß Mutter auch bald kommt. Sage, wolltest Du nicht zu den Ferien auch gerne von Wien fortfahren? Vielleicht an die Aspangbahn? Oder nach Ternitz oder Berndorf? Es wäre für Dich doch besser, wenn Du in den Ferien nicht in Wien wärst. Vielleicht wäre es auch möglich, daß Du zu Rosners nach Haag könntest. Da Fredy ja nach Rottenbach fährt, wäre dies vielleicht nicht schlecht. Nun, nächstes Jahr machen wir wieder eine feine Radtour zu den Ferien.

Heute früh bin ich ca 10 km ins Land hineingefahren. Es ist jetzt, besonders morgens, wenn es nicht so heiß ist, wirklich ein Vergnügen zu fahren. Die Obstbaumblüte ist wohl schon vorüber, doch duften die Sträucher und die blühenden Wiesen so fein. Die Marillen sind schon 3-4 cm groß und auch die Kirschen werden bald reif sein. Der Wein blüht auch schon. Frau Stör kocht uns jetzt oft grünen Salat und auch manchmal Kochsalat mit grünen Erbsen.

Hier war heute der „Tag des Kindes“. Da sind alle Schulklassen geschlossen auf den großen Platz vor der Post marschiert. Von den Spielschulkindern bis zu den Gymnasialklassen war alles verteten. Hier in Bulgarien tragen alle Schüler, von der 5. Klasse (1. Hauptschule) an Uniformen, die Knaben und auch die Mädchen. Die Knaben meist schwarz, es kommt auf die Art der Schule an, die Mädchen dunkelblau. Auch hat jeder Schüler und jede Schülerin eine Nummer auf dem linken Ärmel. Das soll bezwecken, daß die Schüler anständig auf der Straße sind, denn man kann sofort, wenn etwas vorfällt, durch die Nummer den Namen bzw. die Schulklasse erfahren. Diese einheitliche Kleidung ist dadurch ganz gut, weil die Kinder armer Eltern genau so aussehen wie die der reichen Leute. Besonders die Mädeln können sich nicht so übermäßig putzen, wie dies manchmal bei uns der Fall ist. Auch macht man hier klassenweise viele Ausflüge, auch Reisen. Beinahe jeden Sonntag sind hier fremde Kinder, aus Varna, Plovdiv, Sofia u.s.w. Die Schulen haben auch richtige eigene Musikkapellen, die besonders in den höheren Klassen Schönes leisten und auch öffentliche Konzerte geben. Da fällt mir eben ein, daß Du, wenn wir in Wien sind, wieder geigenspielen kannst. Dieses Einheitliche bei den bulgarischen Kindern entwickelt ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, das sich auch beim Volk auswirkt.

Eines wird Dich noch interessieren, daß die Klassifikation in der Schule hier von 6 anfängt und bis 2 geht. 6 ist die beste Note, 2 die schlechteste. Es war spaßig, als ich eine Deutsche fragte, wie es ihr in der Schule geht und sie antwortete, daß sie lauter „Sehr gut“ und nur zwei Fünfer habe.

Es wird mich sehr freuen, wenn Du mir bald wieder schreibst. Mache mir bitte auch einen Plan über die Lage des Hauses unserer neuen Wohnung mit Angabe der benachbarten Gassen.

Mit vielen Küssen,

Dein Vater.

Russe, 10.5.1935

Liebe Gretl!

Vor allem unsere herzlichsten Glückwünsche zu Deinem Wohnungserfolg!!

Die Wohnung dürfte, bis auf die Waschküche, sehr gut sein und die Miete ist ja auch nicht so arg. Wir haben ausgerechnet, daß es nur S 25 mehr ausmacht, wenn man alles berücksichtigt (22 S zahlt Ihr jetzt, 10 S Fahrgeld Bahn für Vater, 8 + 8 S Robert und Fredy zur Schule - wird bald fällig, dann noch Ersparnis bei Gas- und Lichtpreis). Also, fast billiger als die Weidlingauer Wohnung.

Im Geiste richten wir schon mit Dir ein. Die Kasten für das Wohnzimmer darfst Du nicht so bauernbraun streichen (wie unser Clo in Kritzendorf), das ist nicht schön. Im zweiten Zimmer sehen wir schon die Aufklappbetten an der Wand auf- und niedergehen. Wir stellen uns auch dort einen niederen Tisch mit modernen gepolsterten Lehnsesseln vor, ein Lotterbett, Kasten und Bücherschrank, na, Du wirst schon noch dorthin kommen. Ihr habt recht, wenn Ihr auch für die Kinder Lotterbetten anschafft, das läßt mehr Raum im Zimmer. Ich hab Robert vorgeschlagen, er soll für einen einen „Schlaf…sessel“ (unleserlich!) anschaffen, der ist praktisch und gut, aber davon will Robert nichts wissen, gefällt ihm nicht. Also - kommt Zeit, kommt Rat. Wir werden ja genügend Zeit haben, im Sommer alles zu besprechen. Richte Dir nur alles so ein, daß Du längere Zeit hier bleiben kannst. Robert reißt es immer, wenn er das Wiener Expreßschiff sieht, leider ist’s bis dahin noch eine gute Weile.

Wir verbringen die Zeit so gut wie möglich, ergeben uns dem stillen Suff. Wir haben schon eine große Korb-Weinflasche angeschafft, damit man nicht alle Augenblicke neue Auffüllung holen muß. Der Wein ist das einzige, was wirklich märchenhaft billig ist (1 Liter = 30 g). Halt, noch die jungen Schafe, aber die mag ich nicht essen.

Wanzen gibt’s wenig, nicht mehr als in Wien. Russe gefällt uns ausnehmend gut. Finny fühlt sich hier bedeutend wohler als in Prag - ich auch. Das macht die Gesellschaft und die Gegend (Donau). Wir haben schon eine Menge Bekannte, viele nette Leute. Der Samstag dauert meist bis Sonntag früh. (Das bezieht sich selbstverständlich nur auf uns, Robert ist ja der Musterknabe, Beim Essen sagt Finny immer: „Schau, wie brav er ißt“.) Dabei kommt so ein gemütlicher Abend für uns beide auf 1.50 bis 2 S höchstens. Da wird kartengespielt, gesungen, geulkt und getanzt, es sind hier die Gemüter nicht so bedrückt wie bei uns zu Hause. Du wirst ja sehen.

Über sonstiges hat Dir Robert ja schon berichtet. Sehr viel Geld geht für’s Photographieren auf.

Schließe mit herzlichen Grüßen von mir und von Finny,

Dein Fritz.

Ja, grüße auch die Jungs. Sie sollen sich beim Radeln nicht überanstrengen, in diesem Alter können sie sich dabei leicht eine Lungenschädigung holen!!

Weidlingau, 13.5.1935

Mein Liebstes!

Also, weißt, Dein Brief vom 9.d. M. ist schon mehr als gelungen. So Knall und Fall abzubrechen, ohne jeden Gruß. Aber wie ich merke, bist Du, wie auch Störs, mit mir froh über unser neues Heim. Gestern waren Rommels mit Frau Alt da, das junge Ehepaar Körbler und Trude. Und alle sind eigentlich froh, daß wir nun doch nicht in die Kreitnergasse ziehen. Die Gegend erfreut sich scheinbar großer Unbeliebtheit. Auch fürchtet besonders Fritz (mit Beistimmung der anderen Anwesenden) ähnliches wie Dr. Allmeder. Na, vorläufig ist ja alles unentschieden. Wer weiß, wie lange das Haus noch so stehen bleibt.

Nun, Schatzerl, das Schlafzimmer habe ich leider schon gekauft, sonst hätte ich Deinem Wunsche gerne Rechnung getragen. Ich war wohl in dem Fall ein gut Teil von Olga beeinflußt. Obwohl ich im Allgemeinen ihre, mir so gern geschenkte Vormundschaft, sonst meist ablehne, trotzdem ich weiß, sie meint es gut mit allen ihren Ratschlägen. Nun hat sie mir ja schon wieder ein Transportunternehmen gesucht (natürlich ist wieder ein Bekannter dort), das mir die Ausziehfuhre samt Abholung der Möbel aus der Bandgasse um 60 S macht. Nun, ich werde mich aber trotzdem auch beim Pischl erkundigen. Für den Transport aus dem Versatzamt habe ich in Olgas Augen viel zu viel bezahlt. Richard wieder fand, es war billig. Du siehst also, es ist am besten, ich stehe auf eigenen Beinen und kümmere mich so wenig wie möglich um die Meinung anderer (ausgenommen um Deine!)

Also, Liebstes, ich will Dir nun auch schreiben, wie ich mir vorläufig die Einrichtung denke. Aber nein, es ist vielleicht noch besser, ich zeichne Dir eine neue Skizze. Nur ob sie haargenau der andern gleicht, weiß ich nicht, denn heute arbeite ich nur aus dem Kopf, ohne Angaben.

Anstelle der hier angeführten Lotterbetten kommt jetzt die Eckbank, den Kasten will ich weder weiß lassen , noch so „bauernbraun wie das Kritzendorfer Clo“ streichen, sondern hell, zu den anderen Schlafzimmermöbeln passend. Etwas ausschlaggebend für den Ankauf des Schlafzimmers war auch dies, daß man nun die Lotterbetten dunkel halten kann, da auch die anderen dunklen Möbel nun im Gartenzimmer stehen werden. Diverse Veränderungen können wir immer noch vornehmen, wenn Du da bist und wir sehen, wie weit die Moneten reichen. Ja, das Gehalt ist übrigens am 4.d. M. ganz angekommen. Ich brauche also momentan nichts. Nur zum Umzug selbst wäre es mir sehr lieb, wenn ich die 156 S hätte, die von Störs kommen sollten, aber bis heute ausgeblieben sind. Habt Ihr da irgendein anderes Arrangement getroffen? Dann müßte ich Dich schon bitten, mir wenigstens etwas von Fritz’s Maigehalt anweisen zu lassen. Rommel kommt am 1. Juni zu mir, um wegen des Radios nachzusehen. Die anderern Montagen hoffe ich, daß mir Richard jun. besorgen wird.

In allen anderen Belangen hoffe ich, ohne Hilfe auszukommen. Ich denke, es gilt hier wie in der Küche: „Viele Köche verderben den Brei.“ Zum Schluß würde jeder herumräumen und man weiß dann überhaupt nicht, wo etwas liegt oder steht. Weißt, mein Schatz, was mich ganz besonders freut? Daß ich endlich genug Kasten haben werde. 4 Kastenladen, da möchte ich je eine den beiden großen Buben einräumen; dann werden sie doch hoffentlich Ordnung halten; eventuell können sie in der Lade Abteilungen machen. Eine Lade für Deine geschäftlichen Papiere und eine für Strümpfe. So kann ich auch den Korb hinter dem Bett wegkriegen, Du weißt gar nicht, wie froh ich sein werde, die Kasten oben leer zu bekommen und nichts hinters Bett stellen zu müssen.

Ja, die Küche ist ohne Fenster, doch heller als unsere jetzige. Nur das Gartenzimmer ist eigentlich dunkler, als ich zuerst dachte. Es steht nämlich unweit der Fenster eine kollossale Kastanie. Die war wohl zur Zeit, da ich die Wohnung mietete, noch sehr spärlich belaubt, dadurch wirkte wohl das Zimmer ebenso hell wie das Vorderzimmer. Nun aber genug davon.

Daß Du Dich schon jetzt um ein Durchreisequartier umschaust in Varna, ist wohl reichlich früh! Oder nicht, Du Ungeduld! Kind, ich glaube, Du hast doch auch so viel zu tun, daß Dir die Zeit recht rasch vergehen wird. Ich zum Beispiel fürchte manchmal, ich werde gar nicht fertig; na, dann fahr ich aber unfertig ab.

Die Schiffahrt kommt ja, wie es scheint, teurer als die Bahn. Und bei einem Preisunterschied von 50 S ist doch wohl vernünftiger, sich mit einem Schlafplatz zu begnügen, so schön auch eine eigene Kabine sein würde.

Fritz lasse ich recht herzlich für seinen netten Brief danken. Beantworten werde ich ihn mündlich, es ist ja schon wieder 23 Uhr und ich so müde. VorigeWoche war ich bei Dr. Allmeder. Ich habe Eierstockreizungen. Nichts Gefährliches. Nur schwere Sachen zu heben oder radfahren schmerzt mich. Es sind dieselben Schmerzen, die ich schon x-mal hatte, verbunden mit weißem Fluß. Etwas besser ist’s nun schon geworden, mache Dir also durchaus keine Sorgen. Morgen fahre ich wahrscheinlich die Wohnung ausschwefeln, wenn das Wetter schön genug ist, um nach Hütteldorf zu gehen. Zwei Tage habe ich nun nicht geheizt, aber heute sind meine Füße schon wieder wie Eis.

Das Baby werde ich wahrscheinlich auch sehen, darauf freue ich mich schon.

Werner hat mir ein Lesezeichen gemacht, zum Muttertag, und die großen Kinder Zuckerln gekauft. Die Sonntagsschule hat mir natürlich die obligaten Maiglöckerln geschickt.

Weißt Du, wer in unsere Wohnung zieht? Robert Artmann jun., er ist seit dem 1.d. M. zu Hause.

Grüße auch von Rommels und Körblers! Hast Du Brodils schon geschrieben? Und wie stehts mit den Blockkarten?

Schlaf wohl, mein Lieb! Grüß mir Fini und Fritz! Und sei Du recht innig geherzt und geküßt von Deiner

Gretel.

Fritz hat übrigens leicht lachen, wenn es Dich reißt, bei Ankunft der Dampfer.

Russe, 12.5.1935, Sonntag

Mein Liebes!

Ich sitze im Schatten von Akazien, auf der Böschung einer Landstraße, vor mit ein gelbblühendes Kleefeld, dahinter weiden ein paar Kühe, eine schwachhügelige Landschaft mit braunschwarzen Feldern, unterbrochen von grünen Wiesen und auch mit wenigen Obstbäumen. Auf der anderen Straßenseite hacken zwei Buntspechte auf den Baum ein, manchmal miteinander kreischend raufend. Einen jetzt vorüberfahrenden Autobus ignorieren sie vollständig. Der blaue Himmel ist wolkenlos, ein schwacher Wind rauscht durch die schon großen Akazienblätter.

Ich bin heute vormittag allein weggefahren, Finny konnte nicht mit, und da wir gestern abend bei deutschem Lehrer und Frau eingeladen waren und erst um 1 Uhr nach Hause kamen, konnte selbstverständlich Fritz so zeitlich nicht aufstehen. So bin ich denn alleine gefahren, denn ich will doch so viel wie möglich sehen. Das nächste Dorf in dieser Richtung liegt 18 km weit entfernt. Dort war eben wieder Kinder-Feierlichkeit, denn heute ist Kindertag in ganz Bulgarien. Das Dorf ist eigentlich von unseren Dörfern sehr verschieden. Bei uns sieht ein Dorf mehr gedrängt aus, schmälere Straßen, meist Obstbäume, kleine Gärten, während nun hier jedes Haus schon kleine Felder innerhalb des Zaunes oder der Mauer hat. Auch sind die Häuser hier nieder, die Straßen sehr breit, so daß alles ein schütteres Aussehen hat. Die schönere Hälfte bewohnen Bulgaren, die schlechtere Türken. Eine verhältnismäßig große Kirche und eine kleine Moschee sind auch dort. Und jetzt wird der Himmel so sonderbar grau, daß es aussieht, als würde etwas kommen. Auch liege ich, wie ich sehe, in einem Ameisenhaufen, es wird daher besser sein, ich fahre wieder zurück. So eine kleine Plauderei mit Dir, mein Schatzerl, muß ich ja doch machen.

Du weißt also nicht mehr, daß Du mir sagtest, ich soll mich einstweilen hier verheiraten? Hast es halt vergessen. Denn wenn Du auch mit Finny dergleichen geredet hast, so spreche ich natürlich in diesen Angelegenheiten mit Niemand.

So, nun jetzt viele Busserln.

Dienstag, 14.5.1935

Mein Liebes!

Bei dieser Sendung bist Du gewiß benachteiligt. Aber was tut denn so ein Mütterlein nicht für die Kinder, gelt, Schatz. Meine Füllfeder ist schon wieder erschreckend leer, ich hoffe aber, daß sie dieses Blatt noch aushält.

Durch Deine Beschreibung ist mir nun Deine Wohnung schon vorstellbar. Nur, Du wirst lachen, bin ich mir auf einmal nicht ganz im Klaren, wo der Albertpark ist. Es sind dort, soviel ich mich erinnere, zwei Plätze und ich weiß nicht, welcher der richtige ist.

Wegen Fredy bitte ich Dich, daß Du bei seiner Anmeldung doch wegen der Konfessionslosigkeit anfragst. Sollten Hindernisse bestehen, so laß ihn protestantisch eintragen. Für dergleichen Vermerke bin ich nicht. Wenn die Angaben über das Schulgeld stimmen, so ist dies ja nicht so arg. Natürlich ist da noch das Schulmaterial dazuzurechnen. Na, es wird schon gehen.

Unklar ist mir noch, ob beide Zimmer von der Küche zu beheizen sind oder nur eines. Was Du mit dem „besonderen Stadtamt“ meinst, ist mir auch unklar.

Wenn jemand mit einem Fotoapparat zu Euch kommt, laßt Euch bitte fotografieren; eigentlich wollte ich kein Bild von Euch, aber ich sehe, daß es doch schöner ist, wenn ich Dich, wenigstens im Bild, sehe.

Viele Busserln, mein Liebes, Robert.

Russe, 14.5.1935

Lieber Fredy!

Auch Dir danke ich für Deine lieben Zeilen und freue mich, daß Du in der Schule immer voran bist. Hoffentlich kommst Du bei der Aufnahmeprüfung gut durch und hast dann auch weiterhin einen guten Erfolg. Gerade in der Mittelschule muß man anfangs sehr vorsichtig sein, denn man kommt dort mit vielen Buben zusammen, die nicht immer die bravsten sind. Ich habe dies, lieber Fredy, selbst mitgemacht und mußte schon im ersten Halbjahr austreten, weil ich, nur durch die schlechte Gesellschaft beeinflußt, kein Vorzugsschüler wurde und meine Eltern das Schulgeld nicht zahlen konnten. Als Vorzugsschüler hätte ich Schulgeldbefreiung bekommen. Also denke daran, wenn Du in die Mittelschule eintrittst und sei deshalb nicht furchtsam, denn heute ist es gewiß in Vielem anders.

Nun, nach Deinem Schreiben habt Ihr ja wieder eine närrische Radtour gemacht, Ihr könnt nur froh sein, daß ich nicht zu Hause war, denn da hätte es gewiß etwas gegeben. Ihr müßt immer bedenken, was so eine Übertreibung eines Sportes für Folgen haben kann. Abgesehen von den Sorgen, die sich die Mutter macht, wenn Ihr so spät nach Hause kommt, können solche Strapazen auf die Gesundheit schädlich wirken, besonders auf das Herz, das bei Euch in Entwicklung ist und leicht für lange Zeit erkranken kann. Gewiß sind wir den letzten Tag unserer Tour auch viel gefahren, aber erstens ging’s da lange Strecken bergab und dann wart Ihr trainiert. Also seid in dieser Hinsicht vernünftig, daß Ihr gesund bleibt.

Letzten Sonntag habe ich einen Radausflug, insgesamt ca 40 km gemacht und da sehr große geierähnliche Vögel, 4 Stück, in der Größe eines Pelikanes gesehen. Die Spannweite bei einem, der bei meinem Kommen eine Strecke flog, dürfte 1.20 bis 1.50 m gewesen sein. Es ist nur schade, daß ich meinen Apparat nicht mithatte. Auch Störche sah ich ganz nahe in einer sumpfigen Wiese. Auch einen Hamster und Buntspecht. Aber ich sehne mich schon sehr nach einem richtigen Wald. Wahrscheinlich nächsten Sonntag, wenn es schön ist, fahre ich mit Störs zusammen nach Tschiflik. Dort ist ein Wald, hoffentlich ein echter. Wir nehmen uns dann das Essen mit und werden den ganzen Tag dort bleiben. Wahrscheinlich Ende Mai fahre ich nach Varna, da fällt mir ein, daß ich das so schon geschrieben habe.

Hier fangen jetzt schon die täglichen Gewitter an. So wie die Leute sagen, soll abends um ca 6 Uhr in den Sommermonaten alle Tage ein Gewitter niedergehen. Nun, heute fing’s schon um 2 Uhr an. Aber es gab aus, das Wasser stand stellenweise einen halben Meter hoch auf den Straßen. Die Feuerwahr kam gar nicht nach bei den Hilfeleistungen. Momentan regnet es noch immer, aber das ist fein, denn es war die letzten Tage schon sehr heiß. Wir haben vor einiger Zeit bei einer meteorologischen Station über die Wärmeverhältnisse hier nachgefragt und erfahren, daß es im Sommer schon einmal 43 C im Schatten gehabt hat. Nun, das ist schon recht viel und wir hoffen, daß wir recht viel Regen haben, die Hitze ist ja gar nicht angenehm.

Schreib mir recht bald wieder. Viele Busserln

Vater.

Weidlingau, 20.5.1935

Mein lieber Mann!

Na, ein bißerl bin ich wohl wirklich diesmal zu kurz gekommen, aber ich glaube, ich werde mich bald revanchieren. Wer weiß, ob mir nächste Woche Zeit bleibt um Dir zu schreiben, mein Lieb. Sonntags hab’ ich fast immer Besuch und bin dann abends ganz abgespannt. Montag werde ich zum letzten Mal Großwaschtag haben in Weidlingau. Und dann beginnt gleich mit dem Bügeln auch das Packen.

Annerl, die gestern mit Richard da war, sagte, sie beneidet mich direkt, daß ich keine Waschküche habe. Du siehst also, es hat (wenn man nach Ganghofer geht) jedes Ding zwei Seiten, und wenn man’s richtig betrachtet, zwei gute.

Daß Du nun auf einmal nicht mehr weißt, wo der Albertplatz ist, ist zwar sonderbar, aber schließlich hast Du Dich nach Deiner Heimkunft auch auf dem Naschmarkt verirrt, warum nicht auch bei einem anderen Domizil. Also paß auf, es ist ungefähr folgende Situation (Skizze); genau stimmt das ja nicht, aber beiläufig. Es fehlen von unserem Haus nur zwei oder drei Häuser bis zur Alserstraße. Davon ist, wie ich est vor ein paar Tagen merkte, gleich das erste (auf unserer, der Platzseite, besonderes Stadtamt genannt) eine Volksschule, so daß, wenn wir dort bleiben werden, Werner kaum eine Minute zur Schule hat.

Fredy habe ich in der Realschule in der Neustiftgasse vorangemeldet. Ich glaube, es ist doch besser als das Realgymnasium. War übrigens eine hitzige Debatte vorigen Sonntag; Rommel contra Körbler. Rommel für die Realschule für den Techniker, Körbler für die humanistische Allgemeinbildung der Realgymnasien. Auch ist Körbler ein absoluter Gegner der Staatsgewerbeschulen.

Also Fredys Aufnahme hängt nur mehr von der Aufnahmsprüfung ab, die am 19. Juni, 3 Uhr nachmittag stattfindet. Ein Religionszwang besteht nicht. Ja, aber sag, Kind, hast Du mich im Verdacht gehabt, daß mir „solche“ Vermerke sympathisch sind? Ich gehe zwar sehr gerne in die Sonntagsschule, aber das hat doch damit nichts zu tun.

Das Schulgeld geht von 56 S auf 42, 28, 14 bis 7 S pro Halbjahr und wird laut Schätzung des Herrn Direktors (Studienrat Dr. Springer), übrigens eines sehr netten Mannes mittleren Alters, bei einem Bruttogehalt von 380 S und drei Kindern wahrscheinlich 14 S vielleicht sogar nur 7 S pro Halbjahr betragen. Mit Vorzug oder sonstigem Schülertum glaube ich, hängt das nicht zusammen. Natürlich wird ein schlechter Schüler, auch wenn er arm ist, keine Schulgeldbefreiung bekommen. Schulmaterial brauchen die Kinder auch in den Hauptschulen, ist also kaum als Separatausgabe zu werten. Außerdem kann man die Bücher eventuell antiquarisch kaufen und im nächsten Jahr wieder verkaufen, so daß sich das nächste Jahr wesentlich billiger stellen dürfte.

Wenn wir hier nur ein wenig von Eurer Hitze hätten. Heute untertags war es ja draußen recht schön, aber jetzt friert mich schon wieder wie einen Pintscherl. Und gestern, als Richard und Annerl da waren, saßen wir zu Dritt auf dem Sofa, gemeinsam in eine Decke eingehüllt, um nicht zu erfrieren. Petroleum hatte ich auch keines zu Hause, so konnte ich nicht heizen. Übrigens, es ist bloß das rückwärtige Zimmer von der Küche zu heizen. Im Vorderzimmer steht ein schöner weißer Kachelofen. Doch hat mir die Partei damals versichert, man könne mit dem Koksofen beide Zimmer heizen, wohingegen mir die Hausfrau versicherte, daß die vor-vorige Partei mit dem Kachelofen beide Zimmer heizte. Na, wir werden ja sehen.

Aber, um auf Fredy zurückzukommen: Wenn wir ihn wollten protestantisch werden lassen, so müßten doch wir oder wenigstens eines von uns beiden auch übertreten. Daran ist mir eigentlich die Geldfrage das Unangenehmste.

Ein Brenner für unseren Gasherd kostet 6.20 S. Wegen des Bleches hab’ ich noch nicht gefragt.

Im Übrigen bin ich mit meinem ausgeborgten Gelde fertig und wenn mir nicht im letzten Moment eingefallen wäre, daß wir noch etwas in der Sparkasse haben, hätte ich zum Schluß nicht einmal die Umzugskosten gehabt. Abrechnung schicke ich Dir, wenn alles erledigt ist.

Das Bett von Rudolf werde ich, wenn ich kann, wieder verkaufen, wenn Du sowieso auch für Werner mit einem Lotterbett rechnest (oder mit einer Bettbank, die mir so viel besser gefällt). Soll das Bett schön sein, muß ich mindestens noch mit 25 - 30 S rechnen, für Vorhänge und passende Bettdecke. Abgesehen von dem unerläßlichen Wandschoner, den allerdings auch das Lotterbett erfordert, nicht aber die Bettbank. Na, auch das wird sich finden.

Übermorgen will ich die Wohnung putzen und ev. auch den Küchenkasten einmal streichen. Ich habe mir Hansi und Richard bestellt. Letzteren zum Kehren der Öfen und des Herdes. Es geht mir zwar etwas besser, aber ich glaube, es wird doch gut sein, wenn ich die Arbeit nicht ganz allein mache; und für Hansi und Richard wird eine kleine Zubuße auch gar nicht schlecht sein. Schicke Dir heute die letzthin vergessene Skizze mit.

Schlaf wohl, mein Liebstes, Du! Vor ein paar Tagen träumte ich von Dir, aber just als ich Dich erblickte, bin ich aufgewacht.

Ha-Wei, 20.5.1935

Lieber Vater!

Heute hatten wir eine Schularbeit in Geschichte. Auf meine Schularbeiten in Naturgeschichte und Naturlehre hatte ich Einser. Du weißt, daß ich eine Flugmaschine erfinden will, von der ich Dir eine Skizze beilege. Jetzt würde ich Dich brauchen, daß Du mir ein kleines Modell von einem elektrischen Motor machst. Gestern war ich auf der Wallbergerhütte, wo ein Fest sein sollte, das aber wegen schlechten Wetters abgesagt und auf nächsten Sonntag verschoben wurde.

Viele Grüße, Fredi

21.5.1935

Werner hat Dir ein Auto gezeichnet.

Heute war Sprechtag in der Schule. Fredy ist weiter gut, nur im Schreiben bekommt er 2 geschenkt und die Aufsätze sind sehr trocken.

Robert ist auch im allgemeinen gut, doch könnte er in Naturlehre auf vorzüglich stehen, wie der Herr Direktor sagte, „aber es sind der Freunde zu viele“. Herr Lehrer Burgstaller sagte sogar: „Der Lackner ist der größte Strolch von der ganzen Schule“. Er hat Robert schon verschiedene Male von diesen Freunden abgeraten. Na, das wird ja in Wien vielleicht auch besser.

Auch heute viele Busserl,

Gretel.

Ja, der Schiffspreis ist eigentlich enorm. Da wäre man ja fast versucht, mit der Bahn zu fahren. Wenn’s nur nicht so ekelhaft wäre. Und sag, muß man denn erster Klasse fahren?

Die Kosmos-Bände sind sehr schön geworden, Halbleinen rot mit grünen Rücken und Ecken. Insgesamt 9 Bände 23.40 g.

Am 31.d. M., 7 Uhr früh, ziehen wir.

Eben las ich Fredys Zeilen. Der Stil ist ja nicht schlecht, aber Rechtschreibung und Form!

Liebling, grüße mir die Freunde recht herzlich! Ich bin so froh, daß Du sie hast! Ich denke, Du bist bei Fini gut geborgen.

Viel, viel Busserl, von Deiner

Gretel.

Russe, den 20.5.35

Mein allerliebstes Butzerl!

Heute Deinen Brief vom 13 erhalten. Du hast diesen aber drei Tage liegen gelassen, da der Poststempel vom 16, ist. Daher war vorige Woche die erste ganz ohne Nachricht von Dir. Vielleicht hat das auch mitgeholfen, daß ich Sonntag das erste Mal so wirkliches Heimweh hatte. Weißt, die Hauptsache war die Mundharmonika, die ich hier in Russe das erste Mal spielte und da fielen mir alle Spielschullieder von Werner ein und auf einmal war mir so weh ums Herz und ich spürte, trotzdem Fritz und Finny da waren, und beide sind ja wirklich so liebe Menschen, ich spürte, wie allein ich bin, ohne Dich, mein liebes Weib, und die Kinder. Auch war ich Samstag vormittag bei Schmieds und habe da das Kleine herumgetragen, das mag auch Ursache gewesen sein, dieses Dilemma zu bekommen. Nun, gestern früh war’s schon vorbei.

Wir haben gestern den ersten größeren Radausflug, ca 55 km insgesamt, gemacht. Eine feine, aber anstrengende Tour, da der größte Teil des Weges so schlechte Straßen waren, daß wir schieben mußten. Außerdem war es, trotzdem es teilweise stark bewölkt war, sehr heiß, 25 - 30 Grad. Man möchte gar nicht glauben, daß es nach Deinen und den Zeitungsberichten so kalt bei Euch ist. Heute lasen wir einen deutschen Wetterbericht, nach welchem es in Deutschland durchschnittlich 3 bis 4 Grad hat. Für die Rustschuker ist diese allgemeine Kälte ja angenehm, obwohl das Obst dadurch wieder später reif wird. So gab es im vorigen Jahr um diese Zeit schon ganz billige Erdbeeren, heuer gibt es kaum Kirschen (kosten noch 60 Lw/kg). Aber es gibt dafür schon grüne Fisolen und Erbsen. Das ist fein, denn wir alle drei haben das Fleisch nicht gerne. Salat essen wir schon, seit Finny kocht, in Massen. Und alle Wochen trinken wir 3 Liter Wein, pro Liter 30 g. Fein, was? Gestern haben wir in einem Dorfe unser mitgebrachtes Mittagessen verzehrt und dabei 2 Flaschen Sodawasser, 5 Tschei, 0.7 Wein, 1 Mocca gehabt und für alles S 1.50 gezahlt. Und da hat uns der Wirt noch den Tee, weil er ihn extra kochen mußte, teuer gerechnet. Es war recht schön und interessant bei unserem gestrigen Ausflug.

Und nun, Lieb, zu dem Brief. Also, ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, daß ich das Schreiben vom 9.d. M. so ohne Gruß u.s.w. fortsandte. Es ist mir nicht recht erklärlich, vielleicht ist das Ende des Briefes zurückgeblieben und irrtümlicher Weise zerrissen worden.

Nun, mein Schatz, daß Du das Schlafzimmer schon gekauft hast, macht gar nichts, sind wir wenigstens gleich eingerichtet. Später kann man ja immer ändern, wenn wir dann noch wollen. Nun, ich kann mir ja die Hilfsbereitschaft meiner Geschwister, besonders Olga, sehr gut vorstellen, aber Du hast recht, schließlich soll’s ja so werden, wie Du und ich es wollen und da mußt Du Deine Selbständigkeit behalten.

Deine Skizze liegt nicht dem Schreiben bei, vielleicht ist es Dir ebenso ergangen wie mir mit dem Schreiben vom 9.

Dem Fritz ist es sehr peinlich, daß die Sache mit dem Geld nicht geklappt hat. Er hat aber heute an Rommel geschrieben, daß er Dir seinen Mai-Gehalt übergibt. Hoffentlich hältst Du’s bis dahin aus.

Wann zieht Ihr denn eigentlich um? 60 S erscheint mir für das Ausziehen nicht viel! Ich möchte doch wenigstens im Geiste bei Euch sein, also schreib mir, wann der Umzug ist. Was hast Du denn in der Bandgasse für Möbel? Robert oder Fredy sollen mir einmal eine Liste von unserem nunmehrigen Inventar machen, damit ich weiß, wie reich wir jetzt sind.

Nun, Schatz, das will ich meinen, daß Du, wenn Du nicht fertig werden solltest, doch abfährst. Am 14. Juli (Sonntag) um 7 oder 8 Uhr ab Praterkai. Da bist Du dann Mittwoch, den 17., um 6 Uhr früh hier in Russe. Das Schiff fährt aber schon um ca 5 Uhr früh hier durch, nach Giurgiu, da werde ich Dir schon winken, vom Kai nach dem Bahnhof. In Giurgiu bleibst Du dann fest sitzen, nicht, daß Du vielleicht in Rumänien aussteigst. Vor 6 Uhr kommt der Dampfer dann zurück. Ich werde alles hier bezahlen, Du brauchst nur in Wien auf das Schiff und Dich, wahrscheinlich dem Restaurateur, das werde ich Dir noch genau mitteilen, durch Deinen Paß legitimieren. Das Visum mußt Du Dir für die einmalige Einreise besorgen. Wenn Du eine Kabine willst, mein Schatz, dann nimm Dir eine. Auf die 50 S kommt es nicht mehr an, und Du sollst Dich ja erholen, nach all Deinen Plagen. Ich schreibe ja, als wäre schon nächste Woche Dein Abfahrtstag. Na, das muß eben auch sein, das Sichvorstellen, wie schön das sein wird.

Daß Du mir schon wieder solche Sachen haben mußt. Wenn es nur bald gut werden würde. Weißt, die Familienbehandlung wird uns in Wien wohl abgehen, vielleicht Dir auch Dr. Allmeder, nicht, mein Lieb?

Für heute mache ich Schluß, diesmal vergesse ich aber bestimmt nicht, Dir innige Küsse zu senden.

Morgen ist nun die Ãœbernahme des Amtsmaterials. Da kann man nun endlich einmal mit dem Amt richtig beginnen.

Vor-vorige Woche habe ich an … (unleserlich) privat geschrieben und mitgeteilt, daß wir das Amt beginnen werden. Eine halbe Woche später geht die Tür auf und ein Wiener Monteur kommt herein. Na, das war prompt. Aber wir haben den Monteur ganz gut brauchen können. Horky und noch ein Monteuer kommen erst Ende Juni. Wenn ich’s den Leuten nicht schon versprochen hätte, so könnten wir hier ohne Wiener Personal auskommen. Die Montage würde wohl länger dauern, doch bedeutend billiger kommen. So, denke ich, ist es echt „vaterländisch“ auch einigen Österreichern etwas zu verdienen zu geben. Ich lerne mit der Zeit, und auch durch Störs, eine Menge Leute, d.h. Reichsdeutsche, hier kennen, teilweise ganz nette Menschen. War gestern ausnahmsweise wieder einmal „drahn“ bis halb eins. Seit Störs hier sind, habe ich mich immer gedrückt vor solchen Unterhaltungen und gestern sind Störs nach Hause gegangen und ich bin geblieben. Es ist mir aber gar nicht gut bekommen, ich war froh, daß Finny heute eine Rindsuppe für meinen Magen gekocht hat.

Aber jetzt genug der Lokalnachrichten. Eben sang draußen eine Nachtigall, aber dann kam ein Auto (sonst sieht man tagelang hier in der Gasse keines) und verjagte sie. Es ist halb elf Uhr. Dafür schreit jetzt irgendwo ein Esel.

Mit vielen, vielen Busserln,

Vater.

Weidlingau, 26.5.1935

Du mein Herzensschatz!

Nun bring ich’s doch nicht übers Herz, Dich ohne Nachricht zu lassen. Ich will doch nicht die Ursache Deines „Heimwehs“ sein. Kind, ob das Heimweh ist? Ich glaube, ich kenne das Gefühl sehr gut, trotzdem ich daheim bin. Liebstes, ich habe doch oft solche Sehnsucht nach Dir und da wird mir eben auch so weh ums Herz. Da hilft es auch nicht, daß ich die Kinder bei mir habe.

Manchmal denke ich überhaupt, ich sei eine schlechte Mutter, ich glaube, ich hänge viel mehr an Dir als an den Buben oder ist’s doch nur, weil ich von Dir doch öfter getrennt bin, als von den Kindern.

Also, Schatzerl, die Getränke sind scheinbar das billigste in Bulgarien. Da werde ich ja im Sommer meinen immerwährenden Durst tüchtig löschen können. Kirschen, glaube ich, bekommt man auch in Wien um ca. 60 Lewa. Fisolen habe ich noch nicht gesehen, Erbsen und Salat sind noch sehr teuer. Na, vielleicht auch bei Euch, nur fällt das Euch wahrscheinlich nicht so auf, weil Ihr ja doch nicht so ängstlich rechnen müßt.

Ich weiß nicht, ob ich Dir schon geschrieben habe, daß wir am 31.d. M. um 7 Uhr früh den Möbelwagen erwarten.

In der Bandgasse wohnen Pfisters. Die Möbel stehen ja noch dort. Ich hab sie auch noch nicht ganz ausbezahlt, weil ich doch nicht ohne Geld bleiben wollte.

Mittwoch waren wir die Wohnung putzen. Richard hat mir Herd und Öfen gekehrt. Der Herd brennt sehr gut. Wir haben geheizt zum Wasser wärmen. Ich glaube, ich werde ihn nicht nur zum Waschen sondern im Winter auch zum Kochen benützen. Die beiden Öfen sollen laut Richards Aussage auch vorzüglich ziehen. Überhaupt glaubt auch Richard, daß es dem Robertl“ da sehr gut gefallen wird. Und als ich sagte „na, hoffentlich“, meinte er „da müßt er ja ganz vernagelt sein, wenn’s ihm da net g’fallt“. Den Boden hat auch Richard aufgeräumt. Er ist nun recht schön, auch groß, so daß man tadellos Wäsche aufhängen kann.

Hansi hat beim Fensterputzen und Rahmenwaschen geholfen, morgen wird sie mir waschen helfen. Ich hab ihr 10 S gegeben; sie wollte es zwar nicht nehmen, ich glaube aber, sie verdient sich’s doch. Auch Dienstag kann sie mir noch helfen, wie sie heute sagte.

Richard muß ich erst noch etwas geben. Auch dem „Kleinen“ für die Installationen. Eigentlich möchte ich am liebsten gleich zwei Beleuchtungskörper kaufen, nur weiß ich noch nicht, wie ich’s mache. Pergamentschirme gefallen mir am besten.

Nun, Lieb, die Liste können Dir die Kinder wohl bei Gelegenheit machen, für heute nur so viel, daß wir außer unseren alten Möbeln noch das Schlafzimmer (bestehend aus 2 Betten, 2 Kasten, 2 Nachtkästchen, 1 Psyche) und die schon beschriebenen 3 Kasten aus dem Dorotheum haben.

Nun also, meine Reise hast Du mir ja schon ordentlich beschrieben. Jetzt kann ich mich schon gar nicht mehr verirren. Ich werde bestimmt nicht in Giurgiu aussteigen. Aber noch ist ja Zeit.

Dr. Allmeder wird mir JA sehr abgehen. Er ist mir sehr lieb geworden in all der Zeit. Ich glaube, auch ich ihm. Denn als er mich fragte, ob er mich noch sehen wird und ich ihm zur Antwort gab, ich werde mich doch auf jeden Fall noch empfehlen kommen, hat sein Gesicht gestrahlt, wie ich’s noch nie gesehen habe.

Nun, wenn Ihr jetzt das Amt beginnen werdet, habt Ihr wohl ziemlich viel zu tun. Gelt, Schatz? Vielleicht bringt es Dich ein wenig über die Trennungszeit weg. Sag einmal, Kind, hast Du schon eine Ahnung, wie lange die Montage dauern wird?

Daß Dir das Drah’n nicht bekommt, glaube ich wohl, mein Liebes, Du bist doch ein solides Leben gewöhnt. Hoffentlich habt Ihr nicht diverse Drahrereien vor, wenn ich komme. Ich sehne mich so nach Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe.

Ja, Liebstes, sag einmal, ich hab ja allerdings diverse Schmerzen, doch ist es alles doch nicht gefährlich. Schau, Mitzi mußte operiert werden, Annerl und Emma desgleichen; auch Olga hatte seinerzeit eine ernste Eierstockentzündung. Bei mir sind’s doch immer mehr belanglose Sachen. Etwas Schonzeit und dann wird’s schon wieder gehen. Es ist schon viel besser, nur als ich gestern anfing zu waschen, spürte ich’s wieder.

Bei uns beginnt nun endlich der Flieder zu blühen, ziemlich karg. Es ist alles erfroren. Auch von dem Herzerlstock mußte ich sehr viel abschneiden, weil es abgefroren war. Nun ist es endlich wärmer seit Freitag. Aber in den Wohnungen spürt man noch kaum etwas.

Grüße von den Kindern und mir auch an Störs. Ich werde mich schon freuen, wenn ich mal wieder mit Euch dreien beisammen sein kann.

Viel, viel innige Küsse,

Gretel.

Russe, den 27.5.1935

Mein Liebstes!

Wenn ich Euch nur ein wenig von der Hitze geben könnte, die wir hier haben. Es hat jetzt schon. wohl in der Sonne. über 40 Grad, wie wird es dann erst im Juli und August werden. Hoffentlich macht Euch diese Hitze nichts. Warum ich „Euch“ schreibe, darauf wirst Du später kommen, vorerst will ich Dir eine angenehme Mitteilung machen.

Die Firma hat meine Montageleiterzulage von Lw 50,- auf Lw 85,- erhöht und zwar rückwirkend von meinem Eintreffen in Russe. Ich kann daher bei der Mai-Abrechnung ca. Lw 2600,- im Nachhinein aufschreiben. Das ist fein, was? Dadurch ist ein Teil Deiner Fahrt gedeckt.

So, und nun zum Zweiten. Ich möchte doch, daß Du Werner mitbringst. Du wirst Dir zwar denken, ich weiß nicht mehr, was ich will, da ich einmal so und jetzt wieder anders schreibe, doch hätte ich den Buben sehr gerne da. Du bist wohl dadurch nicht ganz frei, aber ich denke, sehr viel Arbeit wird er Dir hier nicht machen. Zum Kleiden brauchst Du nicht zu viel für Werner mitnehmen, da wir ja hier dazukaufen können. Und wenn Robert auch in Wien bleiben sollte, ich hätte wohl lieber, er möchte auch fortfahren, so brauchte bei ihm niemand bleiben. Essen könnte er zu Großmama gehen. Aber, wie gesagt, besser wäre, Robert ginge auch irgendwo aufs Land. Vielleicht könntest Du Rosners diesbezüglich schreiben. Da Robert jetzt sein eigenes Rad hat, so könnte er mit Fredy ab Linz fahren. Den Weg haben die Buben im vorigen Jahr mit mir gemacht. Und wir, Du, Werner und ich werden uns 8 oder 10 Tage irgendwo bei Varna an den Strand des Schwarzen Meeres setzen.

Bezüglich der genauen Schiffspreise und auch wegen der Fahrt in der 2-ten Klasse werde ich mich noch genau erkundigen. Mit der Bahn sollst Du nicht fahren. Werner muß in Deinem Reisepaß eingetragen sein, bitte vergiß darauf nicht.

Ich fahre morgen früh nach Varna. bei dieser Gelegenheit werde ich nach Sankt Konstantin fahren, das von Varna per Auto zu erreichen ist. Dort soll ein schöner Strand sein und außerdem ist es dort auch nicht zu teuer. Freitag oder Samstag komme ich dann von dort zurück und dann soll es Samstag Mittag nach Bukarest gehen. Gestern waren zwei Herren der Generaldirektion der rumänischen Post hier und haben uns eingeladen. Fritz und Finny fahren auch mit. Das ist also eine starke Woche.

Aber auch bei Dir ist das der Fall diese Woche. Im werde am Freitag auf Euch denken. Sag, wie ist es denn mit den Kindern wegen des Schulgehens? Treten sie in die Wiener Schule über? Das wird ja doch nötig sein, da noch eineinhalb Monate bis zum Schulschluß sind.

Fredy werde ich erst später wegen seiner Erfindung antworten. Das Abfahren nach Varna kommt mir eigentlich gerade jetzt nicht ganz zur rechten Zeit, da ich bereits mit der Montage des Amtes begonnen habe und weil bis jetzt nur ein Wiener Monteur für das Amt hier ist und die Leute hier abgerichtet werden müssen.

Samstag war ich das erste Mal in der Deutschen Schule, in der sogenannten Bauernstube, das ist ein Zusammenkunftsraum der hiesigen deutschen Kolonie. Ich kenne bereits, eigentlich durch Fritz, die meisten Leute. Sonntag früh habe ich mir den Film „G’schichten aus dem Wienerwald“ angesehen. Sehr lustig und vor allem, er spielt direkt in Wien, man fährt mit dem Auto durch die Stadt, mit dem Fiaker in den Prater, da spürt man erst, daß man die Heimat doch sehr gerne hat. Die Handlung ist nicht überwältigend, jedoch nicht kitschig. Slezak, M. Schneider, Alexander, A-Retty, Karl Kneidinger unterhalten einfach großartig.

Nun, Lieb, wünsche ich Dir, daß bei Dir alles gut geht und daß Du Dich nicht zu überanstrengst. Schreibe mir bitte unsere neue Adresse, sonst kommt eine Unterbrechung in unserer Korrespondenz.

Mit vielen Busserln,

Robert

Wien, 3.6.1935

Liebster!

Nun endlich muß ich Dir doch schreiben, sonst bist Du vielleicht noch mehr beunruhigt als so.

Also die Übersiedlung ist vollzogen, mit Ach und Weh. Im vollsten Sinne des Wortes. Sonntag, den 26.5. kam Hansi mir zu helfen und blieb bis Mittwoch, den 29. abends. Mir war die ganzen Tage schon nicht gut. Beim Bügeln mußte ich mich niedersetzen, weil ich’s vor Kreuz- und Rückenschmerzen nicht aushielt. Außerdem aber hatte ich so Magenbeschwerden, daß ich mir vorgenommen hatte, Dr. Allmeder noch einmal zu konsultieren.

Na, Hansi war weg und mir war so elend, daß ich mich doch einmal messen ging. 38.7 war das Ergebnis. So ging ich denn mit dem Vorhaben (um 8 Uhr abends) schlafen, den nächsten Morgen vielleicht schon um 4 Uhr früh aufzustehen und das Versäumte nach Kräften einzuholen. Aber ich habe die Rechnung ohne mein Fieber gemacht. Ich mußte liegenbleiben und Dr. Allmeder holen lassen. Dazu war das Wetter trostlos. Ein Gießen, wie wenn alle Schleusen des Himmels geöffnet wären.

Allmeder konstatierte eine neuerliche Grippe. „Na, und da soll i Ihna bis murg’n g’sund machen?“ Das wußte ich ja selbst, daß er das nicht kann. Aber die Schmerzen ließen doch etwas nach, nach den Pulvern, so daß ich um 4 Uhr nachmittag aufstand, um fertig zu packen. Eine Menge Kleinigkeiten blieben immer noch und ich war froh, daß Freitag früh um 7 Uhr Richard kam, um zu helfen. Frau Schäfer hatte mir Donnerstag fertig gebügelt und die Küchenkasten gewaschen. Auch das Putzen und Reiben hinter mir hab ich ihr gelassen; natürlich gegen Entgelt. Das Kranksein ist eben nicht nur verdrießlich, sondern außerdem auch teuer.

Ja, Schatz, ich weiß nicht, ob Du das Geschreibsel heute wirst lesen können, denn wenn ich sitze, tut mir der Rücken so weh und wenn ich liege, schmiere ich eben furchtbar. Also, die Umziehfuhre war erst um 19 Uhr erledigt; die näheren Umstände erzähle ich Dir dann. Samstag bin ich so halb und halb herumgekrochen, hatte abends 39 Grad Fieber und legte mich endgültig nieder, ohne auch nur fertig auszupacken. Hansi war Freitag und Samstag wieder hier. Sonntag schickte ich alle in die Sonntagsschule, um endlich ein paar Stunden Ruhe zu haben. Ich schlief dann auch von halb 10 bis 1 Uhr. Nachmittag waren Rudolf und Mitzi da. Gestern nachmittag Olga. Es gefällt allen sehr gut. Auch Rommel, der mir Samstag in einem Zimmer und in der Küche die Beleuchtung installierte. Radio ist nicht gebrauchsfähig, weil Gleichstrom. Fritz wird sich aber erkundigen, was man machen kann. Fredy ist sowohl in der Volksschule als auch in der Realschule regelrecht aufgenommen. Bei Robert hat es erst noch eine Menge Laufereien gegeben wegen Platzmangel.

Ja, nun ein bisserl was Erfreulicheres, mein Lieb. Unsere neuen Möbel sind viel schöner als sie dort in der düsteren Wohnung schienen und außerdem Hartholz, so daß sie wohl nur ungefähr zu ein Drittel bezahlt sind. Nun freut’s mich erst richtig, daß ich sie gekauft habe. Die Möbel, die wir nicht mehr brauchen, stelle ich wieder Mutter zur Verfügung.

Wenn auch für den Moment alles nicht just so ist, wie ich’s mir dachte (durch das Kranksein), so ist’s doch schön, in solch freundlichem Zimmer mit so hellen Möbeln zu liegen, mit dem Bewußtsein, all das Schöne ist unser. Und diesmal gibt’s auch bei mir Vorfreude. Kinderl, wenn ich Dich einmal heimholen kann.

Deinen letzten Brief erhielt ich hier am 1. Tag. Werner freut sich natürlich sehr, daß er mitfahren darf. Also bitte, jetzt nimmer umstoßen. Außer so, daß wir dableiben und Du kommst. Aber da wäre ja das Wiedersehen gar so kurz.

Nun noch etwas, mein Lieb! Dr. Allmeder hat konstatiert, daß meine Magenschmerzen nicht mit irgendeinem Magenleiden zusammenhängen, sondern ich einen durch die Schwangerschaften hervorgerufenen Bauchmuskelriß habe, wodurch die Magenwände wahrscheinlich eingeklemmt werden. Dadurch werde ich bei jeder schweren Arbeit wie wäschewaschen, schaffelntragen, reiben, husten u.s.w. immer wieder die Magenbeschwerden bekommen. Er ratet mir nun die Sache (nicht dringend) aber unbedingt operieren zu lassen. „Eine einfache Muskeloperation, ganz ungefährlich“, nach seinen Aussagen.

Ich dachte nun schon, die Geschichte noch vor der Reise zu machen, doch wird mir die Zeit sehr fehlen. Auch sind seit gestern die Schmerzen stark zurückgegangen, so daß man natürlich sich nicht mehr so sehr darum reißt. Also, Schatzerl, bitte schreib mir, wie Du über die Sache denkst.

Alles Nähere der letzten Tage bis wir wieder beieinander sind. Von Wanzen ist bis jetzt nichts zu spüren.

Viele Grüße an Störs! Viel tausend Busserl Dir!

Gretel

Deine Zulagenerhöhung ist natürlich sehr erfreulich.

Russe. den 4. Juni 1935

Liebe Gretel!

Nun ist der Rummel glücklich vorüber und auch die Herren von Berlin, die sich Freitag und Samstag unsere Netzmontage besichtigten, sind zufrieden.

Varna ist recht schön, vor allem natürlich das Meer. Ich war abends immer (d.h.zwei Mal) am Strand. Zum Baden war es leider nicht, trotzdem es wohl 17 Grad Wassertemperatur hatte. Doch gerade an dem Tage, wo ich Zeit hatte, war die Luft kalt. Ich bin auch mit Herrn Ritter dorthin gefahren, wo wir zusammen wahrscheinlich 8 bis 10 Tage bleiben werden. Es war eine schöne Fahrt, die Straße ging immer am Meer. Leider hatten wir einen Gaul,der kein Verständnis für das Schöne hatte und furchtbar langsam zog. Daher sind wir gar nicht bis dahin gekommen, sondern mußten, da ich um halb 3 Uhr wieder bei Dir. Straubl sein mußte, einen km vorher umkehren. Nun, aber ich habe doch gesehen, wie schön es dort ist. Freilich, im Juli wird die Luft nicht so angenehm sein, wie sie vorige Woche war. Das Strandbad in Varna ist sehr schön angelegt, aber im Sommer soll es dort nicht gemütlich sein, weil so viele Polen und Tschechen dort sind und im allgemeinen sehr viel Pflanz gerissen wird. Na, wir werden es fein haben in St. Konstantin.

Freitag, als wir von Varna nach Russe fuhren, habe ich an Dich gedacht. Ich hoffe, daß es Dir mit dem Ausziehen gut gegangen ist. Erwarte eigentlich einen Brief, doch wird Dir wahrscheinlich wenig Zeit zum Schreiben geblieben sein. Samstag war bei uns Regentag. Wir wollten nach Tschiflik (dort wo der erste Wald, außer den Auen, ist), aber der Zug ging wieder einmal nicht, weil es regnete. Und das war gut, denn untertags gingen 3 Gewitter nieder, eines stärker wie das andere. Abends waren wir im Kino (Turandot, jedoch eine Parodie auf das eigentliche Drama, aber mir gefiel’s ganz gut), wir hätten bald vor lauter Wasser auf der Straße nicht dorthin können. Du wirst ja selbst sehen, wie hier ein Gewitter ist. Dabei war Sonntag noch das Gute, daß es vorher regnete und dann der Sturm kam. Gewöhnlich ist das umgekehrt und dann staubt es, daß Du es Dir gar nicht vorstellen kannst.

Nun, jetzt ist das Obst, d.s. Erdbeeren und Kirschen, schon sehr billig. 10 Lw und 6 Lw p.kg. Salat 2 Stück 1 Lw, Gurken p. St.ca 5-10 Lw. Bald werden Melonen am Markt sein. Die sollen fürchterlich billig werden. Du siehst, daß nicht nur unser leichteres Ausgeben diese Sachen billig erscheinen läßt. Es ist wirklich billig. Von den meisten Monteuren sind ihre Frauen schon hier. Die haben es fein! Aber morgen in 6 Wochen werde ich auch schon nicht schlafen können. Finny geht auf alle Fälle mitwinken, wenn Ihr an Russe vorüberfährt. Fritz ist zu nüchtern dazu. „Wann s’ eh in aner Stund kommt, was braucht ma denn dann winken?“ Habe mit meiner Hausfrau über Euer Kommen gesprochen. Ich bekomme noch ein Bett und einen Diwan in das Zimmer. Dafür zahle ich Lw 300 mehr. Das ist ganz anständig. Außerdem kannst Du eventuell kleinere Sachen kochen. Aber natürlich nur ganz ausnahmsweise, denn ich will nicht, daß Du Dich hier herunten plagst. Es soll dies für Dich ein richtiger Urlaub werden. Was sagt Werner zu seinem Mitfahren? Ich freue mich schon so auf ihn.

Eben kommen Finny und Fritz ins Büro, denn es ist abends. Ende dieser Woche kommen Horky und Glasel, da gibts wieder Abwechslung. Mit der Bukarester Fahrt ist’s vorige Woche nichts geworden, weil die Berliner Herren da waren. Störs fahren dafür morgen mittag, ohne mir, denn ich bleibe lieber in Ruhe hier.

Fredys Maschine werde ich am Feiertag erledigen.

Mit vielen Busserln, Dein Mann.


[nach oben] [Lebenslauf] [Urlaube] [1920] [1921] [1923] [1925] [1926] [1928] [1929] [1930] [1931] [1932] [1934] [1935] [1936] [1937] [1938] [1939] [1940] [1941] [1942]




Wir freuen uns über Ihre Kommentare, bitte senden Sie sie an Paul Schröfl (pauli schroefl.com). Die Benutzung dieser Web Site basiert auf unseren Benutzungsbedingungen. © 1990 - 2024 Paul Schröfl, Lisl Schröfl, alle Rechte vorbehalten. Letzte Änderungen am 7. Dezember 2021